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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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nauigkeit des Inhalts geopfert, daß der Leser von derjenigen Befriedigung
erfüllt wird, welche die Harmonie von Form und Gehalt bei Kunstwerken
hervorzubringen geeignet ist.

Wenden wir uns nach dieser allgemeinen Schilderung des Eindrucks, den
Bungener's Schriften machen, zur Charakterisirung der einzelnen, wobei uns
noch manche Gelegenheit geboten werden wird, einzelne Vorzüge und Eigen-
thümlichkeiten dieses bedeutenden Schriftstellers hervorzuheben.

Hu Sermon sous I.ouis XIV ist vielleicht dasjenige von Bungener's Bü¬
chern, welches das größere Publicum am wenigsten anziehen dürfte, da es sich
"roßentheils mit theologischen und sogar speciell homiletischen Fragen beschäf¬
tigt. Aber für den eingehenderen Beobachter ist die Art. wie FSnelon. Bour-
daloue und Bossuet. diese hellstrahlenden Lichter am Himmel der französischen
geistlichen Beredsamkeit, vorgeführt, in Handlung gesetzt und charakterisirt wer-
den. von tiefstem Interesse. Ueber Bossuet macht der Verfasser eine anziehende
Bemerkung: früher und bei seinen Lebzeiten habe man in ihm mehr Bossuet
eoutroversiste, eruäit, avocat, an Mllieanisme, x^g l'eßlise gefeiert.
Eine dieser Glanzseiten seines Rufs nach der andern sei von der veränderten
Zeitströmung verdunkelt worden, sein Ruf habe die wunderlichsten Schwankungen
"litten, bis endlich definitiv die Specialität rednerischen Rufes an seinen Namen
geknüpft wurde. Li 1's.uteur reveu-ut an nouae yue as reüexious ne terair,-
it ML en voz^ut. sa röxutÄtion tora6s ä peu pres en entier sur os qui
v'in etait Mais qu'un le^er aeeessoii-e. Sehr hübsch sind die niedlichen
Genrebilder, welche den Anhang des Buchs bilden: veux soirees a 1'Hotel
Kamdouillet. In der ersten tritt Bossuet als ganz junger Ubbo mit einer
"ber eine" ihm gegebenen Text extemporirten Predigt auf und gewinnt den
Beifall dieses tonangebenden Geschmacksbureau's. erregt aber auch den Neid
des armen Colin. den jeder von uns aus Boileau kennt. Um den jungen Ri¬
llen zu verdunkeln, versucht er in der zweiten Soiree dasselbe oder Höheres zu
Listen, macht aber glänzend Fiasco.

Von allgemeinsten und dramatisch spannendstem Interesse sind die Irois
^rmons sous I^ouis XV. In der Hauptsache enthält das Buch eine Dar-
^llung der Verhältnisse und Verfolgungen der Protestanten in den Cevennen
unter Ludwig dem Fünfzehnten also einen Stoff, von dem auch Tieck einen Theil
seiner Weise bearbeitet hat. Bei Bungener, der natürlich mit aller Entschie¬
denheit einer wahrenUeberzeugung auf Seite der Verfolgten steht, ohne doch gegen
d'e Gegner ungerecht zu werden, spielen die Hauptrollen in dem von ihm uns
^geführten lebensvollen Gemälde Bridaine. der echt christliche Missionair
Katholicismus, und Rabaut. der Prediger und Patriarch der Protestanten
^ Vssei-t (so nannten sie selbst ihre Wohnsitze und Versammlungsplätze in
°°n Cevennen). Daneben spielen die kirchlichen und theologischen Richtungen


nauigkeit des Inhalts geopfert, daß der Leser von derjenigen Befriedigung
erfüllt wird, welche die Harmonie von Form und Gehalt bei Kunstwerken
hervorzubringen geeignet ist.

Wenden wir uns nach dieser allgemeinen Schilderung des Eindrucks, den
Bungener's Schriften machen, zur Charakterisirung der einzelnen, wobei uns
noch manche Gelegenheit geboten werden wird, einzelne Vorzüge und Eigen-
thümlichkeiten dieses bedeutenden Schriftstellers hervorzuheben.

Hu Sermon sous I.ouis XIV ist vielleicht dasjenige von Bungener's Bü¬
chern, welches das größere Publicum am wenigsten anziehen dürfte, da es sich
»roßentheils mit theologischen und sogar speciell homiletischen Fragen beschäf¬
tigt. Aber für den eingehenderen Beobachter ist die Art. wie FSnelon. Bour-
daloue und Bossuet. diese hellstrahlenden Lichter am Himmel der französischen
geistlichen Beredsamkeit, vorgeführt, in Handlung gesetzt und charakterisirt wer-
den. von tiefstem Interesse. Ueber Bossuet macht der Verfasser eine anziehende
Bemerkung: früher und bei seinen Lebzeiten habe man in ihm mehr Bossuet
eoutroversiste, eruäit, avocat, an Mllieanisme, x^g l'eßlise gefeiert.
Eine dieser Glanzseiten seines Rufs nach der andern sei von der veränderten
Zeitströmung verdunkelt worden, sein Ruf habe die wunderlichsten Schwankungen
«litten, bis endlich definitiv die Specialität rednerischen Rufes an seinen Namen
geknüpft wurde. Li 1's.uteur reveu-ut an nouae yue as reüexious ne terair,-
it ML en voz^ut. sa röxutÄtion tora6s ä peu pres en entier sur os qui
v'in etait Mais qu'un le^er aeeessoii-e. Sehr hübsch sind die niedlichen
Genrebilder, welche den Anhang des Buchs bilden: veux soirees a 1'Hotel
Kamdouillet. In der ersten tritt Bossuet als ganz junger Ubbo mit einer
"ber eine» ihm gegebenen Text extemporirten Predigt auf und gewinnt den
Beifall dieses tonangebenden Geschmacksbureau's. erregt aber auch den Neid
des armen Colin. den jeder von uns aus Boileau kennt. Um den jungen Ri¬
llen zu verdunkeln, versucht er in der zweiten Soiree dasselbe oder Höheres zu
Listen, macht aber glänzend Fiasco.

Von allgemeinsten und dramatisch spannendstem Interesse sind die Irois
^rmons sous I^ouis XV. In der Hauptsache enthält das Buch eine Dar-
^llung der Verhältnisse und Verfolgungen der Protestanten in den Cevennen
unter Ludwig dem Fünfzehnten also einen Stoff, von dem auch Tieck einen Theil
seiner Weise bearbeitet hat. Bei Bungener, der natürlich mit aller Entschie¬
denheit einer wahrenUeberzeugung auf Seite der Verfolgten steht, ohne doch gegen
d'e Gegner ungerecht zu werden, spielen die Hauptrollen in dem von ihm uns
^geführten lebensvollen Gemälde Bridaine. der echt christliche Missionair
Katholicismus, und Rabaut. der Prediger und Patriarch der Protestanten
^ Vssei-t (so nannten sie selbst ihre Wohnsitze und Versammlungsplätze in
°°n Cevennen). Daneben spielen die kirchlichen und theologischen Richtungen


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[0359] nauigkeit des Inhalts geopfert, daß der Leser von derjenigen Befriedigung erfüllt wird, welche die Harmonie von Form und Gehalt bei Kunstwerken hervorzubringen geeignet ist. Wenden wir uns nach dieser allgemeinen Schilderung des Eindrucks, den Bungener's Schriften machen, zur Charakterisirung der einzelnen, wobei uns noch manche Gelegenheit geboten werden wird, einzelne Vorzüge und Eigen- thümlichkeiten dieses bedeutenden Schriftstellers hervorzuheben. Hu Sermon sous I.ouis XIV ist vielleicht dasjenige von Bungener's Bü¬ chern, welches das größere Publicum am wenigsten anziehen dürfte, da es sich »roßentheils mit theologischen und sogar speciell homiletischen Fragen beschäf¬ tigt. Aber für den eingehenderen Beobachter ist die Art. wie FSnelon. Bour- daloue und Bossuet. diese hellstrahlenden Lichter am Himmel der französischen geistlichen Beredsamkeit, vorgeführt, in Handlung gesetzt und charakterisirt wer- den. von tiefstem Interesse. Ueber Bossuet macht der Verfasser eine anziehende Bemerkung: früher und bei seinen Lebzeiten habe man in ihm mehr Bossuet eoutroversiste, eruäit, avocat, an Mllieanisme, x^g l'eßlise gefeiert. Eine dieser Glanzseiten seines Rufs nach der andern sei von der veränderten Zeitströmung verdunkelt worden, sein Ruf habe die wunderlichsten Schwankungen «litten, bis endlich definitiv die Specialität rednerischen Rufes an seinen Namen geknüpft wurde. Li 1's.uteur reveu-ut an nouae yue as reüexious ne terair,- it ML en voz^ut. sa röxutÄtion tora6s ä peu pres en entier sur os qui v'in etait Mais qu'un le^er aeeessoii-e. Sehr hübsch sind die niedlichen Genrebilder, welche den Anhang des Buchs bilden: veux soirees a 1'Hotel Kamdouillet. In der ersten tritt Bossuet als ganz junger Ubbo mit einer "ber eine» ihm gegebenen Text extemporirten Predigt auf und gewinnt den Beifall dieses tonangebenden Geschmacksbureau's. erregt aber auch den Neid des armen Colin. den jeder von uns aus Boileau kennt. Um den jungen Ri¬ llen zu verdunkeln, versucht er in der zweiten Soiree dasselbe oder Höheres zu Listen, macht aber glänzend Fiasco. Von allgemeinsten und dramatisch spannendstem Interesse sind die Irois ^rmons sous I^ouis XV. In der Hauptsache enthält das Buch eine Dar- ^llung der Verhältnisse und Verfolgungen der Protestanten in den Cevennen unter Ludwig dem Fünfzehnten also einen Stoff, von dem auch Tieck einen Theil seiner Weise bearbeitet hat. Bei Bungener, der natürlich mit aller Entschie¬ denheit einer wahrenUeberzeugung auf Seite der Verfolgten steht, ohne doch gegen d'e Gegner ungerecht zu werden, spielen die Hauptrollen in dem von ihm uns ^geführten lebensvollen Gemälde Bridaine. der echt christliche Missionair Katholicismus, und Rabaut. der Prediger und Patriarch der Protestanten ^ Vssei-t (so nannten sie selbst ihre Wohnsitze und Versammlungsplätze in °°n Cevennen). Daneben spielen die kirchlichen und theologischen Richtungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/359>, abgerufen am 01.07.2024.