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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Herr Fould will das ordentliche Budget erhöhen, um die nachträg¬
lichen Bewilligungen zu vermeiden; er wird auch auf die Verminderung
des Deficits von mehr als 1000 Millionen Franken Bedacht nehmen. Was er
in dieser Beziehung zu thun gedenkt. hat er nicht angegeben. Will er eine
Anleihe machen, neue Steuern einführen, die bestehenden erhöhen, Erspar¬
nisse vorschlagen? Wahrscheinlich werden die Verhandlungen im Senate den
Minister veranlassen, sich über seinen Plan zu äußern. Einstweilen sind Ge¬
rüchte aller Art im Umlauf. Man Sprehe von einer großen Anleihe, von
einer Steuer auf Zündhölzchen, auf Piano's, von Entwaffnung. Niemand
kann errathen, wie man ohne solche Hilfsmittel und Anordnungen das De¬
ficit beseitigen, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen
könnte. In der Presse sind die Ncgierungsorgane den Gerüchten über eine
Anleihe und über neue Steuern nicht mit der Entschiedenheit entgegengetreten,
wie den Gerüchten von Ersparnissen an dem Aufwande für Heer und Flotte,
und dieser Umstand ist ganz geeignet, die Erwartungen, welche die Denkschrift
des Herrn Fould etwa, erregt haben könnte, zu dämpfen. Für Napoleon ist
die MUilärfrage keine geringe Verlegenheit. Die Armee auf ihrem gegen¬
wärtigen Stande, die fortgesetzten Rüstungen der Land- und Seemacht er¬
drücken die Finanzen, beunruhigen Europa, führen schließlich zu einer Coali-
tion. Es ist dies, eine finanzielle und politische Gesahr. Eine Verminderung
des Heeres im gegenwärtigen Augenblicke ist eine sociale Gefahr. Einhun¬
derttausend Männer, die an ihren Herd zurückkehren, wollen Arbeit haben.
Sie finden aber zu Hause andere Hunderttausend, die ebenfalls Arbeit suchen
und gegenwärtig nicht finden. Sie vermehren daher die Zahl der brodlosen
Arbeiter, und führen ihnen ein Element zu, welches lieber sich schlägt als
hungert. Wir behalten uns vor, auf diesen für Frankreich nicht allein, son¬
dern für den Haushalt aller europäischen Staaten wichtigen Gegenstand zu¬
rückzukommen, sobald die Vorlagen an den Senat bekannt sein werden.
Einstweilen liegt in dem Verzichte des Kaisers der Franzosen auf das Recht,
Ausgaben durch Decrete ohne Bewilligung der Kammer anzuweisen, noch keine
Beruhigung über seine etwaigen Absichten in Bezug auf Krieg und Frieden,
namentlich für Preußen und seine deutschen Verbündeten kein Grund die
,
K. M. Stärkung ihrer Wehrkraft für überflüssig zu halten.




Herr Fould will das ordentliche Budget erhöhen, um die nachträg¬
lichen Bewilligungen zu vermeiden; er wird auch auf die Verminderung
des Deficits von mehr als 1000 Millionen Franken Bedacht nehmen. Was er
in dieser Beziehung zu thun gedenkt. hat er nicht angegeben. Will er eine
Anleihe machen, neue Steuern einführen, die bestehenden erhöhen, Erspar¬
nisse vorschlagen? Wahrscheinlich werden die Verhandlungen im Senate den
Minister veranlassen, sich über seinen Plan zu äußern. Einstweilen sind Ge¬
rüchte aller Art im Umlauf. Man Sprehe von einer großen Anleihe, von
einer Steuer auf Zündhölzchen, auf Piano's, von Entwaffnung. Niemand
kann errathen, wie man ohne solche Hilfsmittel und Anordnungen das De¬
ficit beseitigen, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen
könnte. In der Presse sind die Ncgierungsorgane den Gerüchten über eine
Anleihe und über neue Steuern nicht mit der Entschiedenheit entgegengetreten,
wie den Gerüchten von Ersparnissen an dem Aufwande für Heer und Flotte,
und dieser Umstand ist ganz geeignet, die Erwartungen, welche die Denkschrift
des Herrn Fould etwa, erregt haben könnte, zu dämpfen. Für Napoleon ist
die MUilärfrage keine geringe Verlegenheit. Die Armee auf ihrem gegen¬
wärtigen Stande, die fortgesetzten Rüstungen der Land- und Seemacht er¬
drücken die Finanzen, beunruhigen Europa, führen schließlich zu einer Coali-
tion. Es ist dies, eine finanzielle und politische Gesahr. Eine Verminderung
des Heeres im gegenwärtigen Augenblicke ist eine sociale Gefahr. Einhun¬
derttausend Männer, die an ihren Herd zurückkehren, wollen Arbeit haben.
Sie finden aber zu Hause andere Hunderttausend, die ebenfalls Arbeit suchen
und gegenwärtig nicht finden. Sie vermehren daher die Zahl der brodlosen
Arbeiter, und führen ihnen ein Element zu, welches lieber sich schlägt als
hungert. Wir behalten uns vor, auf diesen für Frankreich nicht allein, son¬
dern für den Haushalt aller europäischen Staaten wichtigen Gegenstand zu¬
rückzukommen, sobald die Vorlagen an den Senat bekannt sein werden.
Einstweilen liegt in dem Verzichte des Kaisers der Franzosen auf das Recht,
Ausgaben durch Decrete ohne Bewilligung der Kammer anzuweisen, noch keine
Beruhigung über seine etwaigen Absichten in Bezug auf Krieg und Frieden,
namentlich für Preußen und seine deutschen Verbündeten kein Grund die
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K. M. Stärkung ihrer Wehrkraft für überflüssig zu halten.




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[0384] Herr Fould will das ordentliche Budget erhöhen, um die nachträg¬ lichen Bewilligungen zu vermeiden; er wird auch auf die Verminderung des Deficits von mehr als 1000 Millionen Franken Bedacht nehmen. Was er in dieser Beziehung zu thun gedenkt. hat er nicht angegeben. Will er eine Anleihe machen, neue Steuern einführen, die bestehenden erhöhen, Erspar¬ nisse vorschlagen? Wahrscheinlich werden die Verhandlungen im Senate den Minister veranlassen, sich über seinen Plan zu äußern. Einstweilen sind Ge¬ rüchte aller Art im Umlauf. Man Sprehe von einer großen Anleihe, von einer Steuer auf Zündhölzchen, auf Piano's, von Entwaffnung. Niemand kann errathen, wie man ohne solche Hilfsmittel und Anordnungen das De¬ ficit beseitigen, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herstellen könnte. In der Presse sind die Ncgierungsorgane den Gerüchten über eine Anleihe und über neue Steuern nicht mit der Entschiedenheit entgegengetreten, wie den Gerüchten von Ersparnissen an dem Aufwande für Heer und Flotte, und dieser Umstand ist ganz geeignet, die Erwartungen, welche die Denkschrift des Herrn Fould etwa, erregt haben könnte, zu dämpfen. Für Napoleon ist die MUilärfrage keine geringe Verlegenheit. Die Armee auf ihrem gegen¬ wärtigen Stande, die fortgesetzten Rüstungen der Land- und Seemacht er¬ drücken die Finanzen, beunruhigen Europa, führen schließlich zu einer Coali- tion. Es ist dies, eine finanzielle und politische Gesahr. Eine Verminderung des Heeres im gegenwärtigen Augenblicke ist eine sociale Gefahr. Einhun¬ derttausend Männer, die an ihren Herd zurückkehren, wollen Arbeit haben. Sie finden aber zu Hause andere Hunderttausend, die ebenfalls Arbeit suchen und gegenwärtig nicht finden. Sie vermehren daher die Zahl der brodlosen Arbeiter, und führen ihnen ein Element zu, welches lieber sich schlägt als hungert. Wir behalten uns vor, auf diesen für Frankreich nicht allein, son¬ dern für den Haushalt aller europäischen Staaten wichtigen Gegenstand zu¬ rückzukommen, sobald die Vorlagen an den Senat bekannt sein werden. Einstweilen liegt in dem Verzichte des Kaisers der Franzosen auf das Recht, Ausgaben durch Decrete ohne Bewilligung der Kammer anzuweisen, noch keine Beruhigung über seine etwaigen Absichten in Bezug auf Krieg und Frieden, namentlich für Preußen und seine deutschen Verbündeten kein Grund die , K. M. Stärkung ihrer Wehrkraft für überflüssig zu halten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/384>, abgerufen am 25.08.2024.