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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Für Deutschland kommt in der Geschichte des siebenzehnten Jahrhunderts vor¬
zugsweise der dreißigjährige Krieg in Betracht. Er regte die mannig¬
fachsten Leidenschaften an, er berührte die höchsten Interessen der Nation, er
brachte Siege und noch mehr Niederlagen und zuletzt noch unendliches Weh
über das gestimmte Vaterland. Der universelle Charakter dieses Kampfes, in
welchen die Mehrzahl der europäischen Nationen verwickelt wurde, machte sich
auch in der Tagepoesie der Zeit geltend. In Liedern und Pasquillen wurden
außer den deutschen auch die betheiligten auswärtigen Mächte gepriesen oder
geschmäht, zu Anfang des Krieges z. B. die Holländer und Dänen, später
die Schweden und Franzosen. Gustav Adolf ist eine Zeitlang die Hauptperson,
um die sich Alles bewegt. Aber eben auch nur, insofern sie mit den Vor¬
gängen in Deutschland zusammenhingen, wurden fremde Staaten und Na¬
tionen in den Kreis der Erörterung gezogen. Man war viel zu sehr mit den
eignen Angelegenheiten beschäftigt, hatte zu sehr übereigne Noth zu klagen,
als daß man sich veranlaßt gefühlt hätte, die innern Zustände andrer Länder
zum Gegenstande jener ephemeren Literatur zu wählen. Unter den zahlreichen
poetischen oder, besser gesagt, metrischen Producten dieser Art aus dem zweiten
und dritten Jahrzehnt des siebenzehnten Jahrhunderts ist z. B., soweit ich sie
kenne, auch nicht in einem einzigen die großartige Bewegung, welche eben da¬
mals Britannien erschütterte, zum Vorwurf genommen. In den letzten 15
Jahren des Krieges aber verstummt allmälig der vielstimmige Chor der Ta¬
gessänger, und zuletzt ist es nur noch die Sehnsucht nach dem Frieden und
dessen endliche Ankunft, welche in einigen unmelodischer Klängen kundgegeben
wird. Dann folgt eine Epoche der Abspannung und Erschöpfung, in welcher
schon an und für sich die Theilnahme an der Politik keine sehr lebhafte zu
sein pflegt. Die einheimischen Verhältnisse aber waren nicht geeignet, sie ^
erwecken. Eher mochte jetzt die ungeheure Umwälzung, die sich eben in dem be¬
nachbarten England vollzog, die Hinrichtung Karls des Ersten, die Begründung
der Republik, das Emporkommen Cromwells, die machtvolle Stellung endlich'
welche der Protector dem jungen Freistaate errang -- eine mehr als gewöhn¬
liche Aufmerksamkeit in Deutschland erregen. Da scheint denn auch die poli¬
tische Gelcgenheitsdichtung sich, wenn auch sehr vorübergehend und vereinzelt,
noch einmal geregt zu haben. Mir liegt ein Flugblatt aus dieser Zeit (wahr¬
scheinlich aus dem Jahre 1685) vor*), welches aus einem Kupferstiche und er¬
läuterndem Text besteht: eine Verbindung der zeichnenden und redenden Kunst,
welche eine besondre, vielfach verbreitete Art jener ephemeren Literatur
bildet.

Der Kupferstich zeigt uns eine große Hauptgruppe l> bis und nebenher



*) Aus der Herzog!. Bibliothek zu Wolfenbüttel,

Für Deutschland kommt in der Geschichte des siebenzehnten Jahrhunderts vor¬
zugsweise der dreißigjährige Krieg in Betracht. Er regte die mannig¬
fachsten Leidenschaften an, er berührte die höchsten Interessen der Nation, er
brachte Siege und noch mehr Niederlagen und zuletzt noch unendliches Weh
über das gestimmte Vaterland. Der universelle Charakter dieses Kampfes, in
welchen die Mehrzahl der europäischen Nationen verwickelt wurde, machte sich
auch in der Tagepoesie der Zeit geltend. In Liedern und Pasquillen wurden
außer den deutschen auch die betheiligten auswärtigen Mächte gepriesen oder
geschmäht, zu Anfang des Krieges z. B. die Holländer und Dänen, später
die Schweden und Franzosen. Gustav Adolf ist eine Zeitlang die Hauptperson,
um die sich Alles bewegt. Aber eben auch nur, insofern sie mit den Vor¬
gängen in Deutschland zusammenhingen, wurden fremde Staaten und Na¬
tionen in den Kreis der Erörterung gezogen. Man war viel zu sehr mit den
eignen Angelegenheiten beschäftigt, hatte zu sehr übereigne Noth zu klagen,
als daß man sich veranlaßt gefühlt hätte, die innern Zustände andrer Länder
zum Gegenstande jener ephemeren Literatur zu wählen. Unter den zahlreichen
poetischen oder, besser gesagt, metrischen Producten dieser Art aus dem zweiten
und dritten Jahrzehnt des siebenzehnten Jahrhunderts ist z. B., soweit ich sie
kenne, auch nicht in einem einzigen die großartige Bewegung, welche eben da¬
mals Britannien erschütterte, zum Vorwurf genommen. In den letzten 15
Jahren des Krieges aber verstummt allmälig der vielstimmige Chor der Ta¬
gessänger, und zuletzt ist es nur noch die Sehnsucht nach dem Frieden und
dessen endliche Ankunft, welche in einigen unmelodischer Klängen kundgegeben
wird. Dann folgt eine Epoche der Abspannung und Erschöpfung, in welcher
schon an und für sich die Theilnahme an der Politik keine sehr lebhafte zu
sein pflegt. Die einheimischen Verhältnisse aber waren nicht geeignet, sie ^
erwecken. Eher mochte jetzt die ungeheure Umwälzung, die sich eben in dem be¬
nachbarten England vollzog, die Hinrichtung Karls des Ersten, die Begründung
der Republik, das Emporkommen Cromwells, die machtvolle Stellung endlich'
welche der Protector dem jungen Freistaate errang — eine mehr als gewöhn¬
liche Aufmerksamkeit in Deutschland erregen. Da scheint denn auch die poli¬
tische Gelcgenheitsdichtung sich, wenn auch sehr vorübergehend und vereinzelt,
noch einmal geregt zu haben. Mir liegt ein Flugblatt aus dieser Zeit (wahr¬
scheinlich aus dem Jahre 1685) vor*), welches aus einem Kupferstiche und er¬
läuterndem Text besteht: eine Verbindung der zeichnenden und redenden Kunst,
welche eine besondre, vielfach verbreitete Art jener ephemeren Literatur
bildet.

Der Kupferstich zeigt uns eine große Hauptgruppe l> bis und nebenher



*) Aus der Herzog!. Bibliothek zu Wolfenbüttel,
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[0240] Für Deutschland kommt in der Geschichte des siebenzehnten Jahrhunderts vor¬ zugsweise der dreißigjährige Krieg in Betracht. Er regte die mannig¬ fachsten Leidenschaften an, er berührte die höchsten Interessen der Nation, er brachte Siege und noch mehr Niederlagen und zuletzt noch unendliches Weh über das gestimmte Vaterland. Der universelle Charakter dieses Kampfes, in welchen die Mehrzahl der europäischen Nationen verwickelt wurde, machte sich auch in der Tagepoesie der Zeit geltend. In Liedern und Pasquillen wurden außer den deutschen auch die betheiligten auswärtigen Mächte gepriesen oder geschmäht, zu Anfang des Krieges z. B. die Holländer und Dänen, später die Schweden und Franzosen. Gustav Adolf ist eine Zeitlang die Hauptperson, um die sich Alles bewegt. Aber eben auch nur, insofern sie mit den Vor¬ gängen in Deutschland zusammenhingen, wurden fremde Staaten und Na¬ tionen in den Kreis der Erörterung gezogen. Man war viel zu sehr mit den eignen Angelegenheiten beschäftigt, hatte zu sehr übereigne Noth zu klagen, als daß man sich veranlaßt gefühlt hätte, die innern Zustände andrer Länder zum Gegenstande jener ephemeren Literatur zu wählen. Unter den zahlreichen poetischen oder, besser gesagt, metrischen Producten dieser Art aus dem zweiten und dritten Jahrzehnt des siebenzehnten Jahrhunderts ist z. B., soweit ich sie kenne, auch nicht in einem einzigen die großartige Bewegung, welche eben da¬ mals Britannien erschütterte, zum Vorwurf genommen. In den letzten 15 Jahren des Krieges aber verstummt allmälig der vielstimmige Chor der Ta¬ gessänger, und zuletzt ist es nur noch die Sehnsucht nach dem Frieden und dessen endliche Ankunft, welche in einigen unmelodischer Klängen kundgegeben wird. Dann folgt eine Epoche der Abspannung und Erschöpfung, in welcher schon an und für sich die Theilnahme an der Politik keine sehr lebhafte zu sein pflegt. Die einheimischen Verhältnisse aber waren nicht geeignet, sie ^ erwecken. Eher mochte jetzt die ungeheure Umwälzung, die sich eben in dem be¬ nachbarten England vollzog, die Hinrichtung Karls des Ersten, die Begründung der Republik, das Emporkommen Cromwells, die machtvolle Stellung endlich' welche der Protector dem jungen Freistaate errang — eine mehr als gewöhn¬ liche Aufmerksamkeit in Deutschland erregen. Da scheint denn auch die poli¬ tische Gelcgenheitsdichtung sich, wenn auch sehr vorübergehend und vereinzelt, noch einmal geregt zu haben. Mir liegt ein Flugblatt aus dieser Zeit (wahr¬ scheinlich aus dem Jahre 1685) vor*), welches aus einem Kupferstiche und er¬ läuterndem Text besteht: eine Verbindung der zeichnenden und redenden Kunst, welche eine besondre, vielfach verbreitete Art jener ephemeren Literatur bildet. Der Kupferstich zeigt uns eine große Hauptgruppe l> bis und nebenher *) Aus der Herzog!. Bibliothek zu Wolfenbüttel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/240>, abgerufen am 22.12.2024.