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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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nähme zu machen, vermehrt nur unnütze Hin- und Herschreiberei und schwächt die
Entschlußfähigkeit und das Ansehen der Unterbehörden. Consequent durchge¬
führt bringt uns dieses Princip zu dem ganzen Jammer französischer Präfec-
tenwirthschaft, die leider in dem württembergischen Oberamtssystem, welches
alle Gemeinden und Gemeindebehörden wie Kinder bevormundet, eine un¬
würdige Nachahmung gefunden, während sie der gute Genius des deutschen
Volkes von den meisten andern deutschen Staaten bisher Gottlob ferne ge¬
halten hat.

Ein andrer sranzöselnder Zug läßt sich deutlich in der Bestimmung nach¬
weisen, welche sich in den Statuten wol aller von der Regierung bestätigten
Actien- und ähnlichen Gesellschaften findet, auch wenn sie eine bloß örtliche
Bedeutung haben, in der Bestimmung nämlich, daß deren Beaufsichtigung der
Ortsbehörde entzogen und einem von der Regierungsbehörde aus ihrem Mittel
bestellten Commissär übertragen wird. Auch diese Aufsicht wäre weit besser
in die Hände der den praktischen Beziehungen näher stehenden Unterbehörde
gelegt. Es ist daher die Maßregel nicht nur von geringem oder keinem Nutzen,
sondern weil sie das Ansehen der Unterbehörden schwächt, schädlich, und gegen
den Rath zu Leipzig, eine Behörde, welcher es doch wahrlich nicht an der
nöthigen Intelligenz fehlen kann, war es ein sehr unzartes Verfahren, als man
ihm die Aussicht über die Lebensversicherungsgesellschaft entzog und einem
Mitgliede der Kreisdirection übertrug. Es heißt doch den Handschuh umkeh¬
ren, wenn man die Aufsichtsbehörden in die Thätigkeit der Unterbehörden ein¬
rücken läßt. Es ist freilich dann auch kein Wunder, wenn man über zu viele
Geschäfte bei den Kreisdirectionen klagt.

Also fort mit solcher Nachäffung der Franzosen, der unnützen Vielschrei¬
berei und Vielregiererei, sie kann bei den allem eiteln Formenwesen und äu¬
ßerem Glänze mehr zugewandten Franzosen am Platze sein, bei den tiefern
Deutschen gewiß nicht. -- Die Nothwendigkeit einer deutschen d. h. einerseits
möglichst selbständigen, andrerseits von dem Volksleben sich nicht absondernden
obrigkeitlichen Gewalt muß immer mehr zur allgemeinen Ueberzeugung wer¬
den; man beherzige namentlich was Ap6-Lallemand S. 350 B. 2. in dem
oben genannten Werke als Aufgabe und als das Wesen der deutschen Polizei
bezeichnet im Gegensatz zu der entsittlichenden französischen, die auch in Deutsch¬
land unter der napoleonischen Zwingherrschaft so üppig gewundert, und bei¬
läufig auch in undeutschen Worten noch Vielfache Spuren hinterlassen hat.




nähme zu machen, vermehrt nur unnütze Hin- und Herschreiberei und schwächt die
Entschlußfähigkeit und das Ansehen der Unterbehörden. Consequent durchge¬
führt bringt uns dieses Princip zu dem ganzen Jammer französischer Präfec-
tenwirthschaft, die leider in dem württembergischen Oberamtssystem, welches
alle Gemeinden und Gemeindebehörden wie Kinder bevormundet, eine un¬
würdige Nachahmung gefunden, während sie der gute Genius des deutschen
Volkes von den meisten andern deutschen Staaten bisher Gottlob ferne ge¬
halten hat.

Ein andrer sranzöselnder Zug läßt sich deutlich in der Bestimmung nach¬
weisen, welche sich in den Statuten wol aller von der Regierung bestätigten
Actien- und ähnlichen Gesellschaften findet, auch wenn sie eine bloß örtliche
Bedeutung haben, in der Bestimmung nämlich, daß deren Beaufsichtigung der
Ortsbehörde entzogen und einem von der Regierungsbehörde aus ihrem Mittel
bestellten Commissär übertragen wird. Auch diese Aufsicht wäre weit besser
in die Hände der den praktischen Beziehungen näher stehenden Unterbehörde
gelegt. Es ist daher die Maßregel nicht nur von geringem oder keinem Nutzen,
sondern weil sie das Ansehen der Unterbehörden schwächt, schädlich, und gegen
den Rath zu Leipzig, eine Behörde, welcher es doch wahrlich nicht an der
nöthigen Intelligenz fehlen kann, war es ein sehr unzartes Verfahren, als man
ihm die Aussicht über die Lebensversicherungsgesellschaft entzog und einem
Mitgliede der Kreisdirection übertrug. Es heißt doch den Handschuh umkeh¬
ren, wenn man die Aufsichtsbehörden in die Thätigkeit der Unterbehörden ein¬
rücken läßt. Es ist freilich dann auch kein Wunder, wenn man über zu viele
Geschäfte bei den Kreisdirectionen klagt.

Also fort mit solcher Nachäffung der Franzosen, der unnützen Vielschrei¬
berei und Vielregiererei, sie kann bei den allem eiteln Formenwesen und äu¬
ßerem Glänze mehr zugewandten Franzosen am Platze sein, bei den tiefern
Deutschen gewiß nicht. — Die Nothwendigkeit einer deutschen d. h. einerseits
möglichst selbständigen, andrerseits von dem Volksleben sich nicht absondernden
obrigkeitlichen Gewalt muß immer mehr zur allgemeinen Ueberzeugung wer¬
den; man beherzige namentlich was Ap6-Lallemand S. 350 B. 2. in dem
oben genannten Werke als Aufgabe und als das Wesen der deutschen Polizei
bezeichnet im Gegensatz zu der entsittlichenden französischen, die auch in Deutsch¬
land unter der napoleonischen Zwingherrschaft so üppig gewundert, und bei¬
läufig auch in undeutschen Worten noch Vielfache Spuren hinterlassen hat.




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[0084] nähme zu machen, vermehrt nur unnütze Hin- und Herschreiberei und schwächt die Entschlußfähigkeit und das Ansehen der Unterbehörden. Consequent durchge¬ führt bringt uns dieses Princip zu dem ganzen Jammer französischer Präfec- tenwirthschaft, die leider in dem württembergischen Oberamtssystem, welches alle Gemeinden und Gemeindebehörden wie Kinder bevormundet, eine un¬ würdige Nachahmung gefunden, während sie der gute Genius des deutschen Volkes von den meisten andern deutschen Staaten bisher Gottlob ferne ge¬ halten hat. Ein andrer sranzöselnder Zug läßt sich deutlich in der Bestimmung nach¬ weisen, welche sich in den Statuten wol aller von der Regierung bestätigten Actien- und ähnlichen Gesellschaften findet, auch wenn sie eine bloß örtliche Bedeutung haben, in der Bestimmung nämlich, daß deren Beaufsichtigung der Ortsbehörde entzogen und einem von der Regierungsbehörde aus ihrem Mittel bestellten Commissär übertragen wird. Auch diese Aufsicht wäre weit besser in die Hände der den praktischen Beziehungen näher stehenden Unterbehörde gelegt. Es ist daher die Maßregel nicht nur von geringem oder keinem Nutzen, sondern weil sie das Ansehen der Unterbehörden schwächt, schädlich, und gegen den Rath zu Leipzig, eine Behörde, welcher es doch wahrlich nicht an der nöthigen Intelligenz fehlen kann, war es ein sehr unzartes Verfahren, als man ihm die Aussicht über die Lebensversicherungsgesellschaft entzog und einem Mitgliede der Kreisdirection übertrug. Es heißt doch den Handschuh umkeh¬ ren, wenn man die Aufsichtsbehörden in die Thätigkeit der Unterbehörden ein¬ rücken läßt. Es ist freilich dann auch kein Wunder, wenn man über zu viele Geschäfte bei den Kreisdirectionen klagt. Also fort mit solcher Nachäffung der Franzosen, der unnützen Vielschrei¬ berei und Vielregiererei, sie kann bei den allem eiteln Formenwesen und äu¬ ßerem Glänze mehr zugewandten Franzosen am Platze sein, bei den tiefern Deutschen gewiß nicht. — Die Nothwendigkeit einer deutschen d. h. einerseits möglichst selbständigen, andrerseits von dem Volksleben sich nicht absondernden obrigkeitlichen Gewalt muß immer mehr zur allgemeinen Ueberzeugung wer¬ den; man beherzige namentlich was Ap6-Lallemand S. 350 B. 2. in dem oben genannten Werke als Aufgabe und als das Wesen der deutschen Polizei bezeichnet im Gegensatz zu der entsittlichenden französischen, die auch in Deutsch¬ land unter der napoleonischen Zwingherrschaft so üppig gewundert, und bei¬ läufig auch in undeutschen Worten noch Vielfache Spuren hinterlassen hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/84>, abgerufen am 22.12.2024.