Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.wird: die bewegende Idee des Vorgangs kann nicht in schlagender Erscheinung In tieferer Weise, als Horace Vernet, und mehr der idealen Richtung wird: die bewegende Idee des Vorgangs kann nicht in schlagender Erscheinung In tieferer Weise, als Horace Vernet, und mehr der idealen Richtung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112749"/> <p xml:id="ID_705" prev="#ID_704"> wird: die bewegende Idee des Vorgangs kann nicht in schlagender Erscheinung<lb/> zum Ausdruck kommen, die Größe der Helden steckt in der Lenkung.der poli¬<lb/> tischen Fäden und im Schlachtenplnn, und beides kann der Maler nicht<lb/> brauchen. — Für diesen Mangel der geschichtlichen Bedeutung boten die<lb/> Kämpfe mit/dem Orient wenigstens eine moralische Entschädigung. Vernet<lb/> verstand sich aus die Natur und die Menschen des Morgenlandes fast ebenso,<lb/> wie auf seine Soldaten, und so wußte er den Bildern aus dem afrikanischen<lb/> Feldzug einen eigenen Reiz zu geben. (Einnahme der Smalah, Sturm auf<lb/> Konstantine u. s. f.) Indessen sieht doch die geringe Tiefe des Inhalts aus<lb/> der flüchtigen Bravour dieser immensen Gemälde ziemlich hohl und nichts¬<lb/> sagend heraus, und man begreift von ihnen die Verachtung eines Ingres.<lb/> Ware die Kunst auf diesem Wege fortgegangen, so wäre sie zur rohen Deco-<lb/> rationsmalerei geworden, und in dieser Beziehung ist es ein glücklicher Rück¬<lb/> schlag, daß die Neueren in den äußeren Bedingungen der Darstellung es zur<lb/> Vollendung zu bringen suchen. — Der übrigen namhaften Schlachtenmaler<lb/> der Gegenwart ist schon früher gedacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_706" next="#ID_707"> In tieferer Weise, als Horace Vernet, und mehr der idealen Richtung<lb/> zugeneigt, suchte L6on Cogniet schwölle Auffassung und vollendete Form<lb/> mit dem warmen, vollen Schein des Lebens, den die Romantiker anstrebten,<lb/> zu verbinden. Nur schien ihm eine eigenthümliche Phantasie versagt zu sein,<lb/> die aus der Welt der Stoffe die ihr passenden leicht und sicher herausfindet.<lb/> Er war, wie G6ricault und Scheffer, Guörin's Schüler gewesen; doch zeigte<lb/> sich schon in seinen ersten Bildern, welche in der Anschauung noch der Weise<lb/> des Meisters folgten, ein lebhafter Sinn für coloriftische Wirkung. Indessen<lb/> trat erst in der Episode aus dem bethlehemitischen Kindermord (1824) sein<lb/> Talent selbständig hervor: es ist der spannungsvolle Moment vor der Tink,<lb/> die Mutter, voller Furcht ihr Kind haltend, hat sich in einen Winkel geflüchtet.<lb/> Die einfache Anordnung, die schöne Haltung des Weibes, der wahre Ausdruck<lb/> tiefer Seelenangst dabei, die vollendete Ausführung machen eine große Wir¬<lb/> kung. Auch in seinen geschichtlichen Bildern (Plafond im Louvre, Abmarsch<lb/> der Nationalgrade in Versailles) ist bei stimmungsvollen Colorit eine nicht<lb/> gewöhnliche Wahrheit des Lebens in der Form und im Ausdruck. Seinen<lb/> Hauptwurf aber that Cogniet mit dem Gemälde: Tintoretto, seine todte Tochter<lb/> malend (lebensgroß, 1843). Die ergreifende Beziehung des Motivs, der<lb/> Adel in der Lage und Form des sanfthingestreckten Leichnams, der tiefe und<lb/> zugleich gefaßte Schmerz in den Zügen des Vaters, die einfache Komposition,<lb/> das seelenvolle der Auffassung: es wirkt Alles zu einem mächtigen Eindruck<lb/> zu»ammer. Aber zugleich zeigt sich hier die Ueberreiztheit, mit der die moderne<lb/> Kunst nach absonderlichen Effect sucht: der Leichnam ist. man weiß nicht wo-<lb/> her, mit einem rosafarbnen Lichte Übergossen und vereinigt in so wunderbarem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
wird: die bewegende Idee des Vorgangs kann nicht in schlagender Erscheinung
zum Ausdruck kommen, die Größe der Helden steckt in der Lenkung.der poli¬
tischen Fäden und im Schlachtenplnn, und beides kann der Maler nicht
brauchen. — Für diesen Mangel der geschichtlichen Bedeutung boten die
Kämpfe mit/dem Orient wenigstens eine moralische Entschädigung. Vernet
verstand sich aus die Natur und die Menschen des Morgenlandes fast ebenso,
wie auf seine Soldaten, und so wußte er den Bildern aus dem afrikanischen
Feldzug einen eigenen Reiz zu geben. (Einnahme der Smalah, Sturm auf
Konstantine u. s. f.) Indessen sieht doch die geringe Tiefe des Inhalts aus
der flüchtigen Bravour dieser immensen Gemälde ziemlich hohl und nichts¬
sagend heraus, und man begreift von ihnen die Verachtung eines Ingres.
Ware die Kunst auf diesem Wege fortgegangen, so wäre sie zur rohen Deco-
rationsmalerei geworden, und in dieser Beziehung ist es ein glücklicher Rück¬
schlag, daß die Neueren in den äußeren Bedingungen der Darstellung es zur
Vollendung zu bringen suchen. — Der übrigen namhaften Schlachtenmaler
der Gegenwart ist schon früher gedacht.
In tieferer Weise, als Horace Vernet, und mehr der idealen Richtung
zugeneigt, suchte L6on Cogniet schwölle Auffassung und vollendete Form
mit dem warmen, vollen Schein des Lebens, den die Romantiker anstrebten,
zu verbinden. Nur schien ihm eine eigenthümliche Phantasie versagt zu sein,
die aus der Welt der Stoffe die ihr passenden leicht und sicher herausfindet.
Er war, wie G6ricault und Scheffer, Guörin's Schüler gewesen; doch zeigte
sich schon in seinen ersten Bildern, welche in der Anschauung noch der Weise
des Meisters folgten, ein lebhafter Sinn für coloriftische Wirkung. Indessen
trat erst in der Episode aus dem bethlehemitischen Kindermord (1824) sein
Talent selbständig hervor: es ist der spannungsvolle Moment vor der Tink,
die Mutter, voller Furcht ihr Kind haltend, hat sich in einen Winkel geflüchtet.
Die einfache Anordnung, die schöne Haltung des Weibes, der wahre Ausdruck
tiefer Seelenangst dabei, die vollendete Ausführung machen eine große Wir¬
kung. Auch in seinen geschichtlichen Bildern (Plafond im Louvre, Abmarsch
der Nationalgrade in Versailles) ist bei stimmungsvollen Colorit eine nicht
gewöhnliche Wahrheit des Lebens in der Form und im Ausdruck. Seinen
Hauptwurf aber that Cogniet mit dem Gemälde: Tintoretto, seine todte Tochter
malend (lebensgroß, 1843). Die ergreifende Beziehung des Motivs, der
Adel in der Lage und Form des sanfthingestreckten Leichnams, der tiefe und
zugleich gefaßte Schmerz in den Zügen des Vaters, die einfache Komposition,
das seelenvolle der Auffassung: es wirkt Alles zu einem mächtigen Eindruck
zu»ammer. Aber zugleich zeigt sich hier die Ueberreiztheit, mit der die moderne
Kunst nach absonderlichen Effect sucht: der Leichnam ist. man weiß nicht wo-
her, mit einem rosafarbnen Lichte Übergossen und vereinigt in so wunderbarem
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