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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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der." Auf das frühe Vorhandensein von Unterrichtsanstalten in Rom weist
auch ein im Jahr "3 v. Cbr. gegen die lateinischen Rhetoren erlassenes Edict
hin. in welchem sich die Worte finden: "Unsere Vorfahren haben Anordnungen
darüber getroffen, was ihre Kinder lernen und in welche Schulen sie gehen
sollten." Einen Aufschwung aber scheint das römische Schulwesen durch
Spurius Carvilius. einen Freigelassenen, um's Jahr 225 v. Chr. bekommen
zu haben, den Plutarch irriger Weise als Gründer der ersten Schule in Rom
bezeichnet. Interessant ist es/ daß unter ihm sich die homerischen Gedichte,
wenigstens die Odyssee, in der lateinischen Uebersetzung des Livius Andronicus
in den römischen Schulen einbürgerten. Noch zur Zeit des Horaz pflegten
manche Lehrer aus derselben ihren Schülern zu dictiren. Sonst wurden in
dieser Zeit neben der Uebung in den allgemeinen Elementen noch Auswendig-
lernen der Zwölftafelgesetze verlangt. Noch Cicero hat diese in seiner Jugend
memorirt. bemerkt aber ausdrücklich, daß es zu seiner Zeit Niemand mehr
thue. Uebrigens besuchte Cicero selbst als Knabe eine Elementarschule; denn
Plutarch erzählt, daß die Eltern seiner Mitschüler theils diese Schule aus
Neugierde besucht Hütten, um sich von seinen gerühmten Fähigkeiten zu über¬
zeugen, theils ihren Söhnen gezürnt, weil dieselben den jungen Cicero auf
der Straße stets ehrend in ihre Mitte nahmen. Der eigentliche grammatische
Unterricht soll erst zwischen dem zweiten und dritten punischen Kriege durch
Krates von Mallos. einen Gesandten des pergamenischen Königs Malus,
der in Rom durch einen Beinbruch zurückgehalten worden war, nach Rom
verpflanzt worden sein. Aber das Unterrichtswesen blieb immer noch mangel¬
haft und dürftig, bis endlich das politisch unterjochte Hellas seinen geistigen
Eroberungszug nach Westen begann. Da wuchs auch schnell die Zahl der
Anstalten, und nach Suctons Zeugniß soll es damals zuweilen über zwanzig
renonunirte Schulen in Rom gegeben haben. Auch der griechische Pädagog
erscheint nun und zwar zuerst, wie bei den Griechen, als Führer und Be¬
schützer der Knaben. Außer ihm begleiteten aber auch ein oder mehrere
Sklaven die vornehmeren Schüler auf der Straße, die Schulutensilien tragend,
während die ärmeren Jungen, wie selbst die Söhne wichtig thuender Haupt¬
leute zu Venusia. dem Geburtsorte des Horaz. dahin trollten "links am Arme
die Kapseln gehängt und die ziffernden Täflein." Augustus räumte bei öffent¬
lichen Schauspielen den Knaben eine besondere Reihe von Sitzen ein und
überließ die nächstfolgende den Pädagogen derselben. Die begleitenden Skla¬
ven blieben, wie es scheint, auch während des Unterrichts in der Nähe ihrer
Zöglinge; denn wie hätte es sonst zugehen sollen, daß der eingebildete Gramma¬
tiker Nhemmius Palämon in Vicenza als Sklave und Kapsclträger mehr ler¬
nen konnte, als sein kleiner bornirter Herr? Obgleich aber Cicero die Päda¬
gogen mit den Ammen auf gleiche Stufe stellt, so gab es doch manche, die


der." Auf das frühe Vorhandensein von Unterrichtsanstalten in Rom weist
auch ein im Jahr »3 v. Cbr. gegen die lateinischen Rhetoren erlassenes Edict
hin. in welchem sich die Worte finden: „Unsere Vorfahren haben Anordnungen
darüber getroffen, was ihre Kinder lernen und in welche Schulen sie gehen
sollten." Einen Aufschwung aber scheint das römische Schulwesen durch
Spurius Carvilius. einen Freigelassenen, um's Jahr 225 v. Chr. bekommen
zu haben, den Plutarch irriger Weise als Gründer der ersten Schule in Rom
bezeichnet. Interessant ist es/ daß unter ihm sich die homerischen Gedichte,
wenigstens die Odyssee, in der lateinischen Uebersetzung des Livius Andronicus
in den römischen Schulen einbürgerten. Noch zur Zeit des Horaz pflegten
manche Lehrer aus derselben ihren Schülern zu dictiren. Sonst wurden in
dieser Zeit neben der Uebung in den allgemeinen Elementen noch Auswendig-
lernen der Zwölftafelgesetze verlangt. Noch Cicero hat diese in seiner Jugend
memorirt. bemerkt aber ausdrücklich, daß es zu seiner Zeit Niemand mehr
thue. Uebrigens besuchte Cicero selbst als Knabe eine Elementarschule; denn
Plutarch erzählt, daß die Eltern seiner Mitschüler theils diese Schule aus
Neugierde besucht Hütten, um sich von seinen gerühmten Fähigkeiten zu über¬
zeugen, theils ihren Söhnen gezürnt, weil dieselben den jungen Cicero auf
der Straße stets ehrend in ihre Mitte nahmen. Der eigentliche grammatische
Unterricht soll erst zwischen dem zweiten und dritten punischen Kriege durch
Krates von Mallos. einen Gesandten des pergamenischen Königs Malus,
der in Rom durch einen Beinbruch zurückgehalten worden war, nach Rom
verpflanzt worden sein. Aber das Unterrichtswesen blieb immer noch mangel¬
haft und dürftig, bis endlich das politisch unterjochte Hellas seinen geistigen
Eroberungszug nach Westen begann. Da wuchs auch schnell die Zahl der
Anstalten, und nach Suctons Zeugniß soll es damals zuweilen über zwanzig
renonunirte Schulen in Rom gegeben haben. Auch der griechische Pädagog
erscheint nun und zwar zuerst, wie bei den Griechen, als Führer und Be¬
schützer der Knaben. Außer ihm begleiteten aber auch ein oder mehrere
Sklaven die vornehmeren Schüler auf der Straße, die Schulutensilien tragend,
während die ärmeren Jungen, wie selbst die Söhne wichtig thuender Haupt¬
leute zu Venusia. dem Geburtsorte des Horaz. dahin trollten „links am Arme
die Kapseln gehängt und die ziffernden Täflein." Augustus räumte bei öffent¬
lichen Schauspielen den Knaben eine besondere Reihe von Sitzen ein und
überließ die nächstfolgende den Pädagogen derselben. Die begleitenden Skla¬
ven blieben, wie es scheint, auch während des Unterrichts in der Nähe ihrer
Zöglinge; denn wie hätte es sonst zugehen sollen, daß der eingebildete Gramma¬
tiker Nhemmius Palämon in Vicenza als Sklave und Kapsclträger mehr ler¬
nen konnte, als sein kleiner bornirter Herr? Obgleich aber Cicero die Päda¬
gogen mit den Ammen auf gleiche Stufe stellt, so gab es doch manche, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/61>, abgerufen am 23.07.2024.