Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es auch die letzte sein und wann endlich dieser Monsterproceß sein Ende er¬
reichen wird, darüber dürfte es gerathen sein, auch jetzt noch ein bescheidenes
Schweigen zu beobachten.

Nach dem Eingänge der obengedachten Cabinetsordre wurde nun ein
genaues Verzeichnis) der in der Locatorie von 1808 aufgeführten Gläubiger
angefertigt und hierauf 23 größtentheils moralische Personen durch besondere
Vorladungen, hi'ugegen mittels Edictalien über 3N0 Personen vorgeladen.
Diese Edictalcitationen machten, je häusiger sie erschienen und je mehr sie
durch ganz Deutschland, ja Europa bekannt wurden, ein ungemeines Aufsehen
und riefen namentlich unter der Gläubigcrschaft, wie sich leicht denken läßt,
eine förmliche Aufregung hervor. Die Enkel hatten ja die Großmutter so oft
von den fabelhaften Forderungen erzählen hören, welche die Urgroßmama oder
deren Großpapa an die Grasen von Mansfeld hätten, wie die Forderung
völlig begründet, ja mehrfach durch Urtel und Recht anerkannt sei und wie
das Ganze längst hätte ausgezahlt werden müssen, wenn es Gerechtigkeit im
Lande gäbe. Nun erschienen Alle die öffentliche Aufforderung, sich mit ihren
Ansprüchen an die Masse zu melden -- was war natürlicher, als daß die
Enkel sich dn endlich am Ziele ihm Wünsche glaubten und im Borgenuß des
ersehnten Ausschüttungstermins das Andenken der guten Großmama, die den
lieben Nachkommen noch nach ihrem Tode eine solche Freude verschaffte, mit
stiller Rührung segneten!

Es setzten sich denn auch in allen Ecken Europas eine Menge Federn in
Bewegung, es wurden sämmtliche Justizcommissarien zu Naumburg und Um¬
legend, die Präsidenten, der Decernent und fast alle andern Mitglieder des
Kollegiums mit Briefen von Seiten der Gläubiger beglückt und mit Bitten und
Fragen aller Art bestürmt, wie viel Masse da sei. wieviel wol bei der Dis¬
tribution auf sie fallen würde, welche Schritte hierzu ihrerseits nöthig wären,
wann das Geld gezahlt würde und dergleichen mehr. Nur die sächsische
Regierung, welche preußischer Seits zur Bestellung eines Anwaltes behufs
^ahruehmung ihrer Gerechtsame aufgefordert worden war, lehnte bescheiden
^de Concurrenz ab und hat damit vermuthlich den bessern Theil erwählt.

So nahten denn die 3 Liquidationstermine heran und obwol dieselben --
"b absichtlich oder nicht, bleibe dahingestellt. -- auf den 17-. 18. und 19.
December 1838 anberaumt waren, mithin in eine Jahreszeit sielen, wo die
Wege zumal in damaliger Zeit möglichst schlecht waren und die Hinreise nach
Naumburg somit möglichst erschwert war, erschienen doch theils persönlich
theils durch ihre Anwälte und sonstigen Mandatarien vertreten, eine außeror¬
dentlich große Anzahl von Gläubigern, die sich sämmtlich mit der Hoffnung
schmeichelten, den so lauge begrabenen Schatz endlich heben zu können. Wirklich
schien es auch, als sollten ihre stillen Hoffnungen wenigstens diesmal nicht


es auch die letzte sein und wann endlich dieser Monsterproceß sein Ende er¬
reichen wird, darüber dürfte es gerathen sein, auch jetzt noch ein bescheidenes
Schweigen zu beobachten.

Nach dem Eingänge der obengedachten Cabinetsordre wurde nun ein
genaues Verzeichnis) der in der Locatorie von 1808 aufgeführten Gläubiger
angefertigt und hierauf 23 größtentheils moralische Personen durch besondere
Vorladungen, hi'ugegen mittels Edictalien über 3N0 Personen vorgeladen.
Diese Edictalcitationen machten, je häusiger sie erschienen und je mehr sie
durch ganz Deutschland, ja Europa bekannt wurden, ein ungemeines Aufsehen
und riefen namentlich unter der Gläubigcrschaft, wie sich leicht denken läßt,
eine förmliche Aufregung hervor. Die Enkel hatten ja die Großmutter so oft
von den fabelhaften Forderungen erzählen hören, welche die Urgroßmama oder
deren Großpapa an die Grasen von Mansfeld hätten, wie die Forderung
völlig begründet, ja mehrfach durch Urtel und Recht anerkannt sei und wie
das Ganze längst hätte ausgezahlt werden müssen, wenn es Gerechtigkeit im
Lande gäbe. Nun erschienen Alle die öffentliche Aufforderung, sich mit ihren
Ansprüchen an die Masse zu melden — was war natürlicher, als daß die
Enkel sich dn endlich am Ziele ihm Wünsche glaubten und im Borgenuß des
ersehnten Ausschüttungstermins das Andenken der guten Großmama, die den
lieben Nachkommen noch nach ihrem Tode eine solche Freude verschaffte, mit
stiller Rührung segneten!

Es setzten sich denn auch in allen Ecken Europas eine Menge Federn in
Bewegung, es wurden sämmtliche Justizcommissarien zu Naumburg und Um¬
legend, die Präsidenten, der Decernent und fast alle andern Mitglieder des
Kollegiums mit Briefen von Seiten der Gläubiger beglückt und mit Bitten und
Fragen aller Art bestürmt, wie viel Masse da sei. wieviel wol bei der Dis¬
tribution auf sie fallen würde, welche Schritte hierzu ihrerseits nöthig wären,
wann das Geld gezahlt würde und dergleichen mehr. Nur die sächsische
Regierung, welche preußischer Seits zur Bestellung eines Anwaltes behufs
^ahruehmung ihrer Gerechtsame aufgefordert worden war, lehnte bescheiden
^de Concurrenz ab und hat damit vermuthlich den bessern Theil erwählt.

So nahten denn die 3 Liquidationstermine heran und obwol dieselben —
"b absichtlich oder nicht, bleibe dahingestellt. — auf den 17-. 18. und 19.
December 1838 anberaumt waren, mithin in eine Jahreszeit sielen, wo die
Wege zumal in damaliger Zeit möglichst schlecht waren und die Hinreise nach
Naumburg somit möglichst erschwert war, erschienen doch theils persönlich
theils durch ihre Anwälte und sonstigen Mandatarien vertreten, eine außeror¬
dentlich große Anzahl von Gläubigern, die sich sämmtlich mit der Hoffnung
schmeichelten, den so lauge begrabenen Schatz endlich heben zu können. Wirklich
schien es auch, als sollten ihre stillen Hoffnungen wenigstens diesmal nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112243"/>
          <p xml:id="ID_900" prev="#ID_899"> es auch die letzte sein und wann endlich dieser Monsterproceß sein Ende er¬<lb/>
reichen wird, darüber dürfte es gerathen sein, auch jetzt noch ein bescheidenes<lb/>
Schweigen zu beobachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_901"> Nach dem Eingänge der obengedachten Cabinetsordre wurde nun ein<lb/>
genaues Verzeichnis) der in der Locatorie von 1808 aufgeführten Gläubiger<lb/>
angefertigt und hierauf 23 größtentheils moralische Personen durch besondere<lb/>
Vorladungen, hi'ugegen mittels Edictalien über 3N0 Personen vorgeladen.<lb/>
Diese Edictalcitationen machten, je häusiger sie erschienen und je mehr sie<lb/>
durch ganz Deutschland, ja Europa bekannt wurden, ein ungemeines Aufsehen<lb/>
und riefen namentlich unter der Gläubigcrschaft, wie sich leicht denken läßt,<lb/>
eine förmliche Aufregung hervor. Die Enkel hatten ja die Großmutter so oft<lb/>
von den fabelhaften Forderungen erzählen hören, welche die Urgroßmama oder<lb/>
deren Großpapa an die Grasen von Mansfeld hätten, wie die Forderung<lb/>
völlig begründet, ja mehrfach durch Urtel und Recht anerkannt sei und wie<lb/>
das Ganze längst hätte ausgezahlt werden müssen, wenn es Gerechtigkeit im<lb/>
Lande gäbe. Nun erschienen Alle die öffentliche Aufforderung, sich mit ihren<lb/>
Ansprüchen an die Masse zu melden &#x2014; was war natürlicher, als daß die<lb/>
Enkel sich dn endlich am Ziele ihm Wünsche glaubten und im Borgenuß des<lb/>
ersehnten Ausschüttungstermins das Andenken der guten Großmama, die den<lb/>
lieben Nachkommen noch nach ihrem Tode eine solche Freude verschaffte, mit<lb/>
stiller Rührung segneten!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_902"> Es setzten sich denn auch in allen Ecken Europas eine Menge Federn in<lb/>
Bewegung, es wurden sämmtliche Justizcommissarien zu Naumburg und Um¬<lb/>
legend, die Präsidenten, der Decernent und fast alle andern Mitglieder des<lb/>
Kollegiums mit Briefen von Seiten der Gläubiger beglückt und mit Bitten und<lb/>
Fragen aller Art bestürmt, wie viel Masse da sei. wieviel wol bei der Dis¬<lb/>
tribution auf sie fallen würde, welche Schritte hierzu ihrerseits nöthig wären,<lb/>
wann das Geld gezahlt würde und dergleichen mehr. Nur die sächsische<lb/>
Regierung, welche preußischer Seits zur Bestellung eines Anwaltes behufs<lb/>
^ahruehmung ihrer Gerechtsame aufgefordert worden war, lehnte bescheiden<lb/>
^de Concurrenz ab und hat damit vermuthlich den bessern Theil erwählt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_903" next="#ID_904"> So nahten denn die 3 Liquidationstermine heran und obwol dieselben &#x2014;<lb/>
"b absichtlich oder nicht, bleibe dahingestellt. &#x2014; auf den 17-. 18. und 19.<lb/>
December 1838 anberaumt waren, mithin in eine Jahreszeit sielen, wo die<lb/>
Wege zumal in damaliger Zeit möglichst schlecht waren und die Hinreise nach<lb/>
Naumburg somit möglichst erschwert war, erschienen doch theils persönlich<lb/>
theils durch ihre Anwälte und sonstigen Mandatarien vertreten, eine außeror¬<lb/>
dentlich große Anzahl von Gläubigern, die sich sämmtlich mit der Hoffnung<lb/>
schmeichelten, den so lauge begrabenen Schatz endlich heben zu können. Wirklich<lb/>
schien es auch, als sollten ihre stillen Hoffnungen wenigstens diesmal nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0273] es auch die letzte sein und wann endlich dieser Monsterproceß sein Ende er¬ reichen wird, darüber dürfte es gerathen sein, auch jetzt noch ein bescheidenes Schweigen zu beobachten. Nach dem Eingänge der obengedachten Cabinetsordre wurde nun ein genaues Verzeichnis) der in der Locatorie von 1808 aufgeführten Gläubiger angefertigt und hierauf 23 größtentheils moralische Personen durch besondere Vorladungen, hi'ugegen mittels Edictalien über 3N0 Personen vorgeladen. Diese Edictalcitationen machten, je häusiger sie erschienen und je mehr sie durch ganz Deutschland, ja Europa bekannt wurden, ein ungemeines Aufsehen und riefen namentlich unter der Gläubigcrschaft, wie sich leicht denken läßt, eine förmliche Aufregung hervor. Die Enkel hatten ja die Großmutter so oft von den fabelhaften Forderungen erzählen hören, welche die Urgroßmama oder deren Großpapa an die Grasen von Mansfeld hätten, wie die Forderung völlig begründet, ja mehrfach durch Urtel und Recht anerkannt sei und wie das Ganze längst hätte ausgezahlt werden müssen, wenn es Gerechtigkeit im Lande gäbe. Nun erschienen Alle die öffentliche Aufforderung, sich mit ihren Ansprüchen an die Masse zu melden — was war natürlicher, als daß die Enkel sich dn endlich am Ziele ihm Wünsche glaubten und im Borgenuß des ersehnten Ausschüttungstermins das Andenken der guten Großmama, die den lieben Nachkommen noch nach ihrem Tode eine solche Freude verschaffte, mit stiller Rührung segneten! Es setzten sich denn auch in allen Ecken Europas eine Menge Federn in Bewegung, es wurden sämmtliche Justizcommissarien zu Naumburg und Um¬ legend, die Präsidenten, der Decernent und fast alle andern Mitglieder des Kollegiums mit Briefen von Seiten der Gläubiger beglückt und mit Bitten und Fragen aller Art bestürmt, wie viel Masse da sei. wieviel wol bei der Dis¬ tribution auf sie fallen würde, welche Schritte hierzu ihrerseits nöthig wären, wann das Geld gezahlt würde und dergleichen mehr. Nur die sächsische Regierung, welche preußischer Seits zur Bestellung eines Anwaltes behufs ^ahruehmung ihrer Gerechtsame aufgefordert worden war, lehnte bescheiden ^de Concurrenz ab und hat damit vermuthlich den bessern Theil erwählt. So nahten denn die 3 Liquidationstermine heran und obwol dieselben — "b absichtlich oder nicht, bleibe dahingestellt. — auf den 17-. 18. und 19. December 1838 anberaumt waren, mithin in eine Jahreszeit sielen, wo die Wege zumal in damaliger Zeit möglichst schlecht waren und die Hinreise nach Naumburg somit möglichst erschwert war, erschienen doch theils persönlich theils durch ihre Anwälte und sonstigen Mandatarien vertreten, eine außeror¬ dentlich große Anzahl von Gläubigern, die sich sämmtlich mit der Hoffnung schmeichelten, den so lauge begrabenen Schatz endlich heben zu können. Wirklich schien es auch, als sollten ihre stillen Hoffnungen wenigstens diesmal nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/273
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/273>, abgerufen am 23.07.2024.