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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Wie bei den Germanen jede Heirath zwischen Freien und Unfreien. so
war den Cagots jede Verbindung mit der reinen Race auss Strengste unter¬
sagt. Da nun außerdem noch in jeder Gemeinde Listen über Namen und
Wohnung der einzelnen Cagots geführt wurden, so hatte dies unglückliche
Volk keine Aussicht sich mit der übrigen Bevölkerung vermischen zu können.
Fand eine Eagothoehzeit statt, so ward das junge Paar durch allerlei Spott¬
gedichte verhöhnt. Aber obgleich es auch unter den Cagots Dichter gab.
deren Romanzen noch jetzt in der Bretagne im Munde Vieler leben, so ver¬
suchten sie doch nie Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Eine liebreiche
Sinnesart und ein gewisses poetisches Talent waren ihnen eigen, und nur
diese Eigenschaften, in Verbindung mit ihrer Geschicklichkeit in mechanischen
Arbeiten, konnten ihnen ihr trauriges Loos einigermaßen erträglich machen.

Um ihre Lage in irgend etwas zu erleichtern, thaten sie einen Schritt,
der leider die gehoffte Wirkung verfehlte. Sie wandten sich nämlich mit der
Bitte um Schutz durch die Gesetze an die Behörden und erlangten diesen auch
gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Doch der einmal so tief einge¬
wurzelte Widerwille war mächtiger als das Gesetz, und dieses hatte nur zur
Folge, daß sich jener Abscheu immer mehr steigerte und nach und nach bis
zum wüthendsten Hasse heranwuchs. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhun¬
derts beschwerten sich die Cagots von Navarra beim Papste: daß sie von
der menschlichen Gesellschaft ausgestoße" und von der Kirche verflucht seien,
aus dem einzigen Grunde, weil ihre Vorfahren einem gewissen Grafen Robert
von Toulouse in seiner Empörung gegen den heiligen Stuhl Beistand geleistet,
und baten den heiligen Vater die Sünden der Väter nicht auf sie überzutragen.
In einer Bulle vom 13. Mai 1515 bestimmte dieser, daß sie gut behandelt
und ihnen dieselben Vorrechte wie dem übrigen Volke eingeräumt werden
sollten. Die Ausführung dieser Bulle übertrug er dem Bischof Don Juan de
Santa Maria von Pampelunn, der sich jedoch damit nicht allzusehr beeilte.
Ungeduldig über eine so lange Verzögerung beschlossen die Cagots bei einer
weltlichen Macht Hilfe zu suchen, und wandten sich demgemäß mit ihrer Bitte
°" die Cortes von Navarra. Sie wurden abschläglich beschicken. Die fa-
wosen Argumente dieses Beschlusses wäre" folgende: die Borfahren der Cagots
hätten nie etwas mit Robert. Grasen von Toulouse, oder einer dergleichen
ritterlichen Person zu thun gehabt; dagegen seien sie in Wirklichkeit Nachkommen
Gchasi's, des Propheten Elisa Dieners, der von seinem Herrn, wegen seines
Bönigs an dem syrischen Feldhauptmann Naemann. verflucht und mit seiner
K""zen Nachkommenschaft für ewig in.t dein Aussatze belegt worden sei
lU- Buch der Könige. Cap. 5). Daher rühre auch der Name, denn Cagots
entstanden aus, Gahets. Gahets aus Gehasitcs. Behaupte aber Jemand. -
die Cagots jetzt nicht mehr mit dem Aussatze behaftet seien, so müsse


Wie bei den Germanen jede Heirath zwischen Freien und Unfreien. so
war den Cagots jede Verbindung mit der reinen Race auss Strengste unter¬
sagt. Da nun außerdem noch in jeder Gemeinde Listen über Namen und
Wohnung der einzelnen Cagots geführt wurden, so hatte dies unglückliche
Volk keine Aussicht sich mit der übrigen Bevölkerung vermischen zu können.
Fand eine Eagothoehzeit statt, so ward das junge Paar durch allerlei Spott¬
gedichte verhöhnt. Aber obgleich es auch unter den Cagots Dichter gab.
deren Romanzen noch jetzt in der Bretagne im Munde Vieler leben, so ver¬
suchten sie doch nie Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Eine liebreiche
Sinnesart und ein gewisses poetisches Talent waren ihnen eigen, und nur
diese Eigenschaften, in Verbindung mit ihrer Geschicklichkeit in mechanischen
Arbeiten, konnten ihnen ihr trauriges Loos einigermaßen erträglich machen.

Um ihre Lage in irgend etwas zu erleichtern, thaten sie einen Schritt,
der leider die gehoffte Wirkung verfehlte. Sie wandten sich nämlich mit der
Bitte um Schutz durch die Gesetze an die Behörden und erlangten diesen auch
gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Doch der einmal so tief einge¬
wurzelte Widerwille war mächtiger als das Gesetz, und dieses hatte nur zur
Folge, daß sich jener Abscheu immer mehr steigerte und nach und nach bis
zum wüthendsten Hasse heranwuchs. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhun¬
derts beschwerten sich die Cagots von Navarra beim Papste: daß sie von
der menschlichen Gesellschaft ausgestoße» und von der Kirche verflucht seien,
aus dem einzigen Grunde, weil ihre Vorfahren einem gewissen Grafen Robert
von Toulouse in seiner Empörung gegen den heiligen Stuhl Beistand geleistet,
und baten den heiligen Vater die Sünden der Väter nicht auf sie überzutragen.
In einer Bulle vom 13. Mai 1515 bestimmte dieser, daß sie gut behandelt
und ihnen dieselben Vorrechte wie dem übrigen Volke eingeräumt werden
sollten. Die Ausführung dieser Bulle übertrug er dem Bischof Don Juan de
Santa Maria von Pampelunn, der sich jedoch damit nicht allzusehr beeilte.
Ungeduldig über eine so lange Verzögerung beschlossen die Cagots bei einer
weltlichen Macht Hilfe zu suchen, und wandten sich demgemäß mit ihrer Bitte
°" die Cortes von Navarra. Sie wurden abschläglich beschicken. Die fa-
wosen Argumente dieses Beschlusses wäre» folgende: die Borfahren der Cagots
hätten nie etwas mit Robert. Grasen von Toulouse, oder einer dergleichen
ritterlichen Person zu thun gehabt; dagegen seien sie in Wirklichkeit Nachkommen
Gchasi's, des Propheten Elisa Dieners, der von seinem Herrn, wegen seines
Bönigs an dem syrischen Feldhauptmann Naemann. verflucht und mit seiner
K""zen Nachkommenschaft für ewig in.t dein Aussatze belegt worden sei
lU- Buch der Könige. Cap. 5). Daher rühre auch der Name, denn Cagots
entstanden aus, Gahets. Gahets aus Gehasitcs. Behaupte aber Jemand. -
die Cagots jetzt nicht mehr mit dem Aussatze behaftet seien, so müsse


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[0407] Wie bei den Germanen jede Heirath zwischen Freien und Unfreien. so war den Cagots jede Verbindung mit der reinen Race auss Strengste unter¬ sagt. Da nun außerdem noch in jeder Gemeinde Listen über Namen und Wohnung der einzelnen Cagots geführt wurden, so hatte dies unglückliche Volk keine Aussicht sich mit der übrigen Bevölkerung vermischen zu können. Fand eine Eagothoehzeit statt, so ward das junge Paar durch allerlei Spott¬ gedichte verhöhnt. Aber obgleich es auch unter den Cagots Dichter gab. deren Romanzen noch jetzt in der Bretagne im Munde Vieler leben, so ver¬ suchten sie doch nie Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Eine liebreiche Sinnesart und ein gewisses poetisches Talent waren ihnen eigen, und nur diese Eigenschaften, in Verbindung mit ihrer Geschicklichkeit in mechanischen Arbeiten, konnten ihnen ihr trauriges Loos einigermaßen erträglich machen. Um ihre Lage in irgend etwas zu erleichtern, thaten sie einen Schritt, der leider die gehoffte Wirkung verfehlte. Sie wandten sich nämlich mit der Bitte um Schutz durch die Gesetze an die Behörden und erlangten diesen auch gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Doch der einmal so tief einge¬ wurzelte Widerwille war mächtiger als das Gesetz, und dieses hatte nur zur Folge, daß sich jener Abscheu immer mehr steigerte und nach und nach bis zum wüthendsten Hasse heranwuchs. Zu Anfang des sechzehnten Jahrhun¬ derts beschwerten sich die Cagots von Navarra beim Papste: daß sie von der menschlichen Gesellschaft ausgestoße» und von der Kirche verflucht seien, aus dem einzigen Grunde, weil ihre Vorfahren einem gewissen Grafen Robert von Toulouse in seiner Empörung gegen den heiligen Stuhl Beistand geleistet, und baten den heiligen Vater die Sünden der Väter nicht auf sie überzutragen. In einer Bulle vom 13. Mai 1515 bestimmte dieser, daß sie gut behandelt und ihnen dieselben Vorrechte wie dem übrigen Volke eingeräumt werden sollten. Die Ausführung dieser Bulle übertrug er dem Bischof Don Juan de Santa Maria von Pampelunn, der sich jedoch damit nicht allzusehr beeilte. Ungeduldig über eine so lange Verzögerung beschlossen die Cagots bei einer weltlichen Macht Hilfe zu suchen, und wandten sich demgemäß mit ihrer Bitte °" die Cortes von Navarra. Sie wurden abschläglich beschicken. Die fa- wosen Argumente dieses Beschlusses wäre» folgende: die Borfahren der Cagots hätten nie etwas mit Robert. Grasen von Toulouse, oder einer dergleichen ritterlichen Person zu thun gehabt; dagegen seien sie in Wirklichkeit Nachkommen Gchasi's, des Propheten Elisa Dieners, der von seinem Herrn, wegen seines Bönigs an dem syrischen Feldhauptmann Naemann. verflucht und mit seiner K""zen Nachkommenschaft für ewig in.t dein Aussatze belegt worden sei lU- Buch der Könige. Cap. 5). Daher rühre auch der Name, denn Cagots entstanden aus, Gahets. Gahets aus Gehasitcs. Behaupte aber Jemand. - die Cagots jetzt nicht mehr mit dem Aussatze behaftet seien, so müsse

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/407>, abgerufen am 22.12.2024.