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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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der zweiten Abtheilung, für Strafrechtswesen, war dieser Ton im Ganzen
der vorherrschende, die Lust am unerquicklichsten. In der dritten Abtheilung
für Civilproceß dagegen warf man von vorn herein die übergroße Ängstlich¬
keit bei Seite, und der freien Regung, welche dort Alles belebte, war es un¬
streitig zu danken, daß auch die zweite Hauptsitzung eine ganz andere Phy¬
siognomie zeigte. Die Beschlüsse sind bekannt. Von politischer Bedeutsamkeit
waren besonders diejenigen, welche die Schwurgerichte und die Competenzge-
richtshöfe betrafen. Die Berücksichtigung politischer Zustände war hierbei so
wenig bei Seite gesetzt, daß sie im Gegentheil fast zu großen Antheil ge¬
wann.''--

Nimmt man dazu ferner, wie sich der Verkehr und der Meinungsaustausch
im Ganzen gestaltete, so konnte es kein Bedenken mehr erregen, wenn om
Schluß der Juristentag seiner weisen Mäßigung wegen ebenso becompli-
mentirt wurde, wie er zu Beginn dieserhalb ermahnt worden war. Daß eine
solche Versammlung Maaß und Ziel halten wird, versteht sich von selbst.
Allein trotz der Elogen will man bereits wissen, daß das herzliche Einver¬
ständnis; mit dem Juristenverein an mancher Stelle bereits um seines Be¬
nehmens willen einigermaßen erkaltet sein soll. Es war schon zu viel, was
W Dresden geschah.

Der juristische Verein wird sich dadurch nicht binden lassen. Ruhig und
besonnen, aber i" seinem Gebiete ohne andere, als rein sachliche Rücksichten,
wird er seine Ziele verfolgen. auch dann, wenn sie .das politische Gebiet be¬
rühren. Darin, daß er dies thut und nicht durch ängstliche Rücksichtsneh-
merei sich von vorn herein den frischen Athem erdrücken läßt, liegt die Bürg¬
schaft seiner Erfolge, die auch ohne besondere Begünstigung von oben herab
um Nichts kleiner sein werden, wenn sie nur stets den Ausdruck des natio¬
nalen Rechtsbewußtseins in jeder Richtung getreu darstellen.




der zweiten Abtheilung, für Strafrechtswesen, war dieser Ton im Ganzen
der vorherrschende, die Lust am unerquicklichsten. In der dritten Abtheilung
für Civilproceß dagegen warf man von vorn herein die übergroße Ängstlich¬
keit bei Seite, und der freien Regung, welche dort Alles belebte, war es un¬
streitig zu danken, daß auch die zweite Hauptsitzung eine ganz andere Phy¬
siognomie zeigte. Die Beschlüsse sind bekannt. Von politischer Bedeutsamkeit
waren besonders diejenigen, welche die Schwurgerichte und die Competenzge-
richtshöfe betrafen. Die Berücksichtigung politischer Zustände war hierbei so
wenig bei Seite gesetzt, daß sie im Gegentheil fast zu großen Antheil ge¬
wann.''--

Nimmt man dazu ferner, wie sich der Verkehr und der Meinungsaustausch
im Ganzen gestaltete, so konnte es kein Bedenken mehr erregen, wenn om
Schluß der Juristentag seiner weisen Mäßigung wegen ebenso becompli-
mentirt wurde, wie er zu Beginn dieserhalb ermahnt worden war. Daß eine
solche Versammlung Maaß und Ziel halten wird, versteht sich von selbst.
Allein trotz der Elogen will man bereits wissen, daß das herzliche Einver¬
ständnis; mit dem Juristenverein an mancher Stelle bereits um seines Be¬
nehmens willen einigermaßen erkaltet sein soll. Es war schon zu viel, was
W Dresden geschah.

Der juristische Verein wird sich dadurch nicht binden lassen. Ruhig und
besonnen, aber i» seinem Gebiete ohne andere, als rein sachliche Rücksichten,
wird er seine Ziele verfolgen. auch dann, wenn sie .das politische Gebiet be¬
rühren. Darin, daß er dies thut und nicht durch ängstliche Rücksichtsneh-
merei sich von vorn herein den frischen Athem erdrücken läßt, liegt die Bürg¬
schaft seiner Erfolge, die auch ohne besondere Begünstigung von oben herab
um Nichts kleiner sein werden, wenn sie nur stets den Ausdruck des natio¬
nalen Rechtsbewußtseins in jeder Richtung getreu darstellen.




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[0281] der zweiten Abtheilung, für Strafrechtswesen, war dieser Ton im Ganzen der vorherrschende, die Lust am unerquicklichsten. In der dritten Abtheilung für Civilproceß dagegen warf man von vorn herein die übergroße Ängstlich¬ keit bei Seite, und der freien Regung, welche dort Alles belebte, war es un¬ streitig zu danken, daß auch die zweite Hauptsitzung eine ganz andere Phy¬ siognomie zeigte. Die Beschlüsse sind bekannt. Von politischer Bedeutsamkeit waren besonders diejenigen, welche die Schwurgerichte und die Competenzge- richtshöfe betrafen. Die Berücksichtigung politischer Zustände war hierbei so wenig bei Seite gesetzt, daß sie im Gegentheil fast zu großen Antheil ge¬ wann.''-- Nimmt man dazu ferner, wie sich der Verkehr und der Meinungsaustausch im Ganzen gestaltete, so konnte es kein Bedenken mehr erregen, wenn om Schluß der Juristentag seiner weisen Mäßigung wegen ebenso becompli- mentirt wurde, wie er zu Beginn dieserhalb ermahnt worden war. Daß eine solche Versammlung Maaß und Ziel halten wird, versteht sich von selbst. Allein trotz der Elogen will man bereits wissen, daß das herzliche Einver¬ ständnis; mit dem Juristenverein an mancher Stelle bereits um seines Be¬ nehmens willen einigermaßen erkaltet sein soll. Es war schon zu viel, was W Dresden geschah. Der juristische Verein wird sich dadurch nicht binden lassen. Ruhig und besonnen, aber i» seinem Gebiete ohne andere, als rein sachliche Rücksichten, wird er seine Ziele verfolgen. auch dann, wenn sie .das politische Gebiet be¬ rühren. Darin, daß er dies thut und nicht durch ängstliche Rücksichtsneh- merei sich von vorn herein den frischen Athem erdrücken läßt, liegt die Bürg¬ schaft seiner Erfolge, die auch ohne besondere Begünstigung von oben herab um Nichts kleiner sein werden, wenn sie nur stets den Ausdruck des natio¬ nalen Rechtsbewußtseins in jeder Richtung getreu darstellen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/281>, abgerufen am 27.12.2024.