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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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mit lebendigem, energischem Ausdruck wiederzugeben suchte (Teil und Geßler,
der Schwur auf dem nulli, Peter der Große als Knabe und die Streichen,
dann die Schlachten von Jvry und Wagram). Horace Vernet, auf den
wir ausführlicher zurückkommen; etwas später die Brüder Alfred und Tory
Jo Hannot, die besonders aus die historische Treue des Details ausgingen
und mit einen, feinen Geschick für malerische Komposition am liebsten Epi¬
soden aus dem ritterlichen Leben darstellten (Tory: Kindheit und Tod des Du
Guesclin; Alfred: Franz I. und Karl V., Heinrich II. und seine Familie;
beide auch bekannte Illustratoren historischer Romane). Schon in diesen
Meistern zeigt sich, wie das Classische und Romantische fast unmerklich in
einander überzuspielen beginnen; das ideale Element sucht sich in der edlen
Form und Bewegung mächtiger, bedeutungsvoller historischer Personen hervor¬
zuthun, während andrerseits die Phantasie in der malerischen Erscheinung frü¬
herer Zeiten den Reiz des Romantischen und in der realistischen Fülle und
Bestimmtheit des Details die unmittelbare Wahrheit des Lebens findet. Zu¬
dem brachte es die Darstellung des Menschen in der reichen Mannigfaltigkeit
des Zeitcostüms. in der traulichen Umgebung gewohnter Dinge und Geräthe
mit sich, daß der Maler in das farbige, festliche schimmern und Scheinen der
Stoffe und Waffen -- das bunte Spiel einer Cultur, die noch an Pracht
und Glanz ihre Freude hatte -- den Zauber eines vollen und harmonischen
Kolorits zu legen suchte.

Indessen waren die historischen Aufgaben, welche die Regierung der Kunst
stellte, nicht alle günstig. Abgesehen von allerlei Motiven, die sich weit kla¬
rer und faßlicher durch das Wort als die malerische Erscheinung ausdrücken
ließen, wollte sie auch die jüngsten Ereignisse durch die bildende Kunst fest¬
gehalten sehen; allerlei friedliche Vorfälle, deren Bedeutung auf dem leeren
Pomp von Ceremonien oder auch inhaltsschweren Kanzleiacten beruhte: Beides
Stoffe von hockst zweifelhaftem malerischen Werth. Aber die Zeitgeschichte
sollte bald einen kräftigen Aufschwung nehmen, und diesem die Kunst eine
fruchtbare und wie es schien, glückliche Anregung verdanken. Der Iuliauf-
stand griff mit der entschiedenen Bewegung der That in die matte Alltäglich¬
keit des Friedens ein, und aus dem derben, lebensfrischen Handeln des in die
Oeffentlichkeit heraustretenden Volkes erhob sich als der Ausdruck des Na¬
tionalwillens das constitutionelle, Königthum. Die verschiedenen Vorgänge
des neu sich bildenden ^Zustandes durch die Malerei dargestellt zu sehen, mußte
ebensosehr das Bewußtsein der Nation als das des Königs erheben. Und so
wurde denn auch jedes, selbst das geringste Ereignis;. das auf die Ernen¬
nung Louis Philipps Bezug hatte, in Bildern von monumentalen Maßstabe
verherrlicht. Allein so dankbar auch einige Motive aus dem Straßenkampfe
selber für den Maler sein mochten, so zeigte sich doch gerade hier, wo die


mit lebendigem, energischem Ausdruck wiederzugeben suchte (Teil und Geßler,
der Schwur auf dem nulli, Peter der Große als Knabe und die Streichen,
dann die Schlachten von Jvry und Wagram). Horace Vernet, auf den
wir ausführlicher zurückkommen; etwas später die Brüder Alfred und Tory
Jo Hannot, die besonders aus die historische Treue des Details ausgingen
und mit einen, feinen Geschick für malerische Komposition am liebsten Epi¬
soden aus dem ritterlichen Leben darstellten (Tory: Kindheit und Tod des Du
Guesclin; Alfred: Franz I. und Karl V., Heinrich II. und seine Familie;
beide auch bekannte Illustratoren historischer Romane). Schon in diesen
Meistern zeigt sich, wie das Classische und Romantische fast unmerklich in
einander überzuspielen beginnen; das ideale Element sucht sich in der edlen
Form und Bewegung mächtiger, bedeutungsvoller historischer Personen hervor¬
zuthun, während andrerseits die Phantasie in der malerischen Erscheinung frü¬
herer Zeiten den Reiz des Romantischen und in der realistischen Fülle und
Bestimmtheit des Details die unmittelbare Wahrheit des Lebens findet. Zu¬
dem brachte es die Darstellung des Menschen in der reichen Mannigfaltigkeit
des Zeitcostüms. in der traulichen Umgebung gewohnter Dinge und Geräthe
mit sich, daß der Maler in das farbige, festliche schimmern und Scheinen der
Stoffe und Waffen — das bunte Spiel einer Cultur, die noch an Pracht
und Glanz ihre Freude hatte — den Zauber eines vollen und harmonischen
Kolorits zu legen suchte.

Indessen waren die historischen Aufgaben, welche die Regierung der Kunst
stellte, nicht alle günstig. Abgesehen von allerlei Motiven, die sich weit kla¬
rer und faßlicher durch das Wort als die malerische Erscheinung ausdrücken
ließen, wollte sie auch die jüngsten Ereignisse durch die bildende Kunst fest¬
gehalten sehen; allerlei friedliche Vorfälle, deren Bedeutung auf dem leeren
Pomp von Ceremonien oder auch inhaltsschweren Kanzleiacten beruhte: Beides
Stoffe von hockst zweifelhaftem malerischen Werth. Aber die Zeitgeschichte
sollte bald einen kräftigen Aufschwung nehmen, und diesem die Kunst eine
fruchtbare und wie es schien, glückliche Anregung verdanken. Der Iuliauf-
stand griff mit der entschiedenen Bewegung der That in die matte Alltäglich¬
keit des Friedens ein, und aus dem derben, lebensfrischen Handeln des in die
Oeffentlichkeit heraustretenden Volkes erhob sich als der Ausdruck des Na¬
tionalwillens das constitutionelle, Königthum. Die verschiedenen Vorgänge
des neu sich bildenden ^Zustandes durch die Malerei dargestellt zu sehen, mußte
ebensosehr das Bewußtsein der Nation als das des Königs erheben. Und so
wurde denn auch jedes, selbst das geringste Ereignis;. das auf die Ernen¬
nung Louis Philipps Bezug hatte, in Bildern von monumentalen Maßstabe
verherrlicht. Allein so dankbar auch einige Motive aus dem Straßenkampfe
selber für den Maler sein mochten, so zeigte sich doch gerade hier, wo die


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[0236] mit lebendigem, energischem Ausdruck wiederzugeben suchte (Teil und Geßler, der Schwur auf dem nulli, Peter der Große als Knabe und die Streichen, dann die Schlachten von Jvry und Wagram). Horace Vernet, auf den wir ausführlicher zurückkommen; etwas später die Brüder Alfred und Tory Jo Hannot, die besonders aus die historische Treue des Details ausgingen und mit einen, feinen Geschick für malerische Komposition am liebsten Epi¬ soden aus dem ritterlichen Leben darstellten (Tory: Kindheit und Tod des Du Guesclin; Alfred: Franz I. und Karl V., Heinrich II. und seine Familie; beide auch bekannte Illustratoren historischer Romane). Schon in diesen Meistern zeigt sich, wie das Classische und Romantische fast unmerklich in einander überzuspielen beginnen; das ideale Element sucht sich in der edlen Form und Bewegung mächtiger, bedeutungsvoller historischer Personen hervor¬ zuthun, während andrerseits die Phantasie in der malerischen Erscheinung frü¬ herer Zeiten den Reiz des Romantischen und in der realistischen Fülle und Bestimmtheit des Details die unmittelbare Wahrheit des Lebens findet. Zu¬ dem brachte es die Darstellung des Menschen in der reichen Mannigfaltigkeit des Zeitcostüms. in der traulichen Umgebung gewohnter Dinge und Geräthe mit sich, daß der Maler in das farbige, festliche schimmern und Scheinen der Stoffe und Waffen — das bunte Spiel einer Cultur, die noch an Pracht und Glanz ihre Freude hatte — den Zauber eines vollen und harmonischen Kolorits zu legen suchte. Indessen waren die historischen Aufgaben, welche die Regierung der Kunst stellte, nicht alle günstig. Abgesehen von allerlei Motiven, die sich weit kla¬ rer und faßlicher durch das Wort als die malerische Erscheinung ausdrücken ließen, wollte sie auch die jüngsten Ereignisse durch die bildende Kunst fest¬ gehalten sehen; allerlei friedliche Vorfälle, deren Bedeutung auf dem leeren Pomp von Ceremonien oder auch inhaltsschweren Kanzleiacten beruhte: Beides Stoffe von hockst zweifelhaftem malerischen Werth. Aber die Zeitgeschichte sollte bald einen kräftigen Aufschwung nehmen, und diesem die Kunst eine fruchtbare und wie es schien, glückliche Anregung verdanken. Der Iuliauf- stand griff mit der entschiedenen Bewegung der That in die matte Alltäglich¬ keit des Friedens ein, und aus dem derben, lebensfrischen Handeln des in die Oeffentlichkeit heraustretenden Volkes erhob sich als der Ausdruck des Na¬ tionalwillens das constitutionelle, Königthum. Die verschiedenen Vorgänge des neu sich bildenden ^Zustandes durch die Malerei dargestellt zu sehen, mußte ebensosehr das Bewußtsein der Nation als das des Königs erheben. Und so wurde denn auch jedes, selbst das geringste Ereignis;. das auf die Ernen¬ nung Louis Philipps Bezug hatte, in Bildern von monumentalen Maßstabe verherrlicht. Allein so dankbar auch einige Motive aus dem Straßenkampfe selber für den Maler sein mochten, so zeigte sich doch gerade hier, wo die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/236>, abgerufen am 23.07.2024.