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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band.

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ser Vorschlag gemacht worden: man hat ihn bis auf Höhe etwa des zehnten
Theils ausgeführt.

Es gibt aber ein untrügliches Mittel, das deutsche Element in kürzester
Zeit in allen Kreisen der Provinz Posen zum herrschenden zu machen; dies
naheliegende Mittel ist: Zerschlagen einer Anzahl von Rittergütern und Ver¬
wandeln derselben in deutsche Baucrngemeinden, für welche Einwanderung
aus den nahen niederdeutschen Landschaften. Holstein, Pommern. Mecklenburg,
ohne wesentliche Schwierigkeit zu bewirken ist. Der Erwerb der Rittergüter
durch deutsche Landwirthe gcnnanisirt sehr langsam und unvollständig, der
Gutsherr zieht einen deutschen Amtmann, einen Schüfer, einen Bauer, vielleicht
auch einzelne Arbeiter mit sich. Diese deutsche Kolonie bleibt, von Polen
umgeben, vielleicht durch mehrere Generationen eine kleine Minderzahl- Wird
aber ein Rittergut von etwa 1500- 2000 Morgen in eine deutsche Baucr-
gemeinde von etwa 15--20 Stellen, die mit 50--200 Morgen ausgestattet
sind, verwandelt, so wird ein Kern von deutschen seßhaften gebildet, welcher
der ganzen Umgegend zu imponiren vermag. Freilich muß man nicht arme
Colonistenstellen. welche auf Handarbeit angewiesen sind, aussetzen, sondern
wohlsundirte Baueryöse. Eine müßige Zahl solcher Dorfschaften ändert die
ganze Physiognomie eines Landkreises. Es ist vorauszusehen, daß dann in
wenigen Jahren die expansive Kraft des deutschen Elements auch die Mehr¬
zahl der slavischen Bauerstcllen und die noch übrigen Rittersitze besetzen wird.
Eine solche Operation,, consequent durchgeführt, wirkt unwiderstehlich, sie würde
das darauf gewandte Capital allerdings. nur müßig verzinsen, langsam zurück¬
erstatten; aber es wäre die größte Cultur, welche Preußen je durchgesetzt Hütte,
sie würde die Provinz zu einer der blühendsten in Deutschland machen, sie
würde kein Recht der Polen kränken, sie ist die humanste, mildeste Waffe der
Preußen gegen Solche, welche öffentlich erklärt haben, daß sie keine Preußen
sein wollen. Das Detail dieser Operation gehört nicht hierher, sie ist durch¬
führbar ohne neue ActiengeseÜschaften und ohne neue Belastung des Budgets.

Mit und ohne solche Maßregeln ist Polen dem deutschen Elemente gesichert.
Es ist nicht unmöglich, daß die Polen noch einmal den Versuch machen, die
Grenzkreise, in denen sie zahlreich wohnen, gegen die Regierung aufzuregen.
Wir erwarten die Zeit kalt, ohne Freude, ohne ein anderes Mitleid, als das.
welches man den idealen Empfindungen eines erbitterten Feindes schuldig ist.
Denn es ist sicher, daß ein solches Beginnen schneller als jede Colonisation
die Schuldigen aus dem Großherzogthum entfernen wird.

So steht der Deutsche zum Polen. Wir haben ihnen gegenüber das
Unrecht, daß wir seit mehr als sechs Jahrhunderte.! gegen Osten uns aus¬
breiten, daß sie schwinden; wir haben ihnen gegenüber keine von den
Verschuldungen, welche sich der Engländer gegen Irland vorzuwerfen


ser Vorschlag gemacht worden: man hat ihn bis auf Höhe etwa des zehnten
Theils ausgeführt.

Es gibt aber ein untrügliches Mittel, das deutsche Element in kürzester
Zeit in allen Kreisen der Provinz Posen zum herrschenden zu machen; dies
naheliegende Mittel ist: Zerschlagen einer Anzahl von Rittergütern und Ver¬
wandeln derselben in deutsche Baucrngemeinden, für welche Einwanderung
aus den nahen niederdeutschen Landschaften. Holstein, Pommern. Mecklenburg,
ohne wesentliche Schwierigkeit zu bewirken ist. Der Erwerb der Rittergüter
durch deutsche Landwirthe gcnnanisirt sehr langsam und unvollständig, der
Gutsherr zieht einen deutschen Amtmann, einen Schüfer, einen Bauer, vielleicht
auch einzelne Arbeiter mit sich. Diese deutsche Kolonie bleibt, von Polen
umgeben, vielleicht durch mehrere Generationen eine kleine Minderzahl- Wird
aber ein Rittergut von etwa 1500- 2000 Morgen in eine deutsche Baucr-
gemeinde von etwa 15—20 Stellen, die mit 50—200 Morgen ausgestattet
sind, verwandelt, so wird ein Kern von deutschen seßhaften gebildet, welcher
der ganzen Umgegend zu imponiren vermag. Freilich muß man nicht arme
Colonistenstellen. welche auf Handarbeit angewiesen sind, aussetzen, sondern
wohlsundirte Baueryöse. Eine müßige Zahl solcher Dorfschaften ändert die
ganze Physiognomie eines Landkreises. Es ist vorauszusehen, daß dann in
wenigen Jahren die expansive Kraft des deutschen Elements auch die Mehr¬
zahl der slavischen Bauerstcllen und die noch übrigen Rittersitze besetzen wird.
Eine solche Operation,, consequent durchgeführt, wirkt unwiderstehlich, sie würde
das darauf gewandte Capital allerdings. nur müßig verzinsen, langsam zurück¬
erstatten; aber es wäre die größte Cultur, welche Preußen je durchgesetzt Hütte,
sie würde die Provinz zu einer der blühendsten in Deutschland machen, sie
würde kein Recht der Polen kränken, sie ist die humanste, mildeste Waffe der
Preußen gegen Solche, welche öffentlich erklärt haben, daß sie keine Preußen
sein wollen. Das Detail dieser Operation gehört nicht hierher, sie ist durch¬
führbar ohne neue ActiengeseÜschaften und ohne neue Belastung des Budgets.

Mit und ohne solche Maßregeln ist Polen dem deutschen Elemente gesichert.
Es ist nicht unmöglich, daß die Polen noch einmal den Versuch machen, die
Grenzkreise, in denen sie zahlreich wohnen, gegen die Regierung aufzuregen.
Wir erwarten die Zeit kalt, ohne Freude, ohne ein anderes Mitleid, als das.
welches man den idealen Empfindungen eines erbitterten Feindes schuldig ist.
Denn es ist sicher, daß ein solches Beginnen schneller als jede Colonisation
die Schuldigen aus dem Großherzogthum entfernen wird.

So steht der Deutsche zum Polen. Wir haben ihnen gegenüber das
Unrecht, daß wir seit mehr als sechs Jahrhunderte.! gegen Osten uns aus¬
breiten, daß sie schwinden; wir haben ihnen gegenüber keine von den
Verschuldungen, welche sich der Engländer gegen Irland vorzuwerfen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_112507/100>, abgerufen am 23.07.2024.