Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.c" r w e Berliner Briefe. Von hiesigen Stimmungen und Zuständen wünschen Sie etwas zu erfahren. Daß die Krönung staatsrechtlich ein ganz gleichgültiger Act ist, darüber täuscht Für uns also hat die Krönung vorzugsweise eine gemüthliche Bedeutung; -- c» r w e Berliner Briefe. Von hiesigen Stimmungen und Zuständen wünschen Sie etwas zu erfahren. Daß die Krönung staatsrechtlich ein ganz gleichgültiger Act ist, darüber täuscht Für uns also hat die Krönung vorzugsweise eine gemüthliche Bedeutung; — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112756"/> </div> </div> <div n="1"> <head> c» r w e<lb/> Berliner Briefe.</head><lb/> <p xml:id="ID_724"> Von hiesigen Stimmungen und Zuständen wünschen Sie etwas zu erfahren.<lb/> Worüber kann man in diesem Augenblick aus der preußischen Hauptstadt'schreiben,<lb/> als von der Krönung und von den Einzugsfeierlichkeiten ? Jetzt, nachdem der Feflcs-<lb/> jubcl verrauscht ist, fragt man sich, was denn eigentlich geschehen sei, und ob der<lb/> Vorgang überhaupt irgend eine bleibende Bedeutung habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_725"> Daß die Krönung staatsrechtlich ein ganz gleichgültiger Act ist, darüber täuscht<lb/> sich hier natürlich Niemand, der sich nicht absichtlich täuschen will. In dem Augen¬<lb/> blick, als Friedrich Wilhelm der Vierte zu Sanssouci starb, war der Verfassungs-<lb/> Urkunde gemäß der Prinz-Regent, welcher bis dahin im Namen seines Bruders die<lb/> dem Könige zustehende Gewalt ausgeübt hatte, König aus eigener Machtvollkommen¬<lb/> heit geworden. Nicht das Mindeste konnte die Krönung den Rechten oder der Macht,<lb/> welche der König seit dem 2. Januar d, I, besitzt, hinzufügen. Die Pflichten der<lb/> Treue und des Gehorsams, zu denen das Land dem Könige verbunden ist, hatte<lb/> es durch ein feierliches Gelübde anerkannt, als die Mitglieder der beiden Häuser<lb/> des Landtages vor dem Könige persönlich den Eid der Treue leisteten. Weiter war<lb/> staatsrechtlich nichts erforderlich. Die Krönung ist nichts als ein gemüthlicher Act.<lb/> in welchem der Landesherr in dem vollen Glänze seiner königlichen Gewalt seinem<lb/> Volke persönlich gegenübertritt. Gegenseitige Rechte und Pflichten werden dadurch<lb/> nicht begründet; auch nicht durch die Weihe der Kirche. Diese mag einem frommen<lb/> Gemüthe ein' religiöses Bedürfniß fein ; wie die kirchliche Einsegnung auch noch<lb/> von Eheleuten begehrt zu werde» Pflegt, welche bereits bürgerlich so vollkommen<lb/> rechtskräftig getraut sind, daß das Band nickt fester geknüpft werden, sondern nur<lb/> noch eine gewisse Weihe empfangen kann, deren Bedeutung aber lediglich von der<lb/> subjectiven Auffassung' der Betheiligten abhängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_726" next="#ID_727"> Für uns also hat die Krönung vorzugsweise eine gemüthliche Bedeutung; —<lb/> und daß dies die veirhlrrschcndc Auffassung im Lande ist, hat der Verlauf der Sache<lb/> deutlich genug gezeigt. Als die beiden Kammern am 14. Januar im Weißen Saale<lb/> dem Könige den Eid der Treue leisteten, wurde das ernste und bedeutungsvolle<lb/> Geschäft,' wie es sich für eine fo wichtige Handlung ziemte, ohne unnöthiger Prunk<lb/> in den nüchternsten und knappsten Formen abgemacht. Zudem verbot damals die<lb/> noch frische Trauer um den Tod des königlichen Bruders jede glänzende und lär¬<lb/> mende Festlichkeit. Im Gegensatz dazu war es richtig, daß bei dem weniger ernsten<lb/> und weniger bedeutenden Act der Krönung sich der volle Glanz des Königthums<lb/> entfaltete. Das preußische Volk aber hat bei dieser Gelegenheit zeigen wollen, daß<lb/> es von einer eminent königlichen Gesinnung erfüllt ist. Wie auch sonst die Gegen¬<lb/> sätze in diesem Lande auseinandergehen mögen, in der festen Anhänglichkeit an den<lb/> König sind alle Parteien einig; und wenn die Junker und Pfaffen sich 'vorzugs¬<lb/> weise die königliche Partei zu nennen lieben, so hat der liberale Kern der Bevölke¬<lb/> rung diese Prätension gründlich widerlegt und hat im Gegentheil gezeigt, daß<lb/> Niemand es sich in der Treue und Liebe zum Könige will zuvorthun lassen.Zu¬<lb/> mal zu diesem Könige, welcher ans freiem Antriebe das Land von der Schmach<lb/> der Manteuffel'sehen Regierung befreit und die Grundsätze der Ehrlichkeit, Zuver¬<lb/> lässigkeit, Verfassungstreue wieder zur Geltung gebracht hatte. Darum drängte man<lb/> sich von allen Seiten, dem Herzen des Königs wohlzuthun; darum war es der<lb/> Ausdruck der innersten Gesinnung der gesammten Bevölkerung, daß die Hauptstadt<lb/> Wochen lang sich die unsäglichsten Mühen nicht verdrießen ließ, um uns am Tage</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
c» r w e
Berliner Briefe.
Von hiesigen Stimmungen und Zuständen wünschen Sie etwas zu erfahren.
Worüber kann man in diesem Augenblick aus der preußischen Hauptstadt'schreiben,
als von der Krönung und von den Einzugsfeierlichkeiten ? Jetzt, nachdem der Feflcs-
jubcl verrauscht ist, fragt man sich, was denn eigentlich geschehen sei, und ob der
Vorgang überhaupt irgend eine bleibende Bedeutung habe.
Daß die Krönung staatsrechtlich ein ganz gleichgültiger Act ist, darüber täuscht
sich hier natürlich Niemand, der sich nicht absichtlich täuschen will. In dem Augen¬
blick, als Friedrich Wilhelm der Vierte zu Sanssouci starb, war der Verfassungs-
Urkunde gemäß der Prinz-Regent, welcher bis dahin im Namen seines Bruders die
dem Könige zustehende Gewalt ausgeübt hatte, König aus eigener Machtvollkommen¬
heit geworden. Nicht das Mindeste konnte die Krönung den Rechten oder der Macht,
welche der König seit dem 2. Januar d, I, besitzt, hinzufügen. Die Pflichten der
Treue und des Gehorsams, zu denen das Land dem Könige verbunden ist, hatte
es durch ein feierliches Gelübde anerkannt, als die Mitglieder der beiden Häuser
des Landtages vor dem Könige persönlich den Eid der Treue leisteten. Weiter war
staatsrechtlich nichts erforderlich. Die Krönung ist nichts als ein gemüthlicher Act.
in welchem der Landesherr in dem vollen Glänze seiner königlichen Gewalt seinem
Volke persönlich gegenübertritt. Gegenseitige Rechte und Pflichten werden dadurch
nicht begründet; auch nicht durch die Weihe der Kirche. Diese mag einem frommen
Gemüthe ein' religiöses Bedürfniß fein ; wie die kirchliche Einsegnung auch noch
von Eheleuten begehrt zu werde» Pflegt, welche bereits bürgerlich so vollkommen
rechtskräftig getraut sind, daß das Band nickt fester geknüpft werden, sondern nur
noch eine gewisse Weihe empfangen kann, deren Bedeutung aber lediglich von der
subjectiven Auffassung' der Betheiligten abhängt.
Für uns also hat die Krönung vorzugsweise eine gemüthliche Bedeutung; —
und daß dies die veirhlrrschcndc Auffassung im Lande ist, hat der Verlauf der Sache
deutlich genug gezeigt. Als die beiden Kammern am 14. Januar im Weißen Saale
dem Könige den Eid der Treue leisteten, wurde das ernste und bedeutungsvolle
Geschäft,' wie es sich für eine fo wichtige Handlung ziemte, ohne unnöthiger Prunk
in den nüchternsten und knappsten Formen abgemacht. Zudem verbot damals die
noch frische Trauer um den Tod des königlichen Bruders jede glänzende und lär¬
mende Festlichkeit. Im Gegensatz dazu war es richtig, daß bei dem weniger ernsten
und weniger bedeutenden Act der Krönung sich der volle Glanz des Königthums
entfaltete. Das preußische Volk aber hat bei dieser Gelegenheit zeigen wollen, daß
es von einer eminent königlichen Gesinnung erfüllt ist. Wie auch sonst die Gegen¬
sätze in diesem Lande auseinandergehen mögen, in der festen Anhänglichkeit an den
König sind alle Parteien einig; und wenn die Junker und Pfaffen sich 'vorzugs¬
weise die königliche Partei zu nennen lieben, so hat der liberale Kern der Bevölke¬
rung diese Prätension gründlich widerlegt und hat im Gegentheil gezeigt, daß
Niemand es sich in der Treue und Liebe zum Könige will zuvorthun lassen.Zu¬
mal zu diesem Könige, welcher ans freiem Antriebe das Land von der Schmach
der Manteuffel'sehen Regierung befreit und die Grundsätze der Ehrlichkeit, Zuver¬
lässigkeit, Verfassungstreue wieder zur Geltung gebracht hatte. Darum drängte man
sich von allen Seiten, dem Herzen des Königs wohlzuthun; darum war es der
Ausdruck der innersten Gesinnung der gesammten Bevölkerung, daß die Hauptstadt
Wochen lang sich die unsäglichsten Mühen nicht verdrießen ließ, um uns am Tage
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