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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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waffenfähigen Mannschaft bei zweijähriger Dienstzeit für vollständige Kriegs¬
tüchtigkeit des preußischen Volks in Waffen Bürgschaft leistet."

In dieser Allgemeinheit erscheint uns der Passus um so weniger bedenk¬
lich, da die Organe der Fortschrittspartei selber erklärt haben, daß an eine
neue durchgreifende Umgestaltung der jetzt eingerichteten Cadres aus financiellen
wie aus militärischen Gründen nicht zu denken ist.

Viertens. Am Entschiedensten stimmen wir mit der Bemerkung überein,
daß ohne eine verfassungsmäßige Reform des Herreuhauses alles Uebrige in
das Gebiet der frommen Wünsche fällt, daß mit dieser also zu beginnen ist.

Wenn wir unsere persönliche Uebereinstimmung mit den meisten Punkten
des Programms ausgesprochen haben, so müssen wir noch hinzusetzen, daß
die ganze bisherige liberale Partei des Hauses, daß namentlich die Fraction
Vincke durch Wort und Abstimmung dieselbe Uebereinstimmung bekundet hat.
-- Auch in der Militärfrage, wie wir aus den Commissionsverhandlungen
wissen: weshalb bei der Schlußabstimmung ein Kompromiß beliebt wurde,
davon später.

Trotz dieser Uebereinstimmung haben die Organe der "Fortschrittspartei"
die bisherige liberale Majorität und namentlich die Fraction Vincke in einer
Weise charakterisirt, daß sie, unhöflich gesprochen, als eine Sammlung von
Landesverräthern, höflich gesprochen als eine Sammlung von "Gelehrten"
erscheinen, "die viel wissen, aber wenig wollen."

Woher dies harte Urtheil? Da die Fortschrittspartei in ihren Zwecken
mit der bisherigen Majorität einig ist, und da die persönlichen Zänkereien
zwischen den Herren v. Vincke und Waldeck doch unmöglich einen hinreichenden
Grund bilden, die Fraction Vincke als eine Sammlung von "Gelehrten" zu
verdächtigen, so ist die Meinung der "Fortschrittspartei" offenbar diese: die bis¬
herige Majorität hat sich zwar den richtigen Zweck gesetzt, aber entweder
nicht den Muth oder nicht den Verstand gehabt, die richtigen Mittel zu
wählen; wir dagegen versprechen dem Publicum. Männer zu stellen, die auch
in der Wahl der Mittel das Richtige treffen. Da nun leider über die Mittel
nichts gesagt ist, so müssen wir uns aus der Natur der Sache zu unterrichten
suchen, worin diese Mittel etwa bestehen können.

Mit Recht sagt das Wahlprogramm, daß bei der jetzigen Zusammen¬
setzung des Herrenhauses alle Wünsche der Fortschrittspartei fromme Wünsche
bleiben. Das Haus der Abgeordneten kann die herrlichsten Resolutionen
fassen, das Herrenhaus wirst sie in den Papierkorb.

Eine verfassungsmäßige Reform des Herrnhauses ist aber nur auf
einem Wege möglich: durch die Ernennung neuer Pairs von Seiten des
Königs. Den König dazu zu nöthigen, gibt es keinen gesetzlichen Weg
-- beiläufig gesagt auch keinen ungesetzlichen. Es bleibt also nichts übrig.


waffenfähigen Mannschaft bei zweijähriger Dienstzeit für vollständige Kriegs¬
tüchtigkeit des preußischen Volks in Waffen Bürgschaft leistet."

In dieser Allgemeinheit erscheint uns der Passus um so weniger bedenk¬
lich, da die Organe der Fortschrittspartei selber erklärt haben, daß an eine
neue durchgreifende Umgestaltung der jetzt eingerichteten Cadres aus financiellen
wie aus militärischen Gründen nicht zu denken ist.

Viertens. Am Entschiedensten stimmen wir mit der Bemerkung überein,
daß ohne eine verfassungsmäßige Reform des Herreuhauses alles Uebrige in
das Gebiet der frommen Wünsche fällt, daß mit dieser also zu beginnen ist.

Wenn wir unsere persönliche Uebereinstimmung mit den meisten Punkten
des Programms ausgesprochen haben, so müssen wir noch hinzusetzen, daß
die ganze bisherige liberale Partei des Hauses, daß namentlich die Fraction
Vincke durch Wort und Abstimmung dieselbe Uebereinstimmung bekundet hat.
— Auch in der Militärfrage, wie wir aus den Commissionsverhandlungen
wissen: weshalb bei der Schlußabstimmung ein Kompromiß beliebt wurde,
davon später.

Trotz dieser Uebereinstimmung haben die Organe der „Fortschrittspartei"
die bisherige liberale Majorität und namentlich die Fraction Vincke in einer
Weise charakterisirt, daß sie, unhöflich gesprochen, als eine Sammlung von
Landesverräthern, höflich gesprochen als eine Sammlung von „Gelehrten"
erscheinen, „die viel wissen, aber wenig wollen."

Woher dies harte Urtheil? Da die Fortschrittspartei in ihren Zwecken
mit der bisherigen Majorität einig ist, und da die persönlichen Zänkereien
zwischen den Herren v. Vincke und Waldeck doch unmöglich einen hinreichenden
Grund bilden, die Fraction Vincke als eine Sammlung von „Gelehrten" zu
verdächtigen, so ist die Meinung der „Fortschrittspartei" offenbar diese: die bis¬
herige Majorität hat sich zwar den richtigen Zweck gesetzt, aber entweder
nicht den Muth oder nicht den Verstand gehabt, die richtigen Mittel zu
wählen; wir dagegen versprechen dem Publicum. Männer zu stellen, die auch
in der Wahl der Mittel das Richtige treffen. Da nun leider über die Mittel
nichts gesagt ist, so müssen wir uns aus der Natur der Sache zu unterrichten
suchen, worin diese Mittel etwa bestehen können.

Mit Recht sagt das Wahlprogramm, daß bei der jetzigen Zusammen¬
setzung des Herrenhauses alle Wünsche der Fortschrittspartei fromme Wünsche
bleiben. Das Haus der Abgeordneten kann die herrlichsten Resolutionen
fassen, das Herrenhaus wirst sie in den Papierkorb.

Eine verfassungsmäßige Reform des Herrnhauses ist aber nur auf
einem Wege möglich: durch die Ernennung neuer Pairs von Seiten des
Königs. Den König dazu zu nöthigen, gibt es keinen gesetzlichen Weg
— beiläufig gesagt auch keinen ungesetzlichen. Es bleibt also nichts übrig.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/86>, abgerufen am 22.12.2024.