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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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Hauses abgeändert ist. Erlauben Sie mir zunächst einige Worte über die gesetzliche
Zulässigkeit dieser Maßregel. Die gesetzliche Grundlage des gegenwärtigen Herren¬
hauses ist das mit Zustimmung der damaligen beiden Kammern erlassene Gesetz
vom 7. Mai 1853, Dieses Gesetz überläßt die Bildung des Herrenhauses dem König
und verleiht der Verordnung, welche der, König hierüber erlassen werde, im Voraus
gesetzliche Kraft, so daß sie nur mit Zustimmung beider Häuser wieder abgeändert
werden kann. Die einzige Beschränkung, an welche der König durch das Gesetz
von 1853 gebunden wird, ist die, daß die erste Kammer bestehen soll aus Mit¬
gliedern, welcke der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft.
,Auf Grundlage und zur Ausführung dieses Gesetzes wurde die Verordnung vom
12. Octbr. 1854 erlassen. Diese aber steht mit dem Gesetze in Widerspruch. Denn
das Gesetz kennt nur unmittelbare Berufung durch den König; die Verordnung da¬
gegen ertheilt verschiedenen Corporationen und Verbänden das Recht, Mitglieder des
Herrenhauses zu präsentiren. Ferner kennt das Gesetz nur erbliche oder lebensläng¬
liche Mitglieder; die Verordnung dagegen enthält in den Paragraphen 8--11 eine
Reihe von "Bestimmungen über die Bedingungen, unter denen die Mitgliedschaft der
Ersten Kammer erlischt. Wenn nun auch der Verordnung im Voraus gesetzliche
Kraft beigelegt ist, so kann das doch nur soweit gelten, als die Verordnung mit
dem Gesetz im Einklang steht. Die mit dem Gesetz im Widerspruch stehenden
Bestimmungen der Verordnung können ohne Zweifel durch eine einfache Er¬
klärung der Regierung wieder beseitigt werden. Neben der Verordnung vom
12. Octbr. 1854 erschien gleichzeitig ein Reglement über die Wahl der von den
Provinzial-Verbänden der Grasen, so wie der für den alten und für den befestigten
Grundbesitz zu prüscntirendcn Mitglieder. Dieses ganze Reglement steht mit dem
Gesetz im Widerspruch; denn das Gesetz kennt gar nicht diejenigen Kategorien von
Mitgliedern, mit welchen das Reglement sich beschäftigt. So schlecht hat die Reac¬
tion für den gesetzlichen Bestand ihrer festesten Stütze gesorgt. Das eigentliche Junkcr-
thum, der verderblichste und verstockteste Bestandtheil des Herrenhauses, besteht vor¬
zugsweise aus den Vertretern des sogenannten alten und befestigten Grundbesitzes,
also aus Elementen, die weder gesetzlich, noch ihrer Natur nach in die Erste Kam¬
mer gehören. Die Regierung hatte es also in der Hand, mit einem Schlage durch
Aufhebung des Reglements das Junkcrthum aus dem Herrenhause hinauszufcgcn.
Sie hat es vorgezogen, das Reglement etwas auszuflicken. Aus dieser Sachlage er¬
klärt es sich, daß die Kreuzzeitung den Schlag, der ihrer Partei scheinbar versetzt
wird, mit so zahmer Demuth hinnimmt. Im Stillen freut sie sich, daß dnrch diesen
Schritt der Regierung die Verordnung von 1854, deren Bestand sehr bedroht schien,
von Neuem anerkannt ist. Andrerseits sind die liberalen Kreise durch eine so halbe
Maßregel mit Recht wenig befriedigt. Ein ganz abnormer Zustand ist es jedenfalls,
daß die Zusammensetzung des einen Factors der Gesetzgebung auf einem Reglement
beruht, welches auf dem Vcrordnungswegc abgeändert werden kann, und also von
dem jedesmaligen System der wechselnden Ministerien abhängig ist.

Sehen wir nun zu, was die jetzt verfügte Aenderung des Reglements bedeu¬
tet. Dieselbe ist ein Wechsel, der aber erst zahlbar wird, nachdem 49 der Junker-
Partei angehörige Mitglieder des Herrenhauses gestorben sein werden. Bis dahin
hat die Sache keine praktische Bedeutung. Bis jetzt hatte der alte und befestigte
Grundbesitz im Herrenhause 90 Vertreter; in Zukunft sollen es nur 41 sein. Zu
dem Ende werden die präsentirendcn Landschaftsbezirke an Zahl vermindert, an Um¬
fang vergrößert. Aber diese Veränderung tritt nicht unmittelbar etwa in der Weise
ein, daß die bisherigen 90 Vertreter des alten Grundbesitzes ausschieden und durch
41 neugewählte ersetzt würden; sondern die bisherigen 90 werden auf den Aus¬
sterbeetat gesetzt; erst wenn sie unter die in dem neuen Erlaß festgesetzte Zahl herab-
sinken, sollen neue Präsentationen stattfinden. -- Außerdem ist in dem neuen Erlaß


Hauses abgeändert ist. Erlauben Sie mir zunächst einige Worte über die gesetzliche
Zulässigkeit dieser Maßregel. Die gesetzliche Grundlage des gegenwärtigen Herren¬
hauses ist das mit Zustimmung der damaligen beiden Kammern erlassene Gesetz
vom 7. Mai 1853, Dieses Gesetz überläßt die Bildung des Herrenhauses dem König
und verleiht der Verordnung, welche der, König hierüber erlassen werde, im Voraus
gesetzliche Kraft, so daß sie nur mit Zustimmung beider Häuser wieder abgeändert
werden kann. Die einzige Beschränkung, an welche der König durch das Gesetz
von 1853 gebunden wird, ist die, daß die erste Kammer bestehen soll aus Mit¬
gliedern, welcke der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft.
,Auf Grundlage und zur Ausführung dieses Gesetzes wurde die Verordnung vom
12. Octbr. 1854 erlassen. Diese aber steht mit dem Gesetze in Widerspruch. Denn
das Gesetz kennt nur unmittelbare Berufung durch den König; die Verordnung da¬
gegen ertheilt verschiedenen Corporationen und Verbänden das Recht, Mitglieder des
Herrenhauses zu präsentiren. Ferner kennt das Gesetz nur erbliche oder lebensläng¬
liche Mitglieder; die Verordnung dagegen enthält in den Paragraphen 8—11 eine
Reihe von "Bestimmungen über die Bedingungen, unter denen die Mitgliedschaft der
Ersten Kammer erlischt. Wenn nun auch der Verordnung im Voraus gesetzliche
Kraft beigelegt ist, so kann das doch nur soweit gelten, als die Verordnung mit
dem Gesetz im Einklang steht. Die mit dem Gesetz im Widerspruch stehenden
Bestimmungen der Verordnung können ohne Zweifel durch eine einfache Er¬
klärung der Regierung wieder beseitigt werden. Neben der Verordnung vom
12. Octbr. 1854 erschien gleichzeitig ein Reglement über die Wahl der von den
Provinzial-Verbänden der Grasen, so wie der für den alten und für den befestigten
Grundbesitz zu prüscntirendcn Mitglieder. Dieses ganze Reglement steht mit dem
Gesetz im Widerspruch; denn das Gesetz kennt gar nicht diejenigen Kategorien von
Mitgliedern, mit welchen das Reglement sich beschäftigt. So schlecht hat die Reac¬
tion für den gesetzlichen Bestand ihrer festesten Stütze gesorgt. Das eigentliche Junkcr-
thum, der verderblichste und verstockteste Bestandtheil des Herrenhauses, besteht vor¬
zugsweise aus den Vertretern des sogenannten alten und befestigten Grundbesitzes,
also aus Elementen, die weder gesetzlich, noch ihrer Natur nach in die Erste Kam¬
mer gehören. Die Regierung hatte es also in der Hand, mit einem Schlage durch
Aufhebung des Reglements das Junkcrthum aus dem Herrenhause hinauszufcgcn.
Sie hat es vorgezogen, das Reglement etwas auszuflicken. Aus dieser Sachlage er¬
klärt es sich, daß die Kreuzzeitung den Schlag, der ihrer Partei scheinbar versetzt
wird, mit so zahmer Demuth hinnimmt. Im Stillen freut sie sich, daß dnrch diesen
Schritt der Regierung die Verordnung von 1854, deren Bestand sehr bedroht schien,
von Neuem anerkannt ist. Andrerseits sind die liberalen Kreise durch eine so halbe
Maßregel mit Recht wenig befriedigt. Ein ganz abnormer Zustand ist es jedenfalls,
daß die Zusammensetzung des einen Factors der Gesetzgebung auf einem Reglement
beruht, welches auf dem Vcrordnungswegc abgeändert werden kann, und also von
dem jedesmaligen System der wechselnden Ministerien abhängig ist.

Sehen wir nun zu, was die jetzt verfügte Aenderung des Reglements bedeu¬
tet. Dieselbe ist ein Wechsel, der aber erst zahlbar wird, nachdem 49 der Junker-
Partei angehörige Mitglieder des Herrenhauses gestorben sein werden. Bis dahin
hat die Sache keine praktische Bedeutung. Bis jetzt hatte der alte und befestigte
Grundbesitz im Herrenhause 90 Vertreter; in Zukunft sollen es nur 41 sein. Zu
dem Ende werden die präsentirendcn Landschaftsbezirke an Zahl vermindert, an Um¬
fang vergrößert. Aber diese Veränderung tritt nicht unmittelbar etwa in der Weise
ein, daß die bisherigen 90 Vertreter des alten Grundbesitzes ausschieden und durch
41 neugewählte ersetzt würden; sondern die bisherigen 90 werden auf den Aus¬
sterbeetat gesetzt; erst wenn sie unter die in dem neuen Erlaß festgesetzte Zahl herab-
sinken, sollen neue Präsentationen stattfinden. — Außerdem ist in dem neuen Erlaß


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[0328] Hauses abgeändert ist. Erlauben Sie mir zunächst einige Worte über die gesetzliche Zulässigkeit dieser Maßregel. Die gesetzliche Grundlage des gegenwärtigen Herren¬ hauses ist das mit Zustimmung der damaligen beiden Kammern erlassene Gesetz vom 7. Mai 1853, Dieses Gesetz überläßt die Bildung des Herrenhauses dem König und verleiht der Verordnung, welche der, König hierüber erlassen werde, im Voraus gesetzliche Kraft, so daß sie nur mit Zustimmung beider Häuser wieder abgeändert werden kann. Die einzige Beschränkung, an welche der König durch das Gesetz von 1853 gebunden wird, ist die, daß die erste Kammer bestehen soll aus Mit¬ gliedern, welcke der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft. ,Auf Grundlage und zur Ausführung dieses Gesetzes wurde die Verordnung vom 12. Octbr. 1854 erlassen. Diese aber steht mit dem Gesetze in Widerspruch. Denn das Gesetz kennt nur unmittelbare Berufung durch den König; die Verordnung da¬ gegen ertheilt verschiedenen Corporationen und Verbänden das Recht, Mitglieder des Herrenhauses zu präsentiren. Ferner kennt das Gesetz nur erbliche oder lebensläng¬ liche Mitglieder; die Verordnung dagegen enthält in den Paragraphen 8—11 eine Reihe von "Bestimmungen über die Bedingungen, unter denen die Mitgliedschaft der Ersten Kammer erlischt. Wenn nun auch der Verordnung im Voraus gesetzliche Kraft beigelegt ist, so kann das doch nur soweit gelten, als die Verordnung mit dem Gesetz im Einklang steht. Die mit dem Gesetz im Widerspruch stehenden Bestimmungen der Verordnung können ohne Zweifel durch eine einfache Er¬ klärung der Regierung wieder beseitigt werden. Neben der Verordnung vom 12. Octbr. 1854 erschien gleichzeitig ein Reglement über die Wahl der von den Provinzial-Verbänden der Grasen, so wie der für den alten und für den befestigten Grundbesitz zu prüscntirendcn Mitglieder. Dieses ganze Reglement steht mit dem Gesetz im Widerspruch; denn das Gesetz kennt gar nicht diejenigen Kategorien von Mitgliedern, mit welchen das Reglement sich beschäftigt. So schlecht hat die Reac¬ tion für den gesetzlichen Bestand ihrer festesten Stütze gesorgt. Das eigentliche Junkcr- thum, der verderblichste und verstockteste Bestandtheil des Herrenhauses, besteht vor¬ zugsweise aus den Vertretern des sogenannten alten und befestigten Grundbesitzes, also aus Elementen, die weder gesetzlich, noch ihrer Natur nach in die Erste Kam¬ mer gehören. Die Regierung hatte es also in der Hand, mit einem Schlage durch Aufhebung des Reglements das Junkcrthum aus dem Herrenhause hinauszufcgcn. Sie hat es vorgezogen, das Reglement etwas auszuflicken. Aus dieser Sachlage er¬ klärt es sich, daß die Kreuzzeitung den Schlag, der ihrer Partei scheinbar versetzt wird, mit so zahmer Demuth hinnimmt. Im Stillen freut sie sich, daß dnrch diesen Schritt der Regierung die Verordnung von 1854, deren Bestand sehr bedroht schien, von Neuem anerkannt ist. Andrerseits sind die liberalen Kreise durch eine so halbe Maßregel mit Recht wenig befriedigt. Ein ganz abnormer Zustand ist es jedenfalls, daß die Zusammensetzung des einen Factors der Gesetzgebung auf einem Reglement beruht, welches auf dem Vcrordnungswegc abgeändert werden kann, und also von dem jedesmaligen System der wechselnden Ministerien abhängig ist. Sehen wir nun zu, was die jetzt verfügte Aenderung des Reglements bedeu¬ tet. Dieselbe ist ein Wechsel, der aber erst zahlbar wird, nachdem 49 der Junker- Partei angehörige Mitglieder des Herrenhauses gestorben sein werden. Bis dahin hat die Sache keine praktische Bedeutung. Bis jetzt hatte der alte und befestigte Grundbesitz im Herrenhause 90 Vertreter; in Zukunft sollen es nur 41 sein. Zu dem Ende werden die präsentirendcn Landschaftsbezirke an Zahl vermindert, an Um¬ fang vergrößert. Aber diese Veränderung tritt nicht unmittelbar etwa in der Weise ein, daß die bisherigen 90 Vertreter des alten Grundbesitzes ausschieden und durch 41 neugewählte ersetzt würden; sondern die bisherigen 90 werden auf den Aus¬ sterbeetat gesetzt; erst wenn sie unter die in dem neuen Erlaß festgesetzte Zahl herab- sinken, sollen neue Präsentationen stattfinden. — Außerdem ist in dem neuen Erlaß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/328>, abgerufen am 29.12.2024.