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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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könnte. So ließ Coste die Matrosen, welche die Mutteraustern aushacken,
auch eine große Masse leerer Austernschalen, Steine und mit Kies gefüllte
Faschinen auswerfen, von deren Lage man einen genauen Plan aufnahm,
um später mit derselben Leichtigkeit, mit der ein Gärtner die Früchte seiner
Obstbäume einsammelt, die Austernernte ausführen zu können.

Diese Anlage gelang vollständig. Im December 1858 berichtete unser
Austerngärtner an den Kaiser: "Kaum sind sechs Monate verflossen, und
schon ist die Hoffnung, welche die Wissenschaft darbot, zur erfreulichsten Ge¬
wißheit geworden. Die Schätze, welche eine beharrliche Anwendung ihrer
Methoden auf diesen in vollem Leben stehenden Feldern angehäuft hat, lassen
die kühnsten Erwartungen weit hinter sich. Die Mutteraustcrn, die leeren
Schalen, welche wir ausgesäet haben, so wie Alles, was sonst hier das Meer
zusammengeführt hat, sind mit jungen Austern bedeckt, selbst der Boden ist
damit überschwemmt. Die Faschinen tragen auf allen ihren Reisern eine solche
Menge von Austern, daß sie den Bäumen in unsern Gärten gleichen, welche
zur Frühlingszeit ihre Zweige unter der Fülle ihrer Blüthen verbergen. Man
kann sagen, die Faschinen sind vollständig versteinert. Niemals haben, Can-
cale oder Granville selbst zur Zeit ihrer höchsten Blüthe den Anblick einer
gleichen Production geboten."

Im Februar 1859 hatten die Austern der Bucht von Se. Brieux bereits
einen Durchmesser von V4 bis 1 Zoll, und man sah deren auf einer einzigen
Faschine gegen zwanzigtausend sitzen. Zu Ende des Jahres wurden sorgfälti¬
gere Untersuchungen angestellt, und dieselben ergaben, daß die Entwickelung der
Thiere ihren ungestörten Fortgang genommen hatte.

"Ich halte es für Pflicht", schloß jener Bericht Costes an den Kaiser,
"vorzuschlagen, daß Ew. Majestät die ungesäumte Wiederbevölkerung unsrer
gesammten Küste anbefehlen möge, sowohl der des atlantischen wie der des
Mittelmeeres, der von Algier und der von Corsika. Ebenso gut sind die
Salzwasserteiche in Südfrankreich zu diesem Zweck zu verwenden. Auch sie
können, wenn sich die Aussaat vervielfältigt hat. der armen Bevölkerung an
ihren Usern eine reiche Erwerbsquelle bieten. Allerdings gibt es außer den
Erfahrungen, die wir bereits gewonnen haben, noch mancherlei Geheimnisse,
welche fortan Gegenstand der ernstesten Untersuchung werden müssen und durch
ausdauernden Fleiß sicher zu enthüllen sein werden. Es wird daher nöthig
sein, an unsern Küsten ausgedehnte Arbeitsstätten für die Wissenschaft einzu¬
richten, und gewiß werden die hier gemachten Eroberungen beitragen, daß
die Industrie ihre segensreiche Herrschaft beträchtlich erweitern kann. Jene Salz¬
wasserteiche im Süden sowie die Buchten des Meeres bieten uns die mannich-
faltigsten Gelegenheiten für die Errichtung dieser großartigen Anlagen, die
nach und nach in wahrhafte Anstalten zur Besäung und Ausbeutung des


könnte. So ließ Coste die Matrosen, welche die Mutteraustern aushacken,
auch eine große Masse leerer Austernschalen, Steine und mit Kies gefüllte
Faschinen auswerfen, von deren Lage man einen genauen Plan aufnahm,
um später mit derselben Leichtigkeit, mit der ein Gärtner die Früchte seiner
Obstbäume einsammelt, die Austernernte ausführen zu können.

Diese Anlage gelang vollständig. Im December 1858 berichtete unser
Austerngärtner an den Kaiser: „Kaum sind sechs Monate verflossen, und
schon ist die Hoffnung, welche die Wissenschaft darbot, zur erfreulichsten Ge¬
wißheit geworden. Die Schätze, welche eine beharrliche Anwendung ihrer
Methoden auf diesen in vollem Leben stehenden Feldern angehäuft hat, lassen
die kühnsten Erwartungen weit hinter sich. Die Mutteraustcrn, die leeren
Schalen, welche wir ausgesäet haben, so wie Alles, was sonst hier das Meer
zusammengeführt hat, sind mit jungen Austern bedeckt, selbst der Boden ist
damit überschwemmt. Die Faschinen tragen auf allen ihren Reisern eine solche
Menge von Austern, daß sie den Bäumen in unsern Gärten gleichen, welche
zur Frühlingszeit ihre Zweige unter der Fülle ihrer Blüthen verbergen. Man
kann sagen, die Faschinen sind vollständig versteinert. Niemals haben, Can-
cale oder Granville selbst zur Zeit ihrer höchsten Blüthe den Anblick einer
gleichen Production geboten."

Im Februar 1859 hatten die Austern der Bucht von Se. Brieux bereits
einen Durchmesser von V4 bis 1 Zoll, und man sah deren auf einer einzigen
Faschine gegen zwanzigtausend sitzen. Zu Ende des Jahres wurden sorgfälti¬
gere Untersuchungen angestellt, und dieselben ergaben, daß die Entwickelung der
Thiere ihren ungestörten Fortgang genommen hatte.

„Ich halte es für Pflicht", schloß jener Bericht Costes an den Kaiser,
„vorzuschlagen, daß Ew. Majestät die ungesäumte Wiederbevölkerung unsrer
gesammten Küste anbefehlen möge, sowohl der des atlantischen wie der des
Mittelmeeres, der von Algier und der von Corsika. Ebenso gut sind die
Salzwasserteiche in Südfrankreich zu diesem Zweck zu verwenden. Auch sie
können, wenn sich die Aussaat vervielfältigt hat. der armen Bevölkerung an
ihren Usern eine reiche Erwerbsquelle bieten. Allerdings gibt es außer den
Erfahrungen, die wir bereits gewonnen haben, noch mancherlei Geheimnisse,
welche fortan Gegenstand der ernstesten Untersuchung werden müssen und durch
ausdauernden Fleiß sicher zu enthüllen sein werden. Es wird daher nöthig
sein, an unsern Küsten ausgedehnte Arbeitsstätten für die Wissenschaft einzu¬
richten, und gewiß werden die hier gemachten Eroberungen beitragen, daß
die Industrie ihre segensreiche Herrschaft beträchtlich erweitern kann. Jene Salz¬
wasserteiche im Süden sowie die Buchten des Meeres bieten uns die mannich-
faltigsten Gelegenheiten für die Errichtung dieser großartigen Anlagen, die
nach und nach in wahrhafte Anstalten zur Besäung und Ausbeutung des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/478>, abgerufen am 28.12.2024.