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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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ganze Eindringen der Jesuiten, die Gründung ihrer Anstalt und deren Fort¬
entwicklung auf einer Reihe von Rechtsbrüchen basirte, wird nicht geleugnet,
wenn gleich nicht geradezu eingestanden; und man kann es kaum eine Be¬
schönigung nennen, wenn der Verfasser mit Beziehung hierauf (S. 62) sagt:
"Die Jesuiten yerstanden auch die Bedeutung der Thatsachen, welche heut¬
zutage zwar über das historische Recht und über das christliche Sittengesetz
erhoben und gestellt wird, aber in ihrer Berechtigung und Wichtigkeit für den
Sieg des Guten viel zu wenig erkannt und geltend gemacht wird", obwol es
nicht ganz leicht ist, den letzteren Zusatz unverfänglich zu deuten. S. 21 sagt
der Verfasser: "der Grund (nämlich des Schreckens, welchen die Stadt Breslau
bei der ersten Kunde von der beabsichtigten Gründung der Jesuitenuniversität
erfüllte) ist zuerst zu suchen in dem Begriffe, welchen die Breslauer von der
Mission und der Absicht der Jesuiten in Schlesien und insbesondere in ihrer
Stadt hatten." Dies sieht doch aus, als ob die Breslauer einen unrichtigen
oder nur halb richtigen Begriff davon gehabt hätten, und doch gibt der Ver¬
fasser gleich darauf in den klarsten Worten zu. daß jene Gründung als Haupt¬
zweck die Ausrottung der protestantischen Lehre gehabt habe. Der unver¬
kennbar spöttische Ton, mit welchem der Versasser hierbei von der Opposition
der Breslauer spricht, deren Berechtigung von ihrem Standpunkte aus er
S. 21 zugesteht, scheint demnach wenig motivirt und man weiß kaum, was
es heißen soll, wenn er den ganzen Abschnitt mit den Worten schließt: "die
Universität war gegründet dem ganzen Lande und der Stadt insbesondere zur
außerordentlichen Zierde; die Stadt erbebte vor dieser Zierde, aber die Häuser
stürzten nicht ein. die Menschen blieben nicht todt, der Handel und Wandel
hörte nicht auf; sondern die Stadt fuhr fort zu wachsen und zu blühen
doch ohne durch Ausbreiten ihrer Handelszweige in den Himmel hinein ZU
wachsen." Ja dafür war gesorgt unter einer Regierung, wie die Habsbur¬
gische war. Aber sieht es nicht aus. als freute sich der Verfasser darüber,
daß die Stadt in jener Zeit nicht mehr so prosperirte wie früher? Und wes¬
halb? Doch wohl aus keinem andern Grunde, als weil es eine protestantische
Stadt war, weil der wachsende Wohlstand die Herzen noch hätte verstockter
machen können gegenüber den Anstrengungen der Jesuiten zur Wiedererweckung
des seligmachenden Glaubens?

Sehen wir so in dem ganzen ersten Theile des vorliegenden Werkes den
Verfasser Partei nehmen für die Jesuiten, so muß es uns nun um so mehr
überraschen, wenn er dann in dem zweiten Theile die Wirksamkeit der neu
gegründeten Anstalt einer scharfen Kritik unterzieht, durch welche er im Wesent¬
lichen ganz zu derselben Anschauung kommt, welche bisher ziemlich allgemein
geltend war. Der Verfasser führt selbst (S. 54) das Wort eines Hochgestell'
ten Mannes am Hofe Kaiser Leopold's an, der sich bei der Gründung der


ganze Eindringen der Jesuiten, die Gründung ihrer Anstalt und deren Fort¬
entwicklung auf einer Reihe von Rechtsbrüchen basirte, wird nicht geleugnet,
wenn gleich nicht geradezu eingestanden; und man kann es kaum eine Be¬
schönigung nennen, wenn der Verfasser mit Beziehung hierauf (S. 62) sagt:
„Die Jesuiten yerstanden auch die Bedeutung der Thatsachen, welche heut¬
zutage zwar über das historische Recht und über das christliche Sittengesetz
erhoben und gestellt wird, aber in ihrer Berechtigung und Wichtigkeit für den
Sieg des Guten viel zu wenig erkannt und geltend gemacht wird", obwol es
nicht ganz leicht ist, den letzteren Zusatz unverfänglich zu deuten. S. 21 sagt
der Verfasser: „der Grund (nämlich des Schreckens, welchen die Stadt Breslau
bei der ersten Kunde von der beabsichtigten Gründung der Jesuitenuniversität
erfüllte) ist zuerst zu suchen in dem Begriffe, welchen die Breslauer von der
Mission und der Absicht der Jesuiten in Schlesien und insbesondere in ihrer
Stadt hatten." Dies sieht doch aus, als ob die Breslauer einen unrichtigen
oder nur halb richtigen Begriff davon gehabt hätten, und doch gibt der Ver¬
fasser gleich darauf in den klarsten Worten zu. daß jene Gründung als Haupt¬
zweck die Ausrottung der protestantischen Lehre gehabt habe. Der unver¬
kennbar spöttische Ton, mit welchem der Versasser hierbei von der Opposition
der Breslauer spricht, deren Berechtigung von ihrem Standpunkte aus er
S. 21 zugesteht, scheint demnach wenig motivirt und man weiß kaum, was
es heißen soll, wenn er den ganzen Abschnitt mit den Worten schließt: „die
Universität war gegründet dem ganzen Lande und der Stadt insbesondere zur
außerordentlichen Zierde; die Stadt erbebte vor dieser Zierde, aber die Häuser
stürzten nicht ein. die Menschen blieben nicht todt, der Handel und Wandel
hörte nicht auf; sondern die Stadt fuhr fort zu wachsen und zu blühen
doch ohne durch Ausbreiten ihrer Handelszweige in den Himmel hinein ZU
wachsen." Ja dafür war gesorgt unter einer Regierung, wie die Habsbur¬
gische war. Aber sieht es nicht aus. als freute sich der Verfasser darüber,
daß die Stadt in jener Zeit nicht mehr so prosperirte wie früher? Und wes¬
halb? Doch wohl aus keinem andern Grunde, als weil es eine protestantische
Stadt war, weil der wachsende Wohlstand die Herzen noch hätte verstockter
machen können gegenüber den Anstrengungen der Jesuiten zur Wiedererweckung
des seligmachenden Glaubens?

Sehen wir so in dem ganzen ersten Theile des vorliegenden Werkes den
Verfasser Partei nehmen für die Jesuiten, so muß es uns nun um so mehr
überraschen, wenn er dann in dem zweiten Theile die Wirksamkeit der neu
gegründeten Anstalt einer scharfen Kritik unterzieht, durch welche er im Wesent¬
lichen ganz zu derselben Anschauung kommt, welche bisher ziemlich allgemein
geltend war. Der Verfasser führt selbst (S. 54) das Wort eines Hochgestell'
ten Mannes am Hofe Kaiser Leopold's an, der sich bei der Gründung der


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[0454] ganze Eindringen der Jesuiten, die Gründung ihrer Anstalt und deren Fort¬ entwicklung auf einer Reihe von Rechtsbrüchen basirte, wird nicht geleugnet, wenn gleich nicht geradezu eingestanden; und man kann es kaum eine Be¬ schönigung nennen, wenn der Verfasser mit Beziehung hierauf (S. 62) sagt: „Die Jesuiten yerstanden auch die Bedeutung der Thatsachen, welche heut¬ zutage zwar über das historische Recht und über das christliche Sittengesetz erhoben und gestellt wird, aber in ihrer Berechtigung und Wichtigkeit für den Sieg des Guten viel zu wenig erkannt und geltend gemacht wird", obwol es nicht ganz leicht ist, den letzteren Zusatz unverfänglich zu deuten. S. 21 sagt der Verfasser: „der Grund (nämlich des Schreckens, welchen die Stadt Breslau bei der ersten Kunde von der beabsichtigten Gründung der Jesuitenuniversität erfüllte) ist zuerst zu suchen in dem Begriffe, welchen die Breslauer von der Mission und der Absicht der Jesuiten in Schlesien und insbesondere in ihrer Stadt hatten." Dies sieht doch aus, als ob die Breslauer einen unrichtigen oder nur halb richtigen Begriff davon gehabt hätten, und doch gibt der Ver¬ fasser gleich darauf in den klarsten Worten zu. daß jene Gründung als Haupt¬ zweck die Ausrottung der protestantischen Lehre gehabt habe. Der unver¬ kennbar spöttische Ton, mit welchem der Versasser hierbei von der Opposition der Breslauer spricht, deren Berechtigung von ihrem Standpunkte aus er S. 21 zugesteht, scheint demnach wenig motivirt und man weiß kaum, was es heißen soll, wenn er den ganzen Abschnitt mit den Worten schließt: „die Universität war gegründet dem ganzen Lande und der Stadt insbesondere zur außerordentlichen Zierde; die Stadt erbebte vor dieser Zierde, aber die Häuser stürzten nicht ein. die Menschen blieben nicht todt, der Handel und Wandel hörte nicht auf; sondern die Stadt fuhr fort zu wachsen und zu blühen doch ohne durch Ausbreiten ihrer Handelszweige in den Himmel hinein ZU wachsen." Ja dafür war gesorgt unter einer Regierung, wie die Habsbur¬ gische war. Aber sieht es nicht aus. als freute sich der Verfasser darüber, daß die Stadt in jener Zeit nicht mehr so prosperirte wie früher? Und wes¬ halb? Doch wohl aus keinem andern Grunde, als weil es eine protestantische Stadt war, weil der wachsende Wohlstand die Herzen noch hätte verstockter machen können gegenüber den Anstrengungen der Jesuiten zur Wiedererweckung des seligmachenden Glaubens? Sehen wir so in dem ganzen ersten Theile des vorliegenden Werkes den Verfasser Partei nehmen für die Jesuiten, so muß es uns nun um so mehr überraschen, wenn er dann in dem zweiten Theile die Wirksamkeit der neu gegründeten Anstalt einer scharfen Kritik unterzieht, durch welche er im Wesent¬ lichen ganz zu derselben Anschauung kommt, welche bisher ziemlich allgemein geltend war. Der Verfasser führt selbst (S. 54) das Wort eines Hochgestell' ten Mannes am Hofe Kaiser Leopold's an, der sich bei der Gründung der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/454>, abgerufen am 22.07.2024.