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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Es wird viel von einer deutschen Centralgewalt geredet, die kommen
Krieg gegen Frankreich, sondern zu einem Krieg gegen Dänemark benutzt
werden soll, und daß ein Krieg gegen Dänemark nur unter zwei Eventuali¬
täten unternommen werden darf, entweder wenn wir der Neutralität Frank-
reichs versichert sind, oder wenn wir England zum Bundesgenossen gegen
Frankreich haben.

Die erste Eventualität wird denen lächerlich erscheinen, die in ihrem
Kopf keinen andern politischen Gedanken haben, als die alte Franzosensres-
serei. Frankreich hat aber in der That noch andere Interessen als die Rheingrenze,
die es veranlassen können, unsere Neutralität durch seine Neutralität zu erkau¬
fen. Diese Interessen liegen im mittelländischen Meer. Wir zweifeln nicht
daran, daß Frankreich, wenn die deutschen Mächte einander in den Haaren
Unger. die Gelegenheit benutzen wird, etwas für sich zu erwerben: das ist ein
Grund für uns. ernstere Zerwürfnisse zu vermeiden. Wollten wir aber unsrer¬
seits einen Krieg Frankreichs provociren, so wäre das ein Act politischer Raserei;
denn gewinnen können wir dabei gar nichts, verlieren sehr viel. Nur die¬
jenigen predigen einen Krieg gegen Frankreich. welche die Wiederherstellung
der alten Dynastien in Italien und damit die alten Metternich'schen Zustände
für Deutschland wünschen. Die Reaction weiß sehr gut. was sie damit will,
wenn sich aber die Demokratie zum zweiten Male davon fangen ließe, so
würde sie sich selbst das Urtheil vollständiger politischer Unreife gesprochen haben.

Der Erfolg eines Krieges gegen Dänemark hängt davon ab. daß er
schnell zu Ende geführt wird, bevor die europäischen Mächte Zeit haben, sich
einzumischen. Auf dem alten Wege kann der Krieg nicht schnell zu Ende ge¬
führt werden. Selbst wenn Dünemark die Besetzung Jütlands nicht so lange
aushalten könnte, als Deutschland die völlige Stockung seines maritimen
Verkehrs, so kann es sie doch recht gut ein paar Jahre ertragen. In der
Zeit treten dann andere Conjuncturen ein, und wir erleben das alte schmähliche
Schauspiel.. An einen Krieg gegen Dänemark zu denken, bevor wir eine
Rotte haben, stark genug, um einen Transport nach Seeland zu decken, ist
Hundstagsraserei. Diejenigen also, die ernstlich für unsere deutschen Brüder
W Schleswig-Holstein etwas thun wollen, müssen vor Allem auf Herstellung
°'"er deutschen Flotte bedacht sein, die der dänischen nicht bloß gewachsen,
fondern überlegen ist.

Was nun diejenigen betrifft, die mit uns von dieser Nothwendigkeit überzeugt
tod, aber das Commando derselben nicht Preußen anvertrauen wollen, sosragen
^ sie ganz einfach: wem soll es denn anvertraut werden? -- Dem Bundes¬
tag? -- Dann hätten wir wieder Hannibal Fischer! - Dem Grafen Borries? --
Kurz, es bleibt keine Wahl. Wenn wir in den nächsten Jahren eine
putsche Flotte haben wollen, welche uns im Kriege gegen Dänemark nützt.
'° kann /diese nur unter preußischer Flagge segeln.


Es wird viel von einer deutschen Centralgewalt geredet, die kommen
Krieg gegen Frankreich, sondern zu einem Krieg gegen Dänemark benutzt
werden soll, und daß ein Krieg gegen Dänemark nur unter zwei Eventuali¬
täten unternommen werden darf, entweder wenn wir der Neutralität Frank-
reichs versichert sind, oder wenn wir England zum Bundesgenossen gegen
Frankreich haben.

Die erste Eventualität wird denen lächerlich erscheinen, die in ihrem
Kopf keinen andern politischen Gedanken haben, als die alte Franzosensres-
serei. Frankreich hat aber in der That noch andere Interessen als die Rheingrenze,
die es veranlassen können, unsere Neutralität durch seine Neutralität zu erkau¬
fen. Diese Interessen liegen im mittelländischen Meer. Wir zweifeln nicht
daran, daß Frankreich, wenn die deutschen Mächte einander in den Haaren
Unger. die Gelegenheit benutzen wird, etwas für sich zu erwerben: das ist ein
Grund für uns. ernstere Zerwürfnisse zu vermeiden. Wollten wir aber unsrer¬
seits einen Krieg Frankreichs provociren, so wäre das ein Act politischer Raserei;
denn gewinnen können wir dabei gar nichts, verlieren sehr viel. Nur die¬
jenigen predigen einen Krieg gegen Frankreich. welche die Wiederherstellung
der alten Dynastien in Italien und damit die alten Metternich'schen Zustände
für Deutschland wünschen. Die Reaction weiß sehr gut. was sie damit will,
wenn sich aber die Demokratie zum zweiten Male davon fangen ließe, so
würde sie sich selbst das Urtheil vollständiger politischer Unreife gesprochen haben.

Der Erfolg eines Krieges gegen Dänemark hängt davon ab. daß er
schnell zu Ende geführt wird, bevor die europäischen Mächte Zeit haben, sich
einzumischen. Auf dem alten Wege kann der Krieg nicht schnell zu Ende ge¬
führt werden. Selbst wenn Dünemark die Besetzung Jütlands nicht so lange
aushalten könnte, als Deutschland die völlige Stockung seines maritimen
Verkehrs, so kann es sie doch recht gut ein paar Jahre ertragen. In der
Zeit treten dann andere Conjuncturen ein, und wir erleben das alte schmähliche
Schauspiel.. An einen Krieg gegen Dänemark zu denken, bevor wir eine
Rotte haben, stark genug, um einen Transport nach Seeland zu decken, ist
Hundstagsraserei. Diejenigen also, die ernstlich für unsere deutschen Brüder
W Schleswig-Holstein etwas thun wollen, müssen vor Allem auf Herstellung
°'"er deutschen Flotte bedacht sein, die der dänischen nicht bloß gewachsen,
fondern überlegen ist.

Was nun diejenigen betrifft, die mit uns von dieser Nothwendigkeit überzeugt
tod, aber das Commando derselben nicht Preußen anvertrauen wollen, sosragen
^ sie ganz einfach: wem soll es denn anvertraut werden? — Dem Bundes¬
tag? — Dann hätten wir wieder Hannibal Fischer! - Dem Grafen Borries? —
Kurz, es bleibt keine Wahl. Wenn wir in den nächsten Jahren eine
putsche Flotte haben wollen, welche uns im Kriege gegen Dänemark nützt.
'° kann /diese nur unter preußischer Flagge segeln.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/287>, abgerufen am 22.07.2024.