Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bestehen muß. Bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten, mit welchen der
Verfassungsstaat Preußen zu kämpfen hat, ist eine loyale und offene Verbin¬
dung der gegenwärtigen Minister mit den liberalen Parteiführern gar nicht
zu entbehren, und das Ministerium würde nicht nur sich, auch der Gegen¬
wart Preußens unnöthige Gefahren bereiten, wenn es z. B. der Fortschritts¬
partei etwas von der abgeneigten Behandlung gönnen wollte, welche in den
Artikeln ministerieller Blätter vor den Wahlen zu Tage kam.

Dies Blatt aber ist. in der angenehmen Lage, die neue Stufe der Ent¬
wickelung, auf welche das Verfassungsleben Preußens gekommen ist, mit un-
getheilter Freude zu begrüßen. Wir sind warme Preußen, und die Gegner
haben uns wol leidenschaftlicher Parteinahme beschuldigt; aber wir haben die
Aufgabe, in unserm kleinen Kreise außerhalb des Staatsgebiets vor den
Deutschen und dem Auslande die Interessen des Staats zu vertreten. Wir
sind nicht gezwungen, an dem häuslichen Zwist, der hier und da zwi¬
schen befreundeten Parteien in Preußen selbst ausbrennen mag.' mir der
Befangenheit der Kämpfenden Theil zu neliinen. Wir werden in dem
Ringen der Gegensätze auch innerhalb der liberalen Partei unsere Ueberzeu¬
gung nicht zurückhalten; aber wir werden es,als unsere erste Aufgabe betrachten,
für alle die Kräfte, welche in Preußen einer fortschreitenden Entwicklung der
Volkskraft dienen, gemeinsames handeln der jeder Gelegenheit zu erbitten.
Wir haben die Ueberzeugung, daß es hohe Z.it ist. alte Gegensätze der Per-
sonen und Zwistigkeite" der Parteien zu vergessen.

Denn noch ist der Verfassungskamvf Preußens nicht beendet. Das er¬
lauchte Fürstengeschlecht, welches dort regiert, und das Volk, beide sind noch
in dem großen Uebergange begriffen, sich in neuen Inhalt und neue Formen
ihres Staates einzuleben. , Innig sind wir überzeugt, daß es in solcher Periode
Allen, welche in dem Verfassungsstaat die Garantie für Gedeihen und Größe
Preußens erkennen, Pflicht ist, zusammenzustehen; denn nur durch ihre feste
Verbindung kann dem Staat wieder das Gefühl der Kraft komme", welches
er zu seinem und Deutschlands Schaden so lange entbehrt hat. Und deshalb
verbergen wir den Wunsch nicht, daß zunächst die Presse, sowohl die ministerielle
als die der Fortschrittspartei aufhören möge, an den Hader zu erinnern,
welcher bei den Wahlen zu Tage kam.

Es erscheint uns grade jetzt patriotische Aufgabe, jede Fraction der liberalen
Presse zum Frieden und zur Besonnenheit zu mahnen.




bestehen muß. Bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten, mit welchen der
Verfassungsstaat Preußen zu kämpfen hat, ist eine loyale und offene Verbin¬
dung der gegenwärtigen Minister mit den liberalen Parteiführern gar nicht
zu entbehren, und das Ministerium würde nicht nur sich, auch der Gegen¬
wart Preußens unnöthige Gefahren bereiten, wenn es z. B. der Fortschritts¬
partei etwas von der abgeneigten Behandlung gönnen wollte, welche in den
Artikeln ministerieller Blätter vor den Wahlen zu Tage kam.

Dies Blatt aber ist. in der angenehmen Lage, die neue Stufe der Ent¬
wickelung, auf welche das Verfassungsleben Preußens gekommen ist, mit un-
getheilter Freude zu begrüßen. Wir sind warme Preußen, und die Gegner
haben uns wol leidenschaftlicher Parteinahme beschuldigt; aber wir haben die
Aufgabe, in unserm kleinen Kreise außerhalb des Staatsgebiets vor den
Deutschen und dem Auslande die Interessen des Staats zu vertreten. Wir
sind nicht gezwungen, an dem häuslichen Zwist, der hier und da zwi¬
schen befreundeten Parteien in Preußen selbst ausbrennen mag.' mir der
Befangenheit der Kämpfenden Theil zu neliinen. Wir werden in dem
Ringen der Gegensätze auch innerhalb der liberalen Partei unsere Ueberzeu¬
gung nicht zurückhalten; aber wir werden es,als unsere erste Aufgabe betrachten,
für alle die Kräfte, welche in Preußen einer fortschreitenden Entwicklung der
Volkskraft dienen, gemeinsames handeln der jeder Gelegenheit zu erbitten.
Wir haben die Ueberzeugung, daß es hohe Z.it ist. alte Gegensätze der Per-
sonen und Zwistigkeite» der Parteien zu vergessen.

Denn noch ist der Verfassungskamvf Preußens nicht beendet. Das er¬
lauchte Fürstengeschlecht, welches dort regiert, und das Volk, beide sind noch
in dem großen Uebergange begriffen, sich in neuen Inhalt und neue Formen
ihres Staates einzuleben. , Innig sind wir überzeugt, daß es in solcher Periode
Allen, welche in dem Verfassungsstaat die Garantie für Gedeihen und Größe
Preußens erkennen, Pflicht ist, zusammenzustehen; denn nur durch ihre feste
Verbindung kann dem Staat wieder das Gefühl der Kraft komme», welches
er zu seinem und Deutschlands Schaden so lange entbehrt hat. Und deshalb
verbergen wir den Wunsch nicht, daß zunächst die Presse, sowohl die ministerielle
als die der Fortschrittspartei aufhören möge, an den Hader zu erinnern,
welcher bei den Wahlen zu Tage kam.

Es erscheint uns grade jetzt patriotische Aufgabe, jede Fraction der liberalen
Presse zum Frieden und zur Besonnenheit zu mahnen.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0455" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112963"/>
          <p xml:id="ID_1389" prev="#ID_1388"> bestehen muß. Bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten, mit welchen der<lb/>
Verfassungsstaat Preußen zu kämpfen hat, ist eine loyale und offene Verbin¬<lb/>
dung der gegenwärtigen Minister mit den liberalen Parteiführern gar nicht<lb/>
zu entbehren, und das Ministerium würde nicht nur sich, auch der Gegen¬<lb/>
wart Preußens unnöthige Gefahren bereiten, wenn es z. B. der Fortschritts¬<lb/>
partei etwas von der abgeneigten Behandlung gönnen wollte, welche in den<lb/>
Artikeln ministerieller Blätter vor den Wahlen zu Tage kam.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1390"> Dies Blatt aber ist. in der angenehmen Lage, die neue Stufe der Ent¬<lb/>
wickelung, auf welche das Verfassungsleben Preußens gekommen ist, mit un-<lb/>
getheilter Freude zu begrüßen. Wir sind warme Preußen, und die Gegner<lb/>
haben uns wol leidenschaftlicher Parteinahme beschuldigt; aber wir haben die<lb/>
Aufgabe, in unserm kleinen Kreise außerhalb des Staatsgebiets vor den<lb/>
Deutschen und dem Auslande die Interessen des Staats zu vertreten. Wir<lb/>
sind nicht gezwungen, an dem häuslichen Zwist, der hier und da zwi¬<lb/>
schen befreundeten Parteien in Preußen selbst ausbrennen mag.' mir der<lb/>
Befangenheit der Kämpfenden Theil zu neliinen. Wir werden in dem<lb/>
Ringen der Gegensätze auch innerhalb der liberalen Partei unsere Ueberzeu¬<lb/>
gung nicht zurückhalten; aber wir werden es,als unsere erste Aufgabe betrachten,<lb/>
für alle die Kräfte, welche in Preußen einer fortschreitenden Entwicklung der<lb/>
Volkskraft dienen, gemeinsames handeln der jeder Gelegenheit zu erbitten.<lb/>
Wir haben die Ueberzeugung, daß es hohe Z.it ist. alte Gegensätze der Per-<lb/>
sonen und Zwistigkeite» der Parteien zu vergessen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1391"> Denn noch ist der Verfassungskamvf Preußens nicht beendet. Das er¬<lb/>
lauchte Fürstengeschlecht, welches dort regiert, und das Volk, beide sind noch<lb/>
in dem großen Uebergange begriffen, sich in neuen Inhalt und neue Formen<lb/>
ihres Staates einzuleben. , Innig sind wir überzeugt, daß es in solcher Periode<lb/>
Allen, welche in dem Verfassungsstaat die Garantie für Gedeihen und Größe<lb/>
Preußens erkennen, Pflicht ist, zusammenzustehen; denn nur durch ihre feste<lb/>
Verbindung kann dem Staat wieder das Gefühl der Kraft komme», welches<lb/>
er zu seinem und Deutschlands Schaden so lange entbehrt hat. Und deshalb<lb/>
verbergen wir den Wunsch nicht, daß zunächst die Presse, sowohl die ministerielle<lb/>
als die der Fortschrittspartei aufhören möge, an den Hader zu erinnern,<lb/>
welcher bei den Wahlen zu Tage kam.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1392"> Es erscheint uns grade jetzt patriotische Aufgabe, jede Fraction der liberalen<lb/>
Presse zum Frieden und zur Besonnenheit zu mahnen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0455] bestehen muß. Bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten, mit welchen der Verfassungsstaat Preußen zu kämpfen hat, ist eine loyale und offene Verbin¬ dung der gegenwärtigen Minister mit den liberalen Parteiführern gar nicht zu entbehren, und das Ministerium würde nicht nur sich, auch der Gegen¬ wart Preußens unnöthige Gefahren bereiten, wenn es z. B. der Fortschritts¬ partei etwas von der abgeneigten Behandlung gönnen wollte, welche in den Artikeln ministerieller Blätter vor den Wahlen zu Tage kam. Dies Blatt aber ist. in der angenehmen Lage, die neue Stufe der Ent¬ wickelung, auf welche das Verfassungsleben Preußens gekommen ist, mit un- getheilter Freude zu begrüßen. Wir sind warme Preußen, und die Gegner haben uns wol leidenschaftlicher Parteinahme beschuldigt; aber wir haben die Aufgabe, in unserm kleinen Kreise außerhalb des Staatsgebiets vor den Deutschen und dem Auslande die Interessen des Staats zu vertreten. Wir sind nicht gezwungen, an dem häuslichen Zwist, der hier und da zwi¬ schen befreundeten Parteien in Preußen selbst ausbrennen mag.' mir der Befangenheit der Kämpfenden Theil zu neliinen. Wir werden in dem Ringen der Gegensätze auch innerhalb der liberalen Partei unsere Ueberzeu¬ gung nicht zurückhalten; aber wir werden es,als unsere erste Aufgabe betrachten, für alle die Kräfte, welche in Preußen einer fortschreitenden Entwicklung der Volkskraft dienen, gemeinsames handeln der jeder Gelegenheit zu erbitten. Wir haben die Ueberzeugung, daß es hohe Z.it ist. alte Gegensätze der Per- sonen und Zwistigkeite» der Parteien zu vergessen. Denn noch ist der Verfassungskamvf Preußens nicht beendet. Das er¬ lauchte Fürstengeschlecht, welches dort regiert, und das Volk, beide sind noch in dem großen Uebergange begriffen, sich in neuen Inhalt und neue Formen ihres Staates einzuleben. , Innig sind wir überzeugt, daß es in solcher Periode Allen, welche in dem Verfassungsstaat die Garantie für Gedeihen und Größe Preußens erkennen, Pflicht ist, zusammenzustehen; denn nur durch ihre feste Verbindung kann dem Staat wieder das Gefühl der Kraft komme», welches er zu seinem und Deutschlands Schaden so lange entbehrt hat. Und deshalb verbergen wir den Wunsch nicht, daß zunächst die Presse, sowohl die ministerielle als die der Fortschrittspartei aufhören möge, an den Hader zu erinnern, welcher bei den Wahlen zu Tage kam. Es erscheint uns grade jetzt patriotische Aufgabe, jede Fraction der liberalen Presse zum Frieden und zur Besonnenheit zu mahnen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/455
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/455>, abgerufen am 23.07.2024.