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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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das Geheimniß einer Verschwörung von Edelleuten wird durch eine Curtisane
an den Rath der Zehn verkauft. Heiter und guter Dinge beim Gelag ver-
sammelt scherzen Männer und Frauen in verschiedenen Gruppen; im Vorder¬
grunde rechts öffnet ein Mann -- wol einer der Zehn -- einen Vorhang und
legt in die nach hinten gekehrte Hand der einen vom Beschauer abgewendeten
Curtisane den Beutel mit Geld! Ein buntes, nicht einmal harmonisches Ge¬
wirre von glänzenden Costümen in greller Beleuchtung: das ist so ziemlich
das ganze Bild. Auch ist nicht abzusehen, wie die Bedeutung des Vorgangs
in den Personen irgendwie zum Ausdruck kommen sollte. Aber auch die Dar¬
stellung eines einfach lustigen Beisammenseins konnte dem Künstler nicht ge¬
lingen, denn er hatte die historische Beziehung im Kopfe. Ein anderes Bild
des Malers, in welchem in ähnlicher Weise das Bild und die Idee des Vor¬
gangs auseinanderfallen, befindet sich im Luxemburg: leg sxi16s as ?idörs>
Die Verbannten, Männer, Kinder. Frauen, befinden sich in einem Schiffe auf
dem Meere und geben sich jeder in seiner Weise dem Schmerz und der Ver¬
zweiflung hin. Der Beschauer weiß nicht, was er aus dem Bilde machen
soll, und die Geschicklichkeit der Mache -- in diesem größer als in jenem -- ist
in beiden Fällen verloren. Eugen Giraud. ebenfalls ein Maler von Namen,
hat sich ein Motiv gewählt, dessen Bedeutung ebensowenig in die sichtbare
Erscheinung eingeht und dessen hohle Gedankcnhaftigkeit manchem Erzeugnisse
der jüngsten deutschen Kunst nichts nachgibt: Heinrich der Vierte läßt sich bei
der Belagerung von Paris von einem Mönch auf einen Thurm führen und
ruft beim Anblick der Stadt aus: Paris ist wol eine Messe werth." Der
König befindet sich mit dem Mönch auf der Treppe vor einer Lücke: in nach'
deutlicher Stellung schaut er hinaus. Die Haltung des Körpers, dieser selbst
sind ziemlich lebendig-, aber selbst wenn der Beschauer den anekdotenhaften
Einfall errathen könnte, würde es ihm gleichgiltig sein, wie Heinrich bei dem¬
selben wol ausgesehen hat. Der Kimstler Hütte besser gethan, bei den heitern
malerischen Scenen zu bleiben, die ihn bekannt gemacht haben; wenn auch
in dem Bilde des spanischen Tanzes, das sich im Luxemburg befindet, nickt
die geniale Leichtigkeit und Bewegung der schönen südlichen Lust ist, so hat
es -- freilich nicht frei von Manier -- bei guter Luftwirkung doch die Wärme
eines sinnlich erregten Lebens.*) -- Noch finden sich einige historische Genre¬
bilder von großem Maßstab aus der alten Welt, die letzten Nachklänge der



-) Der alte Schopin, dessen Modebcrühmtheit fich überlebt hat, hat Peter den Großen
als Sieger bei Pultawa dargestellt! der Held erscheint im Zeitcostüm, neben einer Kanone,
mit einem lächerlich theatralischen Ausdruck wilder Erhabenheit; außerdem eine helle, harte
und süßliche Susanna in echt orientalischem Costüm und Local. Die Bilder in der Manier
einer jetzt vergangenen Geschmacksrichtung, welche Geschichte aus der Leinwand heraus decla-
mirte, find nicht anzusehen.

das Geheimniß einer Verschwörung von Edelleuten wird durch eine Curtisane
an den Rath der Zehn verkauft. Heiter und guter Dinge beim Gelag ver-
sammelt scherzen Männer und Frauen in verschiedenen Gruppen; im Vorder¬
grunde rechts öffnet ein Mann — wol einer der Zehn — einen Vorhang und
legt in die nach hinten gekehrte Hand der einen vom Beschauer abgewendeten
Curtisane den Beutel mit Geld! Ein buntes, nicht einmal harmonisches Ge¬
wirre von glänzenden Costümen in greller Beleuchtung: das ist so ziemlich
das ganze Bild. Auch ist nicht abzusehen, wie die Bedeutung des Vorgangs
in den Personen irgendwie zum Ausdruck kommen sollte. Aber auch die Dar¬
stellung eines einfach lustigen Beisammenseins konnte dem Künstler nicht ge¬
lingen, denn er hatte die historische Beziehung im Kopfe. Ein anderes Bild
des Malers, in welchem in ähnlicher Weise das Bild und die Idee des Vor¬
gangs auseinanderfallen, befindet sich im Luxemburg: leg sxi16s as ?idörs>
Die Verbannten, Männer, Kinder. Frauen, befinden sich in einem Schiffe auf
dem Meere und geben sich jeder in seiner Weise dem Schmerz und der Ver¬
zweiflung hin. Der Beschauer weiß nicht, was er aus dem Bilde machen
soll, und die Geschicklichkeit der Mache — in diesem größer als in jenem — ist
in beiden Fällen verloren. Eugen Giraud. ebenfalls ein Maler von Namen,
hat sich ein Motiv gewählt, dessen Bedeutung ebensowenig in die sichtbare
Erscheinung eingeht und dessen hohle Gedankcnhaftigkeit manchem Erzeugnisse
der jüngsten deutschen Kunst nichts nachgibt: Heinrich der Vierte läßt sich bei
der Belagerung von Paris von einem Mönch auf einen Thurm führen und
ruft beim Anblick der Stadt aus: Paris ist wol eine Messe werth." Der
König befindet sich mit dem Mönch auf der Treppe vor einer Lücke: in nach'
deutlicher Stellung schaut er hinaus. Die Haltung des Körpers, dieser selbst
sind ziemlich lebendig-, aber selbst wenn der Beschauer den anekdotenhaften
Einfall errathen könnte, würde es ihm gleichgiltig sein, wie Heinrich bei dem¬
selben wol ausgesehen hat. Der Kimstler Hütte besser gethan, bei den heitern
malerischen Scenen zu bleiben, die ihn bekannt gemacht haben; wenn auch
in dem Bilde des spanischen Tanzes, das sich im Luxemburg befindet, nickt
die geniale Leichtigkeit und Bewegung der schönen südlichen Lust ist, so hat
es — freilich nicht frei von Manier — bei guter Luftwirkung doch die Wärme
eines sinnlich erregten Lebens.*) — Noch finden sich einige historische Genre¬
bilder von großem Maßstab aus der alten Welt, die letzten Nachklänge der



-) Der alte Schopin, dessen Modebcrühmtheit fich überlebt hat, hat Peter den Großen
als Sieger bei Pultawa dargestellt! der Held erscheint im Zeitcostüm, neben einer Kanone,
mit einem lächerlich theatralischen Ausdruck wilder Erhabenheit; außerdem eine helle, harte
und süßliche Susanna in echt orientalischem Costüm und Local. Die Bilder in der Manier
einer jetzt vergangenen Geschmacksrichtung, welche Geschichte aus der Leinwand heraus decla-
mirte, find nicht anzusehen.
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[0462] das Geheimniß einer Verschwörung von Edelleuten wird durch eine Curtisane an den Rath der Zehn verkauft. Heiter und guter Dinge beim Gelag ver- sammelt scherzen Männer und Frauen in verschiedenen Gruppen; im Vorder¬ grunde rechts öffnet ein Mann — wol einer der Zehn — einen Vorhang und legt in die nach hinten gekehrte Hand der einen vom Beschauer abgewendeten Curtisane den Beutel mit Geld! Ein buntes, nicht einmal harmonisches Ge¬ wirre von glänzenden Costümen in greller Beleuchtung: das ist so ziemlich das ganze Bild. Auch ist nicht abzusehen, wie die Bedeutung des Vorgangs in den Personen irgendwie zum Ausdruck kommen sollte. Aber auch die Dar¬ stellung eines einfach lustigen Beisammenseins konnte dem Künstler nicht ge¬ lingen, denn er hatte die historische Beziehung im Kopfe. Ein anderes Bild des Malers, in welchem in ähnlicher Weise das Bild und die Idee des Vor¬ gangs auseinanderfallen, befindet sich im Luxemburg: leg sxi16s as ?idörs> Die Verbannten, Männer, Kinder. Frauen, befinden sich in einem Schiffe auf dem Meere und geben sich jeder in seiner Weise dem Schmerz und der Ver¬ zweiflung hin. Der Beschauer weiß nicht, was er aus dem Bilde machen soll, und die Geschicklichkeit der Mache — in diesem größer als in jenem — ist in beiden Fällen verloren. Eugen Giraud. ebenfalls ein Maler von Namen, hat sich ein Motiv gewählt, dessen Bedeutung ebensowenig in die sichtbare Erscheinung eingeht und dessen hohle Gedankcnhaftigkeit manchem Erzeugnisse der jüngsten deutschen Kunst nichts nachgibt: Heinrich der Vierte läßt sich bei der Belagerung von Paris von einem Mönch auf einen Thurm führen und ruft beim Anblick der Stadt aus: Paris ist wol eine Messe werth." Der König befindet sich mit dem Mönch auf der Treppe vor einer Lücke: in nach' deutlicher Stellung schaut er hinaus. Die Haltung des Körpers, dieser selbst sind ziemlich lebendig-, aber selbst wenn der Beschauer den anekdotenhaften Einfall errathen könnte, würde es ihm gleichgiltig sein, wie Heinrich bei dem¬ selben wol ausgesehen hat. Der Kimstler Hütte besser gethan, bei den heitern malerischen Scenen zu bleiben, die ihn bekannt gemacht haben; wenn auch in dem Bilde des spanischen Tanzes, das sich im Luxemburg befindet, nickt die geniale Leichtigkeit und Bewegung der schönen südlichen Lust ist, so hat es — freilich nicht frei von Manier — bei guter Luftwirkung doch die Wärme eines sinnlich erregten Lebens.*) — Noch finden sich einige historische Genre¬ bilder von großem Maßstab aus der alten Welt, die letzten Nachklänge der -) Der alte Schopin, dessen Modebcrühmtheit fich überlebt hat, hat Peter den Großen als Sieger bei Pultawa dargestellt! der Held erscheint im Zeitcostüm, neben einer Kanone, mit einem lächerlich theatralischen Ausdruck wilder Erhabenheit; außerdem eine helle, harte und süßliche Susanna in echt orientalischem Costüm und Local. Die Bilder in der Manier einer jetzt vergangenen Geschmacksrichtung, welche Geschichte aus der Leinwand heraus decla- mirte, find nicht anzusehen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/462>, abgerufen am 23.12.2024.