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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Mantel jener alten Weisheit, welche in den Jahre" 1848 und 1849 durch die
Absperrung vom Weltverkehre belohnt wurde und geben sich vielleicht der Hoff¬
nung hin, daß das Geschrei maritimer Bewaffnung sich wie so viele andre
Wünsche der Nation zu den Acten legen lasse.

Indessen bilden diese Staaten einen Theil Deutschlands; sie trenne" das
übrige Deutschland vom Meere. Die Wehrlosigkeit derselben kann von uns nicht
mit derselben verächtlichen Gleichgültigkeit angesehen werden, mit der wir den
Kirchenstaat betrachten, den einzigen europäischen Küstenstaat, der außer jenen
deutschen Staaten jeder maritimen Vertheidigung entbehrt.

Eine Vernichtung oder auch nur eine Unterbrechung der deutschen Han¬
deisschifffahrt beschädigt nicht nur den Wohlstand der Bevölkerung jener Kü-
stcustaaten, sondern wirkt in allen Beziehungen, sowol denen des Ackerbaues
als der Gewerbe, auf den Wohlstand des übrigen Deutschland zurück. Eine
solche Unterbrechung führt sofort sowol im Bümenlande als an den Küsten ein
Steigen der Preise für alle einzuführenden, ein Fallen der Preise für alle auszu¬
führenden Gegenstände und ein Stocken aller Beschäftigungen herbei, welche für
Ausfuhr arbeiten oder die Vermittlung des Waarenumsatzes und die Waarenbe¬
förderung zum Zweck haben. Der Mangel jeder Küstenvertheidigung setzt nicht
bloß jene Staaten den Erpressungen des Feindes aus, sondern öffnet das In¬
nere Deutschlands feindlichem Einfalle und bedroht die Unabhängigkeit der
Nation.

Es verlohnt sich daher die Frage auszuwerfen: was die geringsten An¬
sprüche sind, welche die Vertheidigung der deutschen Küste von Emden bis Ro¬
stock und der Schutz ihres Seehandels an jene Staaten stellt?

Auch hier wird es das Richtigste sein, von der nahe liegenden Gefahr
eines dänischen Krieges auszugehe"; denn die kleineren Interessen des Augenblicks
pflegen stets stärker auf die Entschließung zu wirken/ als die größeren der Zu¬
kunft. Ueberdieß erfordert die eigentlich maritime Küstenvertheidigung der
kleinen Staaten gegen jede Seemacht keine größeren Mittel, als die Beschützung
des Seehandels gegen eine Seemacht wie die dänische.'

In einem Kriege gegen Deutschland beruht die einzige Aussicht Däne¬
marks auf eiuen günstigen Ausgang in der Ausschließung der deutschen Schiffe
von der See und der Absperrung der deutschen Häfen von der Handelsschiff¬
fahrt. Die dänische Flotte wird daher möglichst viele Häfen zu blockiren und
außerdem auf den an Deutschland grenzenden Meeren deutsche Kauffahrer
wegzunehmen suchen müssen.

Was die Ostsee betrifft, so ist diese Aufgabe wesentlich erschwert. Die
preußische Flotte ist an Schraubenschiffen fast ebenso stark als die dünische
und hat gerade für den Küstenkrieg ein Uebergewicht an leichten Fahrzeugen.

Denkt man sich die preußische Dampfflvtte beim Ausbruche eines dünischen


Mantel jener alten Weisheit, welche in den Jahre» 1848 und 1849 durch die
Absperrung vom Weltverkehre belohnt wurde und geben sich vielleicht der Hoff¬
nung hin, daß das Geschrei maritimer Bewaffnung sich wie so viele andre
Wünsche der Nation zu den Acten legen lasse.

Indessen bilden diese Staaten einen Theil Deutschlands; sie trenne» das
übrige Deutschland vom Meere. Die Wehrlosigkeit derselben kann von uns nicht
mit derselben verächtlichen Gleichgültigkeit angesehen werden, mit der wir den
Kirchenstaat betrachten, den einzigen europäischen Küstenstaat, der außer jenen
deutschen Staaten jeder maritimen Vertheidigung entbehrt.

Eine Vernichtung oder auch nur eine Unterbrechung der deutschen Han¬
deisschifffahrt beschädigt nicht nur den Wohlstand der Bevölkerung jener Kü-
stcustaaten, sondern wirkt in allen Beziehungen, sowol denen des Ackerbaues
als der Gewerbe, auf den Wohlstand des übrigen Deutschland zurück. Eine
solche Unterbrechung führt sofort sowol im Bümenlande als an den Küsten ein
Steigen der Preise für alle einzuführenden, ein Fallen der Preise für alle auszu¬
führenden Gegenstände und ein Stocken aller Beschäftigungen herbei, welche für
Ausfuhr arbeiten oder die Vermittlung des Waarenumsatzes und die Waarenbe¬
förderung zum Zweck haben. Der Mangel jeder Küstenvertheidigung setzt nicht
bloß jene Staaten den Erpressungen des Feindes aus, sondern öffnet das In¬
nere Deutschlands feindlichem Einfalle und bedroht die Unabhängigkeit der
Nation.

Es verlohnt sich daher die Frage auszuwerfen: was die geringsten An¬
sprüche sind, welche die Vertheidigung der deutschen Küste von Emden bis Ro¬
stock und der Schutz ihres Seehandels an jene Staaten stellt?

Auch hier wird es das Richtigste sein, von der nahe liegenden Gefahr
eines dänischen Krieges auszugehe»; denn die kleineren Interessen des Augenblicks
pflegen stets stärker auf die Entschließung zu wirken/ als die größeren der Zu¬
kunft. Ueberdieß erfordert die eigentlich maritime Küstenvertheidigung der
kleinen Staaten gegen jede Seemacht keine größeren Mittel, als die Beschützung
des Seehandels gegen eine Seemacht wie die dänische.'

In einem Kriege gegen Deutschland beruht die einzige Aussicht Däne¬
marks auf eiuen günstigen Ausgang in der Ausschließung der deutschen Schiffe
von der See und der Absperrung der deutschen Häfen von der Handelsschiff¬
fahrt. Die dänische Flotte wird daher möglichst viele Häfen zu blockiren und
außerdem auf den an Deutschland grenzenden Meeren deutsche Kauffahrer
wegzunehmen suchen müssen.

Was die Ostsee betrifft, so ist diese Aufgabe wesentlich erschwert. Die
preußische Flotte ist an Schraubenschiffen fast ebenso stark als die dünische
und hat gerade für den Küstenkrieg ein Uebergewicht an leichten Fahrzeugen.

Denkt man sich die preußische Dampfflvtte beim Ausbruche eines dünischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/30>, abgerufen am 01.07.2024.