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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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die Meisten, indem sie durch anregende Mittheilungen durch Anknüpfung
mancher Verbindungen, durch das Gefühl der Gemeinsamkeit mit Gesinnungs¬
genossen aus allen Theilen Deutschlands gestärkt, Dresden verließen. Gewinn
genug von jenen Tagen gezogen zu haben glauben. Jeder Gewinn dieser
Art aber ist kein blos persönlicher; mit dem Nutzen des Einzelnen geht der
Nutzen für den gesammten Juristenstand Hand in Hand, wenn der Einzelne,
dem Bewußtsein seiner isolirten Stellung, seiner particulären Existenz und
Kenntniß enthoben, auf das Allgemeine hingewiesen wird.

Indessen muß sich das Publicum mehr an die sichtbaren Resultate, als
an den der nähern Beschreibung und der öffentlichen Kunde unzugänglichen
Verkehr hinter den Coulissen halten.

Zu den erfreulichen Wahrnehmungen wird man nun von vornherein die
lebhafte Betheiligung an dem Kongreß rechnen. Die Zahl der Mitglieder
des juristischen Vereines wuchs im Laufe des letzten" Jahres um mehr als
das Doppelte und betrug etwa 1200. In Dresden waren davon 721 an¬
wesend. Die Masse der deutschen Juristen stellt allerdings noch bedeutende
Erweiterungen des Kreises in Aussicht, zumal wenn sich das Zutrauen auf die
Zukunft des Vereins befestigt. Immerhin ist auch schon das seitherige Wachs¬
thum einer Vereinigung, welche das Streben nach einem einheitlichen Rechts¬
zustand als ihren Hauptzweck ankündigt, ein Erfolg zu nennen. Was die
Vertheilung der Mitglieder auf die einzelnen Länder betrifft, so sind bis
auf einige der kleinsten Staaten alle vertreten. Preußen am stärksten, dar¬
nach das Königreich Sachsen, dessen Betheiligung am Congreß selbst diesmal
natürlich besonders lebhaft war. Auffallend gering erscheint, wenn wir von
Oestreich wegen der eigenthümlichen Verhältnisse vorläufig absehen, die Theil¬
nahme der bairischen Juristen.

Auch dem Stand nach sind alle Elemente vorhanden. Der Anwaltsstand
zählte ziemlich viele Genossen. Die meisten gehörten dem Richterstand an.
Ein erhebliches Contingent, namentlich für die wichtige Abtheilung des Straf-
rechtswcsens bildeten die Staatsanwälte. Am schlechtesten erscheint verhältni߬
mäßig die Betheiligung der Theoretiker. Manche gewichtige Namen der
Wissenschaft finden sich zwar in der Vereins- und der Congreßlisie; allein sür
die Zahl der Professoren und Docenten, welche unsere Rechtsfacultäten besitzen,
>s^ die Zahl sehr gering. Manche bedeutende Rechtslehrer, deren Beirath nur
sehr erwünscht sein müßte, wurden und werden entschieden vermißt. Sollte
die Wissenschaft auch hier wieder bethätigen, daß sie kein Interesse an den
praktischen Einheitsbestrebungen hegt?

Man würde diese Vermuthung kaum aussprechen, wenn es das erste Mal
wäre, daß sich die eigentlichen Gelehrjen vermissen ließen, Auch der volks-
wirthschaftliche Congreß machte die Erfahrung. daß die Professoren der Na-


Grenzboten IV. 1861. 34

die Meisten, indem sie durch anregende Mittheilungen durch Anknüpfung
mancher Verbindungen, durch das Gefühl der Gemeinsamkeit mit Gesinnungs¬
genossen aus allen Theilen Deutschlands gestärkt, Dresden verließen. Gewinn
genug von jenen Tagen gezogen zu haben glauben. Jeder Gewinn dieser
Art aber ist kein blos persönlicher; mit dem Nutzen des Einzelnen geht der
Nutzen für den gesammten Juristenstand Hand in Hand, wenn der Einzelne,
dem Bewußtsein seiner isolirten Stellung, seiner particulären Existenz und
Kenntniß enthoben, auf das Allgemeine hingewiesen wird.

Indessen muß sich das Publicum mehr an die sichtbaren Resultate, als
an den der nähern Beschreibung und der öffentlichen Kunde unzugänglichen
Verkehr hinter den Coulissen halten.

Zu den erfreulichen Wahrnehmungen wird man nun von vornherein die
lebhafte Betheiligung an dem Kongreß rechnen. Die Zahl der Mitglieder
des juristischen Vereines wuchs im Laufe des letzten" Jahres um mehr als
das Doppelte und betrug etwa 1200. In Dresden waren davon 721 an¬
wesend. Die Masse der deutschen Juristen stellt allerdings noch bedeutende
Erweiterungen des Kreises in Aussicht, zumal wenn sich das Zutrauen auf die
Zukunft des Vereins befestigt. Immerhin ist auch schon das seitherige Wachs¬
thum einer Vereinigung, welche das Streben nach einem einheitlichen Rechts¬
zustand als ihren Hauptzweck ankündigt, ein Erfolg zu nennen. Was die
Vertheilung der Mitglieder auf die einzelnen Länder betrifft, so sind bis
auf einige der kleinsten Staaten alle vertreten. Preußen am stärksten, dar¬
nach das Königreich Sachsen, dessen Betheiligung am Congreß selbst diesmal
natürlich besonders lebhaft war. Auffallend gering erscheint, wenn wir von
Oestreich wegen der eigenthümlichen Verhältnisse vorläufig absehen, die Theil¬
nahme der bairischen Juristen.

Auch dem Stand nach sind alle Elemente vorhanden. Der Anwaltsstand
zählte ziemlich viele Genossen. Die meisten gehörten dem Richterstand an.
Ein erhebliches Contingent, namentlich für die wichtige Abtheilung des Straf-
rechtswcsens bildeten die Staatsanwälte. Am schlechtesten erscheint verhältni߬
mäßig die Betheiligung der Theoretiker. Manche gewichtige Namen der
Wissenschaft finden sich zwar in der Vereins- und der Congreßlisie; allein sür
die Zahl der Professoren und Docenten, welche unsere Rechtsfacultäten besitzen,
>s^ die Zahl sehr gering. Manche bedeutende Rechtslehrer, deren Beirath nur
sehr erwünscht sein müßte, wurden und werden entschieden vermißt. Sollte
die Wissenschaft auch hier wieder bethätigen, daß sie kein Interesse an den
praktischen Einheitsbestrebungen hegt?

Man würde diese Vermuthung kaum aussprechen, wenn es das erste Mal
wäre, daß sich die eigentlichen Gelehrjen vermissen ließen, Auch der volks-
wirthschaftliche Congreß machte die Erfahrung. daß die Professoren der Na-


Grenzboten IV. 1861. 34
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[0275] die Meisten, indem sie durch anregende Mittheilungen durch Anknüpfung mancher Verbindungen, durch das Gefühl der Gemeinsamkeit mit Gesinnungs¬ genossen aus allen Theilen Deutschlands gestärkt, Dresden verließen. Gewinn genug von jenen Tagen gezogen zu haben glauben. Jeder Gewinn dieser Art aber ist kein blos persönlicher; mit dem Nutzen des Einzelnen geht der Nutzen für den gesammten Juristenstand Hand in Hand, wenn der Einzelne, dem Bewußtsein seiner isolirten Stellung, seiner particulären Existenz und Kenntniß enthoben, auf das Allgemeine hingewiesen wird. Indessen muß sich das Publicum mehr an die sichtbaren Resultate, als an den der nähern Beschreibung und der öffentlichen Kunde unzugänglichen Verkehr hinter den Coulissen halten. Zu den erfreulichen Wahrnehmungen wird man nun von vornherein die lebhafte Betheiligung an dem Kongreß rechnen. Die Zahl der Mitglieder des juristischen Vereines wuchs im Laufe des letzten" Jahres um mehr als das Doppelte und betrug etwa 1200. In Dresden waren davon 721 an¬ wesend. Die Masse der deutschen Juristen stellt allerdings noch bedeutende Erweiterungen des Kreises in Aussicht, zumal wenn sich das Zutrauen auf die Zukunft des Vereins befestigt. Immerhin ist auch schon das seitherige Wachs¬ thum einer Vereinigung, welche das Streben nach einem einheitlichen Rechts¬ zustand als ihren Hauptzweck ankündigt, ein Erfolg zu nennen. Was die Vertheilung der Mitglieder auf die einzelnen Länder betrifft, so sind bis auf einige der kleinsten Staaten alle vertreten. Preußen am stärksten, dar¬ nach das Königreich Sachsen, dessen Betheiligung am Congreß selbst diesmal natürlich besonders lebhaft war. Auffallend gering erscheint, wenn wir von Oestreich wegen der eigenthümlichen Verhältnisse vorläufig absehen, die Theil¬ nahme der bairischen Juristen. Auch dem Stand nach sind alle Elemente vorhanden. Der Anwaltsstand zählte ziemlich viele Genossen. Die meisten gehörten dem Richterstand an. Ein erhebliches Contingent, namentlich für die wichtige Abtheilung des Straf- rechtswcsens bildeten die Staatsanwälte. Am schlechtesten erscheint verhältni߬ mäßig die Betheiligung der Theoretiker. Manche gewichtige Namen der Wissenschaft finden sich zwar in der Vereins- und der Congreßlisie; allein sür die Zahl der Professoren und Docenten, welche unsere Rechtsfacultäten besitzen, >s^ die Zahl sehr gering. Manche bedeutende Rechtslehrer, deren Beirath nur sehr erwünscht sein müßte, wurden und werden entschieden vermißt. Sollte die Wissenschaft auch hier wieder bethätigen, daß sie kein Interesse an den praktischen Einheitsbestrebungen hegt? Man würde diese Vermuthung kaum aussprechen, wenn es das erste Mal wäre, daß sich die eigentlichen Gelehrjen vermissen ließen, Auch der volks- wirthschaftliche Congreß machte die Erfahrung. daß die Professoren der Na- Grenzboten IV. 1861. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/275>, abgerufen am 29.12.2024.