Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fand. Damals bildete die Bundesversammlung noch kurz vor ihrem Erlöschen
einen Marineausschuß und stellte demselben einige Gelder zur Verfügung.

Die deutsche Centralgewalt begann unter der lebhaftesten Betheiligung
der Nation die Seerüstungen mit einer Energie, welche von größeren Erfol¬
gen gekrönt gewesen wäre, wenn die Gründung einer Flotte die Sache Eines
Jahres sein könnte. Indessen schuf sie doch theils aus Bundesmitteln, theils aus
freiwilligen Beiträgen, theils endlich durch die Wegnahme der Fregatte Gefion
eine Flotille von 2 Segelfregatten, 9 Räderdampfcrn und 27 Ruderkano¬
nenbooten, im Ganzen mit etwa 180 Geschützen.

Das Schicksal dieser Anfänge einer deutschen Flotte ist bekannt. Seit
dem Jahre 1848 hatten die meisten Regierungen keine Matricularbeiträge mehr
geleistet, seit der Mitte des Jahres 1849 versiegten dieselben gänzlich. Sobald
die Bundesversammlung wieder restaurirt wurde, war auch die Auflösung der
Flotte beschlossen, und erst als diese Auflösung beschlossen war. wurden wieder
Matrikularbeiträge von allen Regierungen geleistet.

Nach dem üblichen Bundesgezänk über Nebenfragen wurde dann die Auf¬
lösung der Flotte auf dem Wege der Versteigerung beliebt, -- eine Maßregel
die man, selbst wenn die Vernichtung einmal feststand, der deutscheu Nation
und der Geschichte hätte ersparen können.

Im Jahre 1860 ist die Bundesversammlung wieder mit dem preußischen
Antrage auf Gründung einer Schraubenbootflotille zum Zweck der Vertheidi¬
gung der Küsten der kleineren Staaten beunruhigt worden. Es ist bekannt,
daß dieselbe diesen Antrag in der Militärcommission begraben hat.

Was sind die Gründe dieser auffallenden Erscheinung, daß der deutsche
Bund mit eiserner Consecmeuz seit bald einem halben Jahrhundert eine Kriegs¬
flotte nicht nur als überflüssig, sondern als verderblich behandelt?

Die Gründe dieses sonderbaren Widerspruchs, daß die maritime Verthei¬
digung Deutschlands ein Gegenstand der Abneigung einer Behörde ist. welcher
im Wesentlichen gerade die Sorge für die Vertheidigung Deutschlands zur
Aufgabe gestellt, gestatten einen tiefen Blick in das Wesen der deutschen Zu¬
stände und zeigen die ganze, nicht bloß militärische, sondern auch nationale
Bedeutung einer deutschen Kriegsmarine.

Das politische Verbrechen, welches sich an die Idee einer deutschen Kriegs¬
flotte knüpft, läßt sich mit wenigen Worten bezeichnen: eine deutsche Kriegsma¬
rine ist ein nur nationales Bertheidigungsmittel und kann niemals ein M"H^
Mittel der Particularsouveränetät werden; die Existenz einer deutschen Flotte
würde die deutschen Bevölkerungen sofort als eine auch politisch geeinigte
Nation darstellen und müßte dieselbe zu einer Entwicklung führen, mit der
die Particularsouveränetät in ihrem rheinbündlerischen Umfange nicht bestehen
kann. Es bedarf nur weniger Andeutungen, um diese Sätze klar zu machen-


fand. Damals bildete die Bundesversammlung noch kurz vor ihrem Erlöschen
einen Marineausschuß und stellte demselben einige Gelder zur Verfügung.

Die deutsche Centralgewalt begann unter der lebhaftesten Betheiligung
der Nation die Seerüstungen mit einer Energie, welche von größeren Erfol¬
gen gekrönt gewesen wäre, wenn die Gründung einer Flotte die Sache Eines
Jahres sein könnte. Indessen schuf sie doch theils aus Bundesmitteln, theils aus
freiwilligen Beiträgen, theils endlich durch die Wegnahme der Fregatte Gefion
eine Flotille von 2 Segelfregatten, 9 Räderdampfcrn und 27 Ruderkano¬
nenbooten, im Ganzen mit etwa 180 Geschützen.

Das Schicksal dieser Anfänge einer deutschen Flotte ist bekannt. Seit
dem Jahre 1848 hatten die meisten Regierungen keine Matricularbeiträge mehr
geleistet, seit der Mitte des Jahres 1849 versiegten dieselben gänzlich. Sobald
die Bundesversammlung wieder restaurirt wurde, war auch die Auflösung der
Flotte beschlossen, und erst als diese Auflösung beschlossen war. wurden wieder
Matrikularbeiträge von allen Regierungen geleistet.

Nach dem üblichen Bundesgezänk über Nebenfragen wurde dann die Auf¬
lösung der Flotte auf dem Wege der Versteigerung beliebt, — eine Maßregel
die man, selbst wenn die Vernichtung einmal feststand, der deutscheu Nation
und der Geschichte hätte ersparen können.

Im Jahre 1860 ist die Bundesversammlung wieder mit dem preußischen
Antrage auf Gründung einer Schraubenbootflotille zum Zweck der Vertheidi¬
gung der Küsten der kleineren Staaten beunruhigt worden. Es ist bekannt,
daß dieselbe diesen Antrag in der Militärcommission begraben hat.

Was sind die Gründe dieser auffallenden Erscheinung, daß der deutsche
Bund mit eiserner Consecmeuz seit bald einem halben Jahrhundert eine Kriegs¬
flotte nicht nur als überflüssig, sondern als verderblich behandelt?

Die Gründe dieses sonderbaren Widerspruchs, daß die maritime Verthei¬
digung Deutschlands ein Gegenstand der Abneigung einer Behörde ist. welcher
im Wesentlichen gerade die Sorge für die Vertheidigung Deutschlands zur
Aufgabe gestellt, gestatten einen tiefen Blick in das Wesen der deutschen Zu¬
stände und zeigen die ganze, nicht bloß militärische, sondern auch nationale
Bedeutung einer deutschen Kriegsmarine.

Das politische Verbrechen, welches sich an die Idee einer deutschen Kriegs¬
flotte knüpft, läßt sich mit wenigen Worten bezeichnen: eine deutsche Kriegsma¬
rine ist ein nur nationales Bertheidigungsmittel und kann niemals ein M"H^
Mittel der Particularsouveränetät werden; die Existenz einer deutschen Flotte
würde die deutschen Bevölkerungen sofort als eine auch politisch geeinigte
Nation darstellen und müßte dieselbe zu einer Entwicklung führen, mit der
die Particularsouveränetät in ihrem rheinbündlerischen Umfange nicht bestehen
kann. Es bedarf nur weniger Andeutungen, um diese Sätze klar zu machen-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112182"/>
            <p xml:id="ID_708" prev="#ID_707"> fand. Damals bildete die Bundesversammlung noch kurz vor ihrem Erlöschen<lb/>
einen Marineausschuß und stellte demselben einige Gelder zur Verfügung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_709"> Die deutsche Centralgewalt begann unter der lebhaftesten Betheiligung<lb/>
der Nation die Seerüstungen mit einer Energie, welche von größeren Erfol¬<lb/>
gen gekrönt gewesen wäre, wenn die Gründung einer Flotte die Sache Eines<lb/>
Jahres sein könnte. Indessen schuf sie doch theils aus Bundesmitteln, theils aus<lb/>
freiwilligen Beiträgen, theils endlich durch die Wegnahme der Fregatte Gefion<lb/>
eine Flotille von 2 Segelfregatten, 9 Räderdampfcrn und 27 Ruderkano¬<lb/>
nenbooten, im Ganzen mit etwa 180 Geschützen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_710"> Das Schicksal dieser Anfänge einer deutschen Flotte ist bekannt. Seit<lb/>
dem Jahre 1848 hatten die meisten Regierungen keine Matricularbeiträge mehr<lb/>
geleistet, seit der Mitte des Jahres 1849 versiegten dieselben gänzlich. Sobald<lb/>
die Bundesversammlung wieder restaurirt wurde, war auch die Auflösung der<lb/>
Flotte beschlossen, und erst als diese Auflösung beschlossen war. wurden wieder<lb/>
Matrikularbeiträge von allen Regierungen geleistet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_711"> Nach dem üblichen Bundesgezänk über Nebenfragen wurde dann die Auf¬<lb/>
lösung der Flotte auf dem Wege der Versteigerung beliebt, &#x2014; eine Maßregel<lb/>
die man, selbst wenn die Vernichtung einmal feststand, der deutscheu Nation<lb/>
und der Geschichte hätte ersparen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_712"> Im Jahre 1860 ist die Bundesversammlung wieder mit dem preußischen<lb/>
Antrage auf Gründung einer Schraubenbootflotille zum Zweck der Vertheidi¬<lb/>
gung der Küsten der kleineren Staaten beunruhigt worden. Es ist bekannt,<lb/>
daß dieselbe diesen Antrag in der Militärcommission begraben hat.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_713"> Was sind die Gründe dieser auffallenden Erscheinung, daß der deutsche<lb/>
Bund mit eiserner Consecmeuz seit bald einem halben Jahrhundert eine Kriegs¬<lb/>
flotte nicht nur als überflüssig, sondern als verderblich behandelt?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_714"> Die Gründe dieses sonderbaren Widerspruchs, daß die maritime Verthei¬<lb/>
digung Deutschlands ein Gegenstand der Abneigung einer Behörde ist. welcher<lb/>
im Wesentlichen gerade die Sorge für die Vertheidigung Deutschlands zur<lb/>
Aufgabe gestellt, gestatten einen tiefen Blick in das Wesen der deutschen Zu¬<lb/>
stände und zeigen die ganze, nicht bloß militärische, sondern auch nationale<lb/>
Bedeutung einer deutschen Kriegsmarine.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_715"> Das politische Verbrechen, welches sich an die Idee einer deutschen Kriegs¬<lb/>
flotte knüpft, läßt sich mit wenigen Worten bezeichnen: eine deutsche Kriegsma¬<lb/>
rine ist ein nur nationales Bertheidigungsmittel und kann niemals ein M"H^<lb/>
Mittel der Particularsouveränetät werden; die Existenz einer deutschen Flotte<lb/>
würde die deutschen Bevölkerungen sofort als eine auch politisch geeinigte<lb/>
Nation darstellen und müßte dieselbe zu einer Entwicklung führen, mit der<lb/>
die Particularsouveränetät in ihrem rheinbündlerischen Umfange nicht bestehen<lb/>
kann. Es bedarf nur weniger Andeutungen, um diese Sätze klar zu machen-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] fand. Damals bildete die Bundesversammlung noch kurz vor ihrem Erlöschen einen Marineausschuß und stellte demselben einige Gelder zur Verfügung. Die deutsche Centralgewalt begann unter der lebhaftesten Betheiligung der Nation die Seerüstungen mit einer Energie, welche von größeren Erfol¬ gen gekrönt gewesen wäre, wenn die Gründung einer Flotte die Sache Eines Jahres sein könnte. Indessen schuf sie doch theils aus Bundesmitteln, theils aus freiwilligen Beiträgen, theils endlich durch die Wegnahme der Fregatte Gefion eine Flotille von 2 Segelfregatten, 9 Räderdampfcrn und 27 Ruderkano¬ nenbooten, im Ganzen mit etwa 180 Geschützen. Das Schicksal dieser Anfänge einer deutschen Flotte ist bekannt. Seit dem Jahre 1848 hatten die meisten Regierungen keine Matricularbeiträge mehr geleistet, seit der Mitte des Jahres 1849 versiegten dieselben gänzlich. Sobald die Bundesversammlung wieder restaurirt wurde, war auch die Auflösung der Flotte beschlossen, und erst als diese Auflösung beschlossen war. wurden wieder Matrikularbeiträge von allen Regierungen geleistet. Nach dem üblichen Bundesgezänk über Nebenfragen wurde dann die Auf¬ lösung der Flotte auf dem Wege der Versteigerung beliebt, — eine Maßregel die man, selbst wenn die Vernichtung einmal feststand, der deutscheu Nation und der Geschichte hätte ersparen können. Im Jahre 1860 ist die Bundesversammlung wieder mit dem preußischen Antrage auf Gründung einer Schraubenbootflotille zum Zweck der Vertheidi¬ gung der Küsten der kleineren Staaten beunruhigt worden. Es ist bekannt, daß dieselbe diesen Antrag in der Militärcommission begraben hat. Was sind die Gründe dieser auffallenden Erscheinung, daß der deutsche Bund mit eiserner Consecmeuz seit bald einem halben Jahrhundert eine Kriegs¬ flotte nicht nur als überflüssig, sondern als verderblich behandelt? Die Gründe dieses sonderbaren Widerspruchs, daß die maritime Verthei¬ digung Deutschlands ein Gegenstand der Abneigung einer Behörde ist. welcher im Wesentlichen gerade die Sorge für die Vertheidigung Deutschlands zur Aufgabe gestellt, gestatten einen tiefen Blick in das Wesen der deutschen Zu¬ stände und zeigen die ganze, nicht bloß militärische, sondern auch nationale Bedeutung einer deutschen Kriegsmarine. Das politische Verbrechen, welches sich an die Idee einer deutschen Kriegs¬ flotte knüpft, läßt sich mit wenigen Worten bezeichnen: eine deutsche Kriegsma¬ rine ist ein nur nationales Bertheidigungsmittel und kann niemals ein M"H^ Mittel der Particularsouveränetät werden; die Existenz einer deutschen Flotte würde die deutschen Bevölkerungen sofort als eine auch politisch geeinigte Nation darstellen und müßte dieselbe zu einer Entwicklung führen, mit der die Particularsouveränetät in ihrem rheinbündlerischen Umfange nicht bestehen kann. Es bedarf nur weniger Andeutungen, um diese Sätze klar zu machen-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/212>, abgerufen am 22.12.2024.