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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Brennnesseln von Haus zu Haus geht und die Wirthinnen fragt, ob die
Mägde ihr Werg ausgesponnen haben. Wird ihre Frage bejaht, so läßt sie
>me Nessel zurück, die das Haus das Jah> über vor allem Schaden bewahrt.
Wird mit Nein geantwortet, so pcusebt die Alte die tragen Jungfern mit
ihrer Nesselruthe tüchtig durch. Wer das Mütterchen ist, erfahren wir in der
Gegend von Schlau, wo sie Paruchta (Perchta) heißt, und wo sie den Kin¬
dern,' welche am heiligen Abend nicht schlafen gehen wollen oder zu viel ge¬
gessen haben, den Bauch aufschlitzt. Bei Podhoran zwischen Kuttenberg und
Chrudim finden sich die Ruinen der Burg Poran, Zu König Wenzels
Zeit soll hier ein Raubritter gehaust haben, der sür seine Uebelthaten auf so
lange in einen benachbarten Wald verwünscht worden sein soll, bis die letzten
Neste seines Schlosses verschwunden seien. Sonntagskinder haben gesehen,
wie sich hier am Weihnachtsabend ein Apfelbaum aufthat und aus demselben
ein Greis stieg, der sich die Gegend mit finsterer Miene betrachtete. Als er
die Ruinen sah, rief er betrübt: "Noch immer nicht verschwunden!"

Daß man in der Christnacht auch Schätze zu heben sucht, wird den dieser
Dinge Kundigen nickt Wunder nehmen. Einige suchen zu diesem Zweck einen
ganz schwarzen'Kater zu fangen^'"den man Rarafek nennt und für einen
bösen Geist hält. Man steckt ihn in einen Sack und erwürgt ihn so. daß kein
Knochen an ihm beschädigt wird. Darauf siedet man ihn in einem Kessel- so
lange, bis alles Fleisch an den Gebeinen abgeht, worauf man sich die einer
Gabel gleichenden (also wünschclruthenförmigen) Kinnbacken davon nimmt,
diese trägt man dann bei sich, indem man meint, sich dadurch unsichtbar
machen und alle Schätze, die in den Keilern verlassener Schlösser oder in Fel¬
senhöhlen vergraben sind, und welche der Teufel in Gestalt eines schwarzen
Hundes oder Böckh zu bewachen pflegt, entdecken und gewinnen zu können.

Wie in Nord- und Westdeutschland hört man auch unter den Böhmen
in der Geisterstunde der Weihnacht die Thiere mit.einander reden, aber wie
dort heißt es auch, daß man nicht wohlthue, sie zu'behorchen, da man nie
etwas Gutes erfahre. Wie in andern deutschen Strichen verwandelt sich auch
im nördlichen Böhmen in der Christnacht das Wasser der Brunnen in Wein,
doch schmecken es hier nur die, welche ohne Absicht, das Wunder zu erleben,
davon-trinken, und überdies hat die Sache ihre Gefahr. Ein Mädchen
welches an ein Wasser ging und nachdem sie davon gekostet, ausrief: "Jetzt
ist das Wasser Wein!" vernahm, wie eine Stimme aus der Tiefe antwortete:
..Und' dein Kopf ist mein", worauf sie verschwand und nie wieder gesehen wurde.

Zahlreiche andere Beispiele böhmischen Weihnachtsaberglaudens. ramene-
''M"ti^verschiedenen Arten, aus welche die Dorfmädchen sich beim Schicksal
nach dem zukünftigen Fttier erkundigen, bitten wir den Leser in dem ange¬
führten Buche nachzusehen.'


Brennnesseln von Haus zu Haus geht und die Wirthinnen fragt, ob die
Mägde ihr Werg ausgesponnen haben. Wird ihre Frage bejaht, so läßt sie
>me Nessel zurück, die das Haus das Jah> über vor allem Schaden bewahrt.
Wird mit Nein geantwortet, so pcusebt die Alte die tragen Jungfern mit
ihrer Nesselruthe tüchtig durch. Wer das Mütterchen ist, erfahren wir in der
Gegend von Schlau, wo sie Paruchta (Perchta) heißt, und wo sie den Kin¬
dern,' welche am heiligen Abend nicht schlafen gehen wollen oder zu viel ge¬
gessen haben, den Bauch aufschlitzt. Bei Podhoran zwischen Kuttenberg und
Chrudim finden sich die Ruinen der Burg Poran, Zu König Wenzels
Zeit soll hier ein Raubritter gehaust haben, der sür seine Uebelthaten auf so
lange in einen benachbarten Wald verwünscht worden sein soll, bis die letzten
Neste seines Schlosses verschwunden seien. Sonntagskinder haben gesehen,
wie sich hier am Weihnachtsabend ein Apfelbaum aufthat und aus demselben
ein Greis stieg, der sich die Gegend mit finsterer Miene betrachtete. Als er
die Ruinen sah, rief er betrübt: „Noch immer nicht verschwunden!"

Daß man in der Christnacht auch Schätze zu heben sucht, wird den dieser
Dinge Kundigen nickt Wunder nehmen. Einige suchen zu diesem Zweck einen
ganz schwarzen'Kater zu fangen^'"den man Rarafek nennt und für einen
bösen Geist hält. Man steckt ihn in einen Sack und erwürgt ihn so. daß kein
Knochen an ihm beschädigt wird. Darauf siedet man ihn in einem Kessel- so
lange, bis alles Fleisch an den Gebeinen abgeht, worauf man sich die einer
Gabel gleichenden (also wünschclruthenförmigen) Kinnbacken davon nimmt,
diese trägt man dann bei sich, indem man meint, sich dadurch unsichtbar
machen und alle Schätze, die in den Keilern verlassener Schlösser oder in Fel¬
senhöhlen vergraben sind, und welche der Teufel in Gestalt eines schwarzen
Hundes oder Böckh zu bewachen pflegt, entdecken und gewinnen zu können.

Wie in Nord- und Westdeutschland hört man auch unter den Böhmen
in der Geisterstunde der Weihnacht die Thiere mit.einander reden, aber wie
dort heißt es auch, daß man nicht wohlthue, sie zu'behorchen, da man nie
etwas Gutes erfahre. Wie in andern deutschen Strichen verwandelt sich auch
im nördlichen Böhmen in der Christnacht das Wasser der Brunnen in Wein,
doch schmecken es hier nur die, welche ohne Absicht, das Wunder zu erleben,
davon-trinken, und überdies hat die Sache ihre Gefahr. Ein Mädchen
welches an ein Wasser ging und nachdem sie davon gekostet, ausrief: „Jetzt
ist das Wasser Wein!" vernahm, wie eine Stimme aus der Tiefe antwortete:
..Und' dein Kopf ist mein", worauf sie verschwand und nie wieder gesehen wurde.

Zahlreiche andere Beispiele böhmischen Weihnachtsaberglaudens. ramene-
''M"ti^verschiedenen Arten, aus welche die Dorfmädchen sich beim Schicksal
nach dem zukünftigen Fttier erkundigen, bitten wir den Leser in dem ange¬
führten Buche nachzusehen.'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/463>, abgerufen am 25.08.2024.