Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.Punkt ist es, der alle Parteiglicderungcn durchdringt und die Parteien immer Punkt ist es, der alle Parteiglicderungcn durchdringt und die Parteien immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112308"/> <p xml:id="ID_1093" prev="#ID_1092"> Punkt ist es, der alle Parteiglicderungcn durchdringt und die Parteien immer<lb/> mehr in die zwei großen Lager auflöst: national oder particularistisch. Wir<lb/> können uns in Sachsen dazu Glück wünschen, daß dieser Gegensatz sich so bald<lb/> schon klar vollzogen hat, daß dem Liberalismus immer dringender die Alter-<lb/> native gestellt wird, entweder sich von der Reaction wider Willen als Werk¬<lb/> zeug gebrauchen zu lassen, oder sich zur nationalen Gesinnung entschieden zu<lb/> bekennen, und wir haben in Sachsen eine zu geringe Parteientwicklung, als<lb/> daß wir in dieser Auslösung der liberalen Partei eine Gefahr für den Libera¬<lb/> lismus selbst erblicken müßten. Wer unzufrieden ist mit der vollzogenen<lb/> Lösung der Wahlreform, wer aus den Verhandlungen der unter allgemeinster<lb/> Apathie des Volkes und größter eigener Erschlaffung sich hinschleppenden<lb/> Kammern die Nothwendigkeit einer Reform von Grund aus erkannt hat, wer<lb/> die Censur gelesen hat, welche dem scheidenden Landtage durch abermalige<lb/> Nichtbestütigung eines in Leipzig zum Stadtrathe gewählten Mitgliedes des<lb/> Nativnalvereins gegeben worden ist, der wird nun mit seinem Rufe nach Reform<lb/> zugleich in das nationale Lager getrieben werden. Wir danken dieses günstige<lb/> Ergebniß der Politik des Herrn von Beust, welcher, von der Hand zum<lb/> Munde lebend, den Particularismus solidarisch verbunden hat mit Junker-<lb/> thum und Standesbevorrechtungen, und nicht abläßt, den nationalen Gegenlatz<lb/> sogar in die städtischen Verwaltungen hineinzutragen, und hier für die Ab¬<lb/> klärung der Elemente zu sorgen. Wir können dem Kampfe der öffentlichen<lb/> Meinung, der nun beginnen wird, getrost entgegensehen, beklagen müssen nur<lb/> aufrichtig, daß sich auch bei uns der Adel in feindlichen Gegensatz bringt mit<lb/> der ganzen Entwicklung des deutschen Volkes, daß er. statt die geistige Leitung<lb/> des Volkes mit zu übernehmen, entartet zum particularistischen Junkerthume,<lb/> daß der Bauernstand nicht einzusehen vermag, welchen Zwecken sein Egoismus<lb/> dienstbar wird, und am allermeisten, daß die Regierung selbst immer mehr aus<lb/> die Praecisirung der Alternative: Einheitsstaat und Revolution, oder Particu¬<lb/> larismus und Legitimität hindrängt. Aber es kann uns kein Zweifel sein, w>e<lb/> der Kampf enden wird; gerade der Zusammenhang der innern Reformen mit<lb/> der nationalen Frage gibt uns diese Zuversicht, und wie in Preußen der Con¬<lb/> flict zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus gelöst werden wird, so wird<lb/> in Sachsen der freilich noch viel schlimmere Conflict zwischen den Stände»<lb/> und dem Volke gelöst werden. Wünschen wir. daß die Lösung trotz alledew<lb/> eine friedliche und wahrhaft gedeihliche ser!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Punkt ist es, der alle Parteiglicderungcn durchdringt und die Parteien immer
mehr in die zwei großen Lager auflöst: national oder particularistisch. Wir
können uns in Sachsen dazu Glück wünschen, daß dieser Gegensatz sich so bald
schon klar vollzogen hat, daß dem Liberalismus immer dringender die Alter-
native gestellt wird, entweder sich von der Reaction wider Willen als Werk¬
zeug gebrauchen zu lassen, oder sich zur nationalen Gesinnung entschieden zu
bekennen, und wir haben in Sachsen eine zu geringe Parteientwicklung, als
daß wir in dieser Auslösung der liberalen Partei eine Gefahr für den Libera¬
lismus selbst erblicken müßten. Wer unzufrieden ist mit der vollzogenen
Lösung der Wahlreform, wer aus den Verhandlungen der unter allgemeinster
Apathie des Volkes und größter eigener Erschlaffung sich hinschleppenden
Kammern die Nothwendigkeit einer Reform von Grund aus erkannt hat, wer
die Censur gelesen hat, welche dem scheidenden Landtage durch abermalige
Nichtbestütigung eines in Leipzig zum Stadtrathe gewählten Mitgliedes des
Nativnalvereins gegeben worden ist, der wird nun mit seinem Rufe nach Reform
zugleich in das nationale Lager getrieben werden. Wir danken dieses günstige
Ergebniß der Politik des Herrn von Beust, welcher, von der Hand zum
Munde lebend, den Particularismus solidarisch verbunden hat mit Junker-
thum und Standesbevorrechtungen, und nicht abläßt, den nationalen Gegenlatz
sogar in die städtischen Verwaltungen hineinzutragen, und hier für die Ab¬
klärung der Elemente zu sorgen. Wir können dem Kampfe der öffentlichen
Meinung, der nun beginnen wird, getrost entgegensehen, beklagen müssen nur
aufrichtig, daß sich auch bei uns der Adel in feindlichen Gegensatz bringt mit
der ganzen Entwicklung des deutschen Volkes, daß er. statt die geistige Leitung
des Volkes mit zu übernehmen, entartet zum particularistischen Junkerthume,
daß der Bauernstand nicht einzusehen vermag, welchen Zwecken sein Egoismus
dienstbar wird, und am allermeisten, daß die Regierung selbst immer mehr aus
die Praecisirung der Alternative: Einheitsstaat und Revolution, oder Particu¬
larismus und Legitimität hindrängt. Aber es kann uns kein Zweifel sein, w>e
der Kampf enden wird; gerade der Zusammenhang der innern Reformen mit
der nationalen Frage gibt uns diese Zuversicht, und wie in Preußen der Con¬
flict zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus gelöst werden wird, so wird
in Sachsen der freilich noch viel schlimmere Conflict zwischen den Stände»
und dem Volke gelöst werden. Wünschen wir. daß die Lösung trotz alledew
eine friedliche und wahrhaft gedeihliche ser!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |