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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Erklärung zu Gunsten der preußische" Vorstandschaft, mit Vorbehalt der zu¬
lässigen Fortdauer, ja der Erweiterung des bisherigen Bundesverhältnisses
zwischen Deutschland und Oestreich, In Beziehung auf die nothwendige
Reform selbst sagt uns Welcker. was zu wenig wäre, nämlich die kleinen
Würzburger Hausmittelchen, -- dann wieder, was zu viel wäre, nämlich der
straffe Einheitsstaat, mit oder ohne monarchische Spitze. Das Nichtige zu
finden, weder zu wenig, noch zu viel. -- das überläßt Welcker der National¬
vertretung-, er sagt nicht genau, was er selbst für das Nichtige hält. Aus
dem Ganzen geht übrigens hervor, daß Welcker nrcht mehr verlangen würde
als was jetzt in Baden Regierung und Stände zu erstreben erklärt haben:
einheiiljche militärische und diplomatische Leitung. Wir vermissen ungern eine
Formulirung der Reformvorschläge Welckers, und wünschen, daß er bei einer
nächsten Gelegenheit die Lücke ausfülle, nachdem nunmehr Herr v. Beust die
seinige", die Welcker ohne Zweifel unter den Abschnitt von "Zu Wenig" ver¬
weisen wird, der Nation zur Prüfung vorgelegt hat. Dagegen stellt Welcker
an Preußen die bestimmte Forderung, den Bundesstaat zu Stande zu bringen
und zu diesen, Zwecke deu widerstrebenden deutschen Fürsten die Erklärung zu
geben, mit welcher der Staatskanzler >n Wien 1815 die Bevollmächtigten von
Baiern, Würtemberg und Baden überraschte. Diesen Herren war schon die
Bundesacre eine zu lästige Beschränkung ihrer Souverainetät, sie hatten da¬
her vorgezogen, u> gar keinen Bund einzutreten, nicht einmal in den deutschen.
Fürst Metternich aber eröffnete ihnen: es stehe ihnen keineswegs frei, Glie¬
der des deutschen Bundes zu werden, oder nicht; wenn sie nicht wollten, so
würden sie müssen. Das half. Wenn Preußen eine ähnliche Sprache führen
wollte, so wäre ihm die Gelegenheit dazu schon geboten. Auf seinen Ruf
versammelten sich das Staatenhaus und das Volkshaus in Erfurt und bräch¬
ten dort die Verfassung für den engern Bundesstaat zu Stande. Wenn Preu¬
ßen diese Verfassung den mchiostreichischen Deutschen anbieten und die Wi¬
derstrebenden zur Armadille zwingen wollte, so wäre dies ein Entschluß von
großer Tragweite, jedenfalls ausreichend zur Begründung des hohen Militär¬
aufwandes. Wir zweifeln jedoch, daß Preußen dem kühnen Rathe Welckers
folgen und eine deutsche Politik, deren Durchführung ein starkes Heer erfor¬
dert, in der nächsten Zeit ausheilen wird. Wir befinden uns noch im Sta¬
dium der Vorarbeiten, welche die Herstellung des Bundesstaats im rechten
Augenblicke ermöglichen, und über welche in der vorliegenden Schrift viel
Treffliches gesagt wird, z. B. über die Beseitigung der Bundes-Ausnahms-
gesetze und deren Anwendung in Kurhessen und einigen anderen Staaten, die
Verstärkung der nationalen Elemente in den. Regierungen und Kammern der
Mittelstaatcn, die Kundgebung einer deutschen Politik in Preußen selbst, und des
Willens, gleichartige Bestrebungen in den übrigen deutschen Ländern zu unterstützen.


Grenzboten IV. 1861. 64

Erklärung zu Gunsten der preußische» Vorstandschaft, mit Vorbehalt der zu¬
lässigen Fortdauer, ja der Erweiterung des bisherigen Bundesverhältnisses
zwischen Deutschland und Oestreich, In Beziehung auf die nothwendige
Reform selbst sagt uns Welcker. was zu wenig wäre, nämlich die kleinen
Würzburger Hausmittelchen, — dann wieder, was zu viel wäre, nämlich der
straffe Einheitsstaat, mit oder ohne monarchische Spitze. Das Nichtige zu
finden, weder zu wenig, noch zu viel. — das überläßt Welcker der National¬
vertretung-, er sagt nicht genau, was er selbst für das Nichtige hält. Aus
dem Ganzen geht übrigens hervor, daß Welcker nrcht mehr verlangen würde
als was jetzt in Baden Regierung und Stände zu erstreben erklärt haben:
einheiiljche militärische und diplomatische Leitung. Wir vermissen ungern eine
Formulirung der Reformvorschläge Welckers, und wünschen, daß er bei einer
nächsten Gelegenheit die Lücke ausfülle, nachdem nunmehr Herr v. Beust die
seinige», die Welcker ohne Zweifel unter den Abschnitt von „Zu Wenig" ver¬
weisen wird, der Nation zur Prüfung vorgelegt hat. Dagegen stellt Welcker
an Preußen die bestimmte Forderung, den Bundesstaat zu Stande zu bringen
und zu diesen, Zwecke deu widerstrebenden deutschen Fürsten die Erklärung zu
geben, mit welcher der Staatskanzler >n Wien 1815 die Bevollmächtigten von
Baiern, Würtemberg und Baden überraschte. Diesen Herren war schon die
Bundesacre eine zu lästige Beschränkung ihrer Souverainetät, sie hatten da¬
her vorgezogen, u> gar keinen Bund einzutreten, nicht einmal in den deutschen.
Fürst Metternich aber eröffnete ihnen: es stehe ihnen keineswegs frei, Glie¬
der des deutschen Bundes zu werden, oder nicht; wenn sie nicht wollten, so
würden sie müssen. Das half. Wenn Preußen eine ähnliche Sprache führen
wollte, so wäre ihm die Gelegenheit dazu schon geboten. Auf seinen Ruf
versammelten sich das Staatenhaus und das Volkshaus in Erfurt und bräch¬
ten dort die Verfassung für den engern Bundesstaat zu Stande. Wenn Preu¬
ßen diese Verfassung den mchiostreichischen Deutschen anbieten und die Wi¬
derstrebenden zur Armadille zwingen wollte, so wäre dies ein Entschluß von
großer Tragweite, jedenfalls ausreichend zur Begründung des hohen Militär¬
aufwandes. Wir zweifeln jedoch, daß Preußen dem kühnen Rathe Welckers
folgen und eine deutsche Politik, deren Durchführung ein starkes Heer erfor¬
dert, in der nächsten Zeit ausheilen wird. Wir befinden uns noch im Sta¬
dium der Vorarbeiten, welche die Herstellung des Bundesstaats im rechten
Augenblicke ermöglichen, und über welche in der vorliegenden Schrift viel
Treffliches gesagt wird, z. B. über die Beseitigung der Bundes-Ausnahms-
gesetze und deren Anwendung in Kurhessen und einigen anderen Staaten, die
Verstärkung der nationalen Elemente in den. Regierungen und Kammern der
Mittelstaatcn, die Kundgebung einer deutschen Politik in Preußen selbst, und des
Willens, gleichartige Bestrebungen in den übrigen deutschen Ländern zu unterstützen.


Grenzboten IV. 1861. 64
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/515>, abgerufen am 23.07.2024.