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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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nach her Verurtheilung der Söhne" vom Könige selber gegeben worden, so
s^de deshalb doch der Künstler nicht weniger ganz und mit vollem Bewußtsein
auf dem Boden der Revolution. Auch in der Politik, wie den sittlichen Zu¬
ständen machte sich das Herannahen der neuen Zeit in ahnungsvollem Wehen
schon baun fühlbar, als der König noch zu Versailles die alte Macht zu habe"
schien; auch die gewaltsamste Umkehr erfolgt nicht, ohne durch einzelne Vor¬
boten sich angekündigt zu haben. Was mit einem Zauberschlag auf einmal
da zu sein scheint, ist dennoch in stillem Reifen groß geworden, und nur die
letzte Hülle springt mit erschütterndem Schlag. Ludwig der Sechzehnte merkte
die neue Strömung wohl und er dachte ihrer Herr zu werden, wenn er sich
von ihr freiwillig eine Strecke weit mitziehen ließ. Das Gemälde des Bru¬
tus war nichts als ein Zugeständniß an die lauter sich erhebende öffentliche
Meinung, die sich gegen den bisherigen Lauf der Dinge erklärte. Aber von
jeher sind die Zugeständnisse der ausgelebten Macht an die frisch sich regende,
mir neuen Bedürfnissen heranwachsende Kraft fruchtlos gewesen, und so nützte
auch dem Könige die republikanische Bestellung nicht einmal dem Maler ge¬
genüber: David stimmte als Mitglied des Konvents ebenfalls für die Hin¬
richtung Ludwigs des Sechzehnten.

Die innere Verwandtschaft, welche zwischen der neuen Bewegung in der
Malerei und der politischen Revolution besteht, und die Wechselwirkung zwi¬
schen der Kunst und den Sitten ist nicht zu verkennen. Die rücksichtslose
Schneide, mit der die Revolution jeden Zusammenhang mit der geschichtlichen
Vergangenheit rundweg und gewaltsam zerriß, um sich aus den Boden des
abstracten Rechtes zu stelle", zeigt sich in ähnlicher Weise in der Malerei.
Die ganze echt malerische Kunstentwicklung. welche zwischen der antiken For¬
menwelt und dem neuen Verfall liegt, wird von David und seiner Schule
absichtlich bei Seite gesetzt. Wie den Männern des Convents und Directo-
riums die römische Bürgertugend als das höchste Ideal erschien, zu dem die
Menschheit um jeden Preis und auf dem geradesten Wege zurückkehren müsst-
so erhielten die ersten epochemachenden Bilder Davids ebensowol von diesem
politischen Pathos, als von der römischen Anschauung der Form ihren Cha¬
rakter und ihre Bedeutung. Wie die Revolution mit der Aufhebung des
Lehnsystems auch die staatliche Fortbildung mit scharfem Hieb abschnitt, so
trennte sich ihrerseits die Malerei mit der Aufhebung der Akademie zugleich
von der vorangegangenen Kunst. Beide erklärten sich gleich entschieden gegen
die Welt des Mittelalters und das Reich der christlichen Mythe. Für beide
gab es keinen christlichen Gott und keine Heiligen mehr, und schon darin zeigt
sich David als den Begründer der neuen Epoche, daß er im Princip der reli¬
giösen Kunst ein für allemal ein Ende machte. Aber ebenso wenig war es
dem Zeitalter gegeben, in die heißen Verwicklungen des Lebens und der Ge-


nach her Verurtheilung der Söhne" vom Könige selber gegeben worden, so
s^de deshalb doch der Künstler nicht weniger ganz und mit vollem Bewußtsein
auf dem Boden der Revolution. Auch in der Politik, wie den sittlichen Zu¬
ständen machte sich das Herannahen der neuen Zeit in ahnungsvollem Wehen
schon baun fühlbar, als der König noch zu Versailles die alte Macht zu habe»
schien; auch die gewaltsamste Umkehr erfolgt nicht, ohne durch einzelne Vor¬
boten sich angekündigt zu haben. Was mit einem Zauberschlag auf einmal
da zu sein scheint, ist dennoch in stillem Reifen groß geworden, und nur die
letzte Hülle springt mit erschütterndem Schlag. Ludwig der Sechzehnte merkte
die neue Strömung wohl und er dachte ihrer Herr zu werden, wenn er sich
von ihr freiwillig eine Strecke weit mitziehen ließ. Das Gemälde des Bru¬
tus war nichts als ein Zugeständniß an die lauter sich erhebende öffentliche
Meinung, die sich gegen den bisherigen Lauf der Dinge erklärte. Aber von
jeher sind die Zugeständnisse der ausgelebten Macht an die frisch sich regende,
mir neuen Bedürfnissen heranwachsende Kraft fruchtlos gewesen, und so nützte
auch dem Könige die republikanische Bestellung nicht einmal dem Maler ge¬
genüber: David stimmte als Mitglied des Konvents ebenfalls für die Hin¬
richtung Ludwigs des Sechzehnten.

Die innere Verwandtschaft, welche zwischen der neuen Bewegung in der
Malerei und der politischen Revolution besteht, und die Wechselwirkung zwi¬
schen der Kunst und den Sitten ist nicht zu verkennen. Die rücksichtslose
Schneide, mit der die Revolution jeden Zusammenhang mit der geschichtlichen
Vergangenheit rundweg und gewaltsam zerriß, um sich aus den Boden des
abstracten Rechtes zu stelle», zeigt sich in ähnlicher Weise in der Malerei.
Die ganze echt malerische Kunstentwicklung. welche zwischen der antiken For¬
menwelt und dem neuen Verfall liegt, wird von David und seiner Schule
absichtlich bei Seite gesetzt. Wie den Männern des Convents und Directo-
riums die römische Bürgertugend als das höchste Ideal erschien, zu dem die
Menschheit um jeden Preis und auf dem geradesten Wege zurückkehren müsst-
so erhielten die ersten epochemachenden Bilder Davids ebensowol von diesem
politischen Pathos, als von der römischen Anschauung der Form ihren Cha¬
rakter und ihre Bedeutung. Wie die Revolution mit der Aufhebung des
Lehnsystems auch die staatliche Fortbildung mit scharfem Hieb abschnitt, so
trennte sich ihrerseits die Malerei mit der Aufhebung der Akademie zugleich
von der vorangegangenen Kunst. Beide erklärten sich gleich entschieden gegen
die Welt des Mittelalters und das Reich der christlichen Mythe. Für beide
gab es keinen christlichen Gott und keine Heiligen mehr, und schon darin zeigt
sich David als den Begründer der neuen Epoche, daß er im Princip der reli¬
giösen Kunst ein für allemal ein Ende machte. Aber ebenso wenig war es
dem Zeitalter gegeben, in die heißen Verwicklungen des Lebens und der Ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/506>, abgerufen am 23.12.2024.