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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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seiner selbst. Als er einst bei einer solchen Revue von seinen Bosniaken,
einem zusammengewürfelten Corps Lanzenreiter, aus dem die spätern Uhlanen
hervorgingen, das sogenannte türkische Manöver trefflich ausführen sah, sagte
er lachend zu deren Commandeur: mein lieber Hallecius. Er und seine Kerls
haben den Teufel im Leibe mit Reiten; es ist mir lieb, daß ich nichts mit
ihnen zu Pferde zu theilen habe, da würde ich verflucht schlecht dabei weg¬
kommen.

Weithin drang des Königs scharfer Blick. Alles blieb ihm, auch im höhern
Alter, frisch im Gedächtniß. Und die zunehmende Hinfälligkeit vermochte nicht
seine Thätigkeit und Energie zu schwächen. Der sonst in vielen Dingen so
liberale König regierte unumschränkt, er wollte daher Zucht und Ordnung
unter allen Umständen gewahrt wissen. Unverträglichkeit unter seinen Dienern,
namentlich unter den Offizieren, konnte er daher am wenigsten leiden. Alles
sollte in der großen Staatsmaschine wirksam ineinander greisen. Bei etwaigen
Störungsfüllcn machte er kurzen Proceß. Hiervon nur ein Beispiel.

In einer schlesischen Festung waren alte und schadhafte Werke wieder
beizustellen. Dergleichen Arbeiten sind theuer, und der König, der mit dem
Gelde etwas knauserte, hatte dazu nur eine verhältnißmäßig geringe Summe
ausgesetzt. Die ältern Genieoffiziere waren damit zufrieden gestellt und dachten:
nach dem Geld die Arbeit. Die jüngern dachten aber anders und wollten
schöne neue Werke aufführen. Dazu gehörten aber andere Mittel. Sie wen¬
deten sich direct an den König, kamen aber, wie der Erfolg zeigt, übel an.
Dieser schrieb darüber:


"Mein lieber Generallieutnant v. Zaramba. auch mein lieber Obrist
v. Rabenau. Ich schicke Euch hiebei ein Schreiben von den beiden Ingenieur-
Lieutnants v. Reibnitz und v. Goltz, woraus Ich mich nicht vernehmen kann,
was sie eigentlich damit sagen wollen, sie sprechen von der Neparaturarbeit
an dem vordre escarps, daß solche, wegen des chicaneusen Terrains von
dem übelsten Erfolge und das Geld vergeblich darauf gewendet sein würde,
und wollen haben, daß diese Reparaturarbeit contremandirt werden möchte:
Ich sehe gar nicht ab. was das alles heißen solle, es wird ja auch dieses
Jahr dorten nichts gemacht, als was am Wasser beschädiget ist und was die
Brücken sind: Und habe Euch daher hierdurch auftragen wollen, ein bischen
näher nachzusehen, was das eigentlich ist, was diese beide Offiziers da schrei¬
ben, und wie die Umstände davon beschaffen sind, und müssen sie sich darüber
deutlicher expliciren, denn so verstehet man kein Wort davon, und will Ich
sodann darüber Euern nähern Bericht erwarten. Und könnet Ihr selbigen
von Meinetwegen nur andeuten, sie sollten sich nicht zanken, sonsten würde
Ich sie in Arrest setzen. Ich bin Euer Wohlaffectionirter König

Fred.


seiner selbst. Als er einst bei einer solchen Revue von seinen Bosniaken,
einem zusammengewürfelten Corps Lanzenreiter, aus dem die spätern Uhlanen
hervorgingen, das sogenannte türkische Manöver trefflich ausführen sah, sagte
er lachend zu deren Commandeur: mein lieber Hallecius. Er und seine Kerls
haben den Teufel im Leibe mit Reiten; es ist mir lieb, daß ich nichts mit
ihnen zu Pferde zu theilen habe, da würde ich verflucht schlecht dabei weg¬
kommen.

Weithin drang des Königs scharfer Blick. Alles blieb ihm, auch im höhern
Alter, frisch im Gedächtniß. Und die zunehmende Hinfälligkeit vermochte nicht
seine Thätigkeit und Energie zu schwächen. Der sonst in vielen Dingen so
liberale König regierte unumschränkt, er wollte daher Zucht und Ordnung
unter allen Umständen gewahrt wissen. Unverträglichkeit unter seinen Dienern,
namentlich unter den Offizieren, konnte er daher am wenigsten leiden. Alles
sollte in der großen Staatsmaschine wirksam ineinander greisen. Bei etwaigen
Störungsfüllcn machte er kurzen Proceß. Hiervon nur ein Beispiel.

In einer schlesischen Festung waren alte und schadhafte Werke wieder
beizustellen. Dergleichen Arbeiten sind theuer, und der König, der mit dem
Gelde etwas knauserte, hatte dazu nur eine verhältnißmäßig geringe Summe
ausgesetzt. Die ältern Genieoffiziere waren damit zufrieden gestellt und dachten:
nach dem Geld die Arbeit. Die jüngern dachten aber anders und wollten
schöne neue Werke aufführen. Dazu gehörten aber andere Mittel. Sie wen¬
deten sich direct an den König, kamen aber, wie der Erfolg zeigt, übel an.
Dieser schrieb darüber:


„Mein lieber Generallieutnant v. Zaramba. auch mein lieber Obrist
v. Rabenau. Ich schicke Euch hiebei ein Schreiben von den beiden Ingenieur-
Lieutnants v. Reibnitz und v. Goltz, woraus Ich mich nicht vernehmen kann,
was sie eigentlich damit sagen wollen, sie sprechen von der Neparaturarbeit
an dem vordre escarps, daß solche, wegen des chicaneusen Terrains von
dem übelsten Erfolge und das Geld vergeblich darauf gewendet sein würde,
und wollen haben, daß diese Reparaturarbeit contremandirt werden möchte:
Ich sehe gar nicht ab. was das alles heißen solle, es wird ja auch dieses
Jahr dorten nichts gemacht, als was am Wasser beschädiget ist und was die
Brücken sind: Und habe Euch daher hierdurch auftragen wollen, ein bischen
näher nachzusehen, was das eigentlich ist, was diese beide Offiziers da schrei¬
ben, und wie die Umstände davon beschaffen sind, und müssen sie sich darüber
deutlicher expliciren, denn so verstehet man kein Wort davon, und will Ich
sodann darüber Euern nähern Bericht erwarten. Und könnet Ihr selbigen
von Meinetwegen nur andeuten, sie sollten sich nicht zanken, sonsten würde
Ich sie in Arrest setzen. Ich bin Euer Wohlaffectionirter König

Fred.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/79>, abgerufen am 23.07.2024.