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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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schränken. Die Novizen müssen sich einer Prüfungszeit von einem bis zwei
Jahren unterziehen, während welcher sie durch einen Guru oder Lehrer vor¬
bereitet werden. Die Mehrzahl dieser Orden besitzt Klöster, zu denen Län¬
dereien gehören, andere erhalten sich durch erbettelte Gaben, wieder andere
durch Handelsgeschäfte, die jedoch meist verstohlen betrieben werden. Sie
stehen unter einem Mohant oder Abt, den sich die Gemeinde entweder selbst
wählt oder von dem Kollegium der Mohcmts des ganzen Ordens senden lässt.
Bisweilen auch wird der Mohant von seinem Vorgänger ernannt, mitunter
ist die Würde erblich. Ein Orden in Bengalen nimmt auch Frauen unter
seine Mitglieder auf. Eine dM Krischna geweihte Bruderschaft hält es für
Pflicht, sich prächtig zu kleiden und von ausgesuchten Speisen zu leben, aber
ihre den sinnlichen Freuden zugeneigte Frömmigkeit erniedrigt sie nicht in den
Augen des Volks, im Gegentheil üben sie großen Einfluß und werden von
der gläubigen Menge reichlich mit dem zu solchem Gottesdienst Erforderlichen
versehen.

Häufiger sind die Orden der Uogies und Topasivies. die sich den aus¬
gesuchtesten Martern unterwerfen. Ihre Gelübde nöthigen sie z. B. Arme
und Beine in einer bestimmten Lage unverändert festzuhalten, bis sie in der¬
selben für immer erstarrt sind. Andere lassen sich durch die Gegenstände, die
sie erfaßt haben, die Nägel hindurchwachsen. Das Volk kommt dann täglich,
sie zu speisen, zu reinigen und zu küssen. Wieder andere liegen auf Nagel¬
betten, ewigem Schweigen ergeben. Einige zerfetzen sich mit Messern die
Glieder, einige legen sich niemals nieder, sondern schlafen gegen einen Baum
gelehnt. Einer von diesen Büßern that das Gelübde, den Weg von Benares
nach Jagganath, mehre hundert Meilen, in der Weise zurückzulegen, daH er
ihn, sich von Fleck zu Fleck wälzend, mit der Länge seines Körpers durchmah.
Die gräßlichsten Erscheinungen unter diesen indischen Mönchen sind die Nagas,
welche ganz nackt, mit verworrenen Bart- und Kopfhaar und mit Staub Und
Asche bestreut einhergehen. und deren Gottesdienst darin besteht, daß sie sich
zu gewissen Zeiten als Söldner vermiethen. Sie sammeln sich dann unter
ihrem Oberhaupt oft zu vielen Tausenden, um für einen Fürsten oder Frei¬
beuter zu fechten. Früher durchzogen sie, wenn sich Niemand fand, der sie
anwarb, in kleinen Haufen das Land, um-zu plündern und zu morden, und
bei solchen Gelegenheiten kam es bisweilen zu großen Schlachten mit andern
Secten oder Orden. So z. B. auf dem großen Jahrmarkt zu Hardwar 1760,
wo die Rogas des Siwa denen des Wischnu ein Treffen lieferten, in dem
18.000 Menschen auf dem Platze blieben.

Manche der Mönchsorden behaupten Wunder thun zu können, einige
wandern mit abgerichteten Affen und andern Thieren des Geldverdienstes we¬
gen durch das Land, einige stellen ihre Künste dem Volke nur zur Schau,


schränken. Die Novizen müssen sich einer Prüfungszeit von einem bis zwei
Jahren unterziehen, während welcher sie durch einen Guru oder Lehrer vor¬
bereitet werden. Die Mehrzahl dieser Orden besitzt Klöster, zu denen Län¬
dereien gehören, andere erhalten sich durch erbettelte Gaben, wieder andere
durch Handelsgeschäfte, die jedoch meist verstohlen betrieben werden. Sie
stehen unter einem Mohant oder Abt, den sich die Gemeinde entweder selbst
wählt oder von dem Kollegium der Mohcmts des ganzen Ordens senden lässt.
Bisweilen auch wird der Mohant von seinem Vorgänger ernannt, mitunter
ist die Würde erblich. Ein Orden in Bengalen nimmt auch Frauen unter
seine Mitglieder auf. Eine dM Krischna geweihte Bruderschaft hält es für
Pflicht, sich prächtig zu kleiden und von ausgesuchten Speisen zu leben, aber
ihre den sinnlichen Freuden zugeneigte Frömmigkeit erniedrigt sie nicht in den
Augen des Volks, im Gegentheil üben sie großen Einfluß und werden von
der gläubigen Menge reichlich mit dem zu solchem Gottesdienst Erforderlichen
versehen.

Häufiger sind die Orden der Uogies und Topasivies. die sich den aus¬
gesuchtesten Martern unterwerfen. Ihre Gelübde nöthigen sie z. B. Arme
und Beine in einer bestimmten Lage unverändert festzuhalten, bis sie in der¬
selben für immer erstarrt sind. Andere lassen sich durch die Gegenstände, die
sie erfaßt haben, die Nägel hindurchwachsen. Das Volk kommt dann täglich,
sie zu speisen, zu reinigen und zu küssen. Wieder andere liegen auf Nagel¬
betten, ewigem Schweigen ergeben. Einige zerfetzen sich mit Messern die
Glieder, einige legen sich niemals nieder, sondern schlafen gegen einen Baum
gelehnt. Einer von diesen Büßern that das Gelübde, den Weg von Benares
nach Jagganath, mehre hundert Meilen, in der Weise zurückzulegen, daH er
ihn, sich von Fleck zu Fleck wälzend, mit der Länge seines Körpers durchmah.
Die gräßlichsten Erscheinungen unter diesen indischen Mönchen sind die Nagas,
welche ganz nackt, mit verworrenen Bart- und Kopfhaar und mit Staub Und
Asche bestreut einhergehen. und deren Gottesdienst darin besteht, daß sie sich
zu gewissen Zeiten als Söldner vermiethen. Sie sammeln sich dann unter
ihrem Oberhaupt oft zu vielen Tausenden, um für einen Fürsten oder Frei¬
beuter zu fechten. Früher durchzogen sie, wenn sich Niemand fand, der sie
anwarb, in kleinen Haufen das Land, um-zu plündern und zu morden, und
bei solchen Gelegenheiten kam es bisweilen zu großen Schlachten mit andern
Secten oder Orden. So z. B. auf dem großen Jahrmarkt zu Hardwar 1760,
wo die Rogas des Siwa denen des Wischnu ein Treffen lieferten, in dem
18.000 Menschen auf dem Platze blieben.

Manche der Mönchsorden behaupten Wunder thun zu können, einige
wandern mit abgerichteten Affen und andern Thieren des Geldverdienstes we¬
gen durch das Land, einige stellen ihre Künste dem Volke nur zur Schau,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/343>, abgerufen am 23.07.2024.