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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Es würde dem Wesen des Herrn von Beust nicht entsprochen haben, auf
solche Mahnungen nicht irgendwie zu reagiren. und man muß ihm die Gerechtigkeit
widerfahrenlassen, daß der beißendste Satyriker keine treffendere Charakteristik
der Kammern hätte geben können, als er sie mit dem Wahlgesetzentwurfe gab,
den er den Kammern vorlegte, wir dürfen aber wol auch hinzufügen, keine
treffendere Charakteristik des Herrn von Beust selbst.

Es ist wol kaum einer der gegenwärtigen Staatsmänner in solchem
Grade wie Herr von Beust dadurch ausgezeichnet, daß ihm nicht nur die
Begeisterung für, sondern auch der Glaube an eine politische Idee fehlt. An
die Stelle dieses Glaubens tritt bei ihm lediglich ein Wunsch, der in seiner
Stellung eines mittelstaatlichen Ministers begründet liegt, der Wunsch unbe¬
schränkter Erhaltung mittelstaatlicher souveränes, für dessen dauernde Er¬
füllbarkeit ihm aber der Glaube ebenfalls abgeht. Dieser Wunsch ist denn für
ihn der ausschließliche Maaßstab, nach welchem er Alles mißt. -- und ohne
Glauben, wie er ist. ist er auch ohne die Vorurtheile, die andern Leuten solcher
Stellung eigen zu sein Pflegen; er tritt an die Erscheinungen heran lediglich
wie Einer, der Jegliches für seine Zwecke auszubeuten sucht und weiß, und bei
seiner Intelligenz und Beweglichkeit ist er in der Hauptsache ein gutes poli¬
tisches Wetterglas, aus dem sich der kleinste Druck der politischen Atmosphäre
mit großer Genauigkeit ablesen läßt, und das Quecksilber hat sich schon an
den extremsten Punkten der Scala bewegt, von dem schlechten Wetter der Ein¬
führung der "sogenannten Grundrechte", wie man im sächsischen Curialstyle
jetzt zu sagen beliebt, und der Union bis zu dem "Sehr trocken" der Neacti-
virung des Bundestages, und Aufhebung von Verfassungsparagraphen auf dem
Aerordnungswege. In diesem Geiste nimmt er denn auch seine Stellung zu
den Kammern. Es ist ihm gelungen, durch die Junithaten sich in ihnen gefügige
Werkzeuge seiner Negierungsweisheit zu schaffen, die mit einer großen Aengst-
nchkeit davor zurückbeben, ihren eigenen Rechtsboden zu untersuchen und daher
sich wol hüten, mit ihrem Schöpfer wegen dieser Thaten in's Gericht zu gehen,
und so hat er es verstanden, zumal auf dem letzten Landtage, sie zu wesentlichen
Stützen des Particularismus und specifischen Sachsenthums zu machen. Er
'se daher weit entfernt, wie vielleicht viele andere Elemente der hohen Bu-
^aukratie. auf das constitutionelle Institut mit scheelen Augen zu sehen. Indem
^ die Kammern vielmehr mit rücksichtsvollen Formen behandelt und darüber
'"acht, daß ihnen auch in den Hofkreisen die gebührenden Höflichkeiten erwiesen
werden, ist er nur darauf bedacht, den Kammern ihren particularistischen Cha¬
rter zu erhalten und sie immermehr zu einem Rade der bureaukratischen
Maschine geistig herabzudrücken, so wenig er auch selbst nach Bildung und
^°>gnug Bureaukrat sein, so sehr er sich hierin vor seinen Collegen auszeich¬
nn mag.


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Es würde dem Wesen des Herrn von Beust nicht entsprochen haben, auf
solche Mahnungen nicht irgendwie zu reagiren. und man muß ihm die Gerechtigkeit
widerfahrenlassen, daß der beißendste Satyriker keine treffendere Charakteristik
der Kammern hätte geben können, als er sie mit dem Wahlgesetzentwurfe gab,
den er den Kammern vorlegte, wir dürfen aber wol auch hinzufügen, keine
treffendere Charakteristik des Herrn von Beust selbst.

Es ist wol kaum einer der gegenwärtigen Staatsmänner in solchem
Grade wie Herr von Beust dadurch ausgezeichnet, daß ihm nicht nur die
Begeisterung für, sondern auch der Glaube an eine politische Idee fehlt. An
die Stelle dieses Glaubens tritt bei ihm lediglich ein Wunsch, der in seiner
Stellung eines mittelstaatlichen Ministers begründet liegt, der Wunsch unbe¬
schränkter Erhaltung mittelstaatlicher souveränes, für dessen dauernde Er¬
füllbarkeit ihm aber der Glaube ebenfalls abgeht. Dieser Wunsch ist denn für
ihn der ausschließliche Maaßstab, nach welchem er Alles mißt. — und ohne
Glauben, wie er ist. ist er auch ohne die Vorurtheile, die andern Leuten solcher
Stellung eigen zu sein Pflegen; er tritt an die Erscheinungen heran lediglich
wie Einer, der Jegliches für seine Zwecke auszubeuten sucht und weiß, und bei
seiner Intelligenz und Beweglichkeit ist er in der Hauptsache ein gutes poli¬
tisches Wetterglas, aus dem sich der kleinste Druck der politischen Atmosphäre
mit großer Genauigkeit ablesen läßt, und das Quecksilber hat sich schon an
den extremsten Punkten der Scala bewegt, von dem schlechten Wetter der Ein¬
führung der „sogenannten Grundrechte", wie man im sächsischen Curialstyle
jetzt zu sagen beliebt, und der Union bis zu dem „Sehr trocken" der Neacti-
virung des Bundestages, und Aufhebung von Verfassungsparagraphen auf dem
Aerordnungswege. In diesem Geiste nimmt er denn auch seine Stellung zu
den Kammern. Es ist ihm gelungen, durch die Junithaten sich in ihnen gefügige
Werkzeuge seiner Negierungsweisheit zu schaffen, die mit einer großen Aengst-
nchkeit davor zurückbeben, ihren eigenen Rechtsboden zu untersuchen und daher
sich wol hüten, mit ihrem Schöpfer wegen dieser Thaten in's Gericht zu gehen,
und so hat er es verstanden, zumal auf dem letzten Landtage, sie zu wesentlichen
Stützen des Particularismus und specifischen Sachsenthums zu machen. Er
'se daher weit entfernt, wie vielleicht viele andere Elemente der hohen Bu-
^aukratie. auf das constitutionelle Institut mit scheelen Augen zu sehen. Indem
^ die Kammern vielmehr mit rücksichtsvollen Formen behandelt und darüber
'"acht, daß ihnen auch in den Hofkreisen die gebührenden Höflichkeiten erwiesen
werden, ist er nur darauf bedacht, den Kammern ihren particularistischen Cha¬
rter zu erhalten und sie immermehr zu einem Rade der bureaukratischen
Maschine geistig herabzudrücken, so wenig er auch selbst nach Bildung und
^°>gnug Bureaukrat sein, so sehr er sich hierin vor seinen Collegen auszeich¬
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[0333] Es würde dem Wesen des Herrn von Beust nicht entsprochen haben, auf solche Mahnungen nicht irgendwie zu reagiren. und man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahrenlassen, daß der beißendste Satyriker keine treffendere Charakteristik der Kammern hätte geben können, als er sie mit dem Wahlgesetzentwurfe gab, den er den Kammern vorlegte, wir dürfen aber wol auch hinzufügen, keine treffendere Charakteristik des Herrn von Beust selbst. Es ist wol kaum einer der gegenwärtigen Staatsmänner in solchem Grade wie Herr von Beust dadurch ausgezeichnet, daß ihm nicht nur die Begeisterung für, sondern auch der Glaube an eine politische Idee fehlt. An die Stelle dieses Glaubens tritt bei ihm lediglich ein Wunsch, der in seiner Stellung eines mittelstaatlichen Ministers begründet liegt, der Wunsch unbe¬ schränkter Erhaltung mittelstaatlicher souveränes, für dessen dauernde Er¬ füllbarkeit ihm aber der Glaube ebenfalls abgeht. Dieser Wunsch ist denn für ihn der ausschließliche Maaßstab, nach welchem er Alles mißt. — und ohne Glauben, wie er ist. ist er auch ohne die Vorurtheile, die andern Leuten solcher Stellung eigen zu sein Pflegen; er tritt an die Erscheinungen heran lediglich wie Einer, der Jegliches für seine Zwecke auszubeuten sucht und weiß, und bei seiner Intelligenz und Beweglichkeit ist er in der Hauptsache ein gutes poli¬ tisches Wetterglas, aus dem sich der kleinste Druck der politischen Atmosphäre mit großer Genauigkeit ablesen läßt, und das Quecksilber hat sich schon an den extremsten Punkten der Scala bewegt, von dem schlechten Wetter der Ein¬ führung der „sogenannten Grundrechte", wie man im sächsischen Curialstyle jetzt zu sagen beliebt, und der Union bis zu dem „Sehr trocken" der Neacti- virung des Bundestages, und Aufhebung von Verfassungsparagraphen auf dem Aerordnungswege. In diesem Geiste nimmt er denn auch seine Stellung zu den Kammern. Es ist ihm gelungen, durch die Junithaten sich in ihnen gefügige Werkzeuge seiner Negierungsweisheit zu schaffen, die mit einer großen Aengst- nchkeit davor zurückbeben, ihren eigenen Rechtsboden zu untersuchen und daher sich wol hüten, mit ihrem Schöpfer wegen dieser Thaten in's Gericht zu gehen, und so hat er es verstanden, zumal auf dem letzten Landtage, sie zu wesentlichen Stützen des Particularismus und specifischen Sachsenthums zu machen. Er 'se daher weit entfernt, wie vielleicht viele andere Elemente der hohen Bu- ^aukratie. auf das constitutionelle Institut mit scheelen Augen zu sehen. Indem ^ die Kammern vielmehr mit rücksichtsvollen Formen behandelt und darüber '"acht, daß ihnen auch in den Hofkreisen die gebührenden Höflichkeiten erwiesen werden, ist er nur darauf bedacht, den Kammern ihren particularistischen Cha¬ rter zu erhalten und sie immermehr zu einem Rade der bureaukratischen Maschine geistig herabzudrücken, so wenig er auch selbst nach Bildung und ^°>gnug Bureaukrat sein, so sehr er sich hierin vor seinen Collegen auszeich¬ nn mag. 4t *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/333>, abgerufen am 22.07.2024.