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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Nachrichten über die Landstriche westlich von Chartum einzog, worunter die
bedeutsamste die war, daß Schech Masri, der Führer der vor fünf Jahren
vom Vicekönig bedrängten Beduinen der Oasen westlich von Mittelägypten,
nach mehrjährigem Umherschweifen in den Regionen zwischen dem Nilthal
und Darfur in den letztern Staat eingefallen ist und sich nach Besiegung des
Sultans zum Herrn des Landes gemacht hat. Endlich traf die Kunde ein,
daß die Expedition am 25. Mai von Suez auf einem Dampfer der Medschi-
dijeh nach Massaua abgefahren ist. Von dort und Keren werden wir noch
gelegentlich Nachrichten von ihr erhalten können. Dann aber verläßt
sie den Kreis des civilisirten Lebens vollständig und betritt unbekannte
Länder, die fast außer aller Verbindung mit uns stehen. Noch einmal berührt
sie dann in Chartum einen Punkt, wo die Reisenden uns Kunde von sich ge¬
ben können. Dann verschwindet die Expedition hinter dem Schleier des Ge¬
heimnisses, welches aufzuhellen sie ausgerüstet wurde. Wir können dann vielleicht
noch durch die Karavane, welche alljährlich einmal von Darfur nach Siut
am Nil zieht, von ihr vernehmen, vielleicht auch ferner über Bengasi oder
Tripolis Kunde über sie empfangen. Sicheres und Genaues aber dürfen wir
nicht eher wieder zu hören erwarten, als nach der Rückkunft unserer Reisenden
nach einem der Grenzposten der Civilisation.

Möge dieß dann nur Erfreuliches sein! Möge es den kühnen Männern
gelingen, die Hindernisse und Gefahren, die sich der Erreichung ihres Ziels
entgegenstellen, zu überwinden und so dem deutschen Volke die Genugthuung
zu verschaffen, daß seine erste derartige Unternehmung der Wissenschaft Ge¬
winn und der Nation Ehre gebracht hat.

Im Folgenden versuchen wir jene beiden letzten lichten Punkte, welche die
Expedition vor ihrem Verschwinden an unserm Gesichtskreis betreten wird, das
Land der Bogos und Chartum zu schildern, um so den Freunden der Ge¬
schiedenen in der Heimath einigermaßen die Mittel zu geben, sie mit dem
geistigen Auge soweit als möglich zu begleiten. Eine Karte zu dem Zwecke
hat das Perthes'sche Institut in Gotha geliefert.

Massaua ist eine kleine, aber ziemlich lebhafte Handelsstadt am West¬
rands der südlichen Hälfte des Rothen Meeres fast auf gleichem Breitengrade
wir Chartum gelegen und mit letzterem durch eine Karavanenstraße verbunden,
die zunächst durch das Land der Bogos führt, dann über die Flüsse Barna
und Gases und durch die Wüste El Hauede nach Gos Redscheb am Atbara
lauft und hierauf diesem großen Nebenfluß des Nil folgt.

Das Gebiet der Bogos ist ein nach allen Seiten abgeschlossenes Hoch¬
tal in dem letzten nördlichen Ausläufer der abyssinischen Berge. Die Be¬
wohner desselben gehören demselben Zweig des semitischen Stammes an,
wie die von Habesch. Sie haben in ihren Zügen nichts vom Negertypus.


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Nachrichten über die Landstriche westlich von Chartum einzog, worunter die
bedeutsamste die war, daß Schech Masri, der Führer der vor fünf Jahren
vom Vicekönig bedrängten Beduinen der Oasen westlich von Mittelägypten,
nach mehrjährigem Umherschweifen in den Regionen zwischen dem Nilthal
und Darfur in den letztern Staat eingefallen ist und sich nach Besiegung des
Sultans zum Herrn des Landes gemacht hat. Endlich traf die Kunde ein,
daß die Expedition am 25. Mai von Suez auf einem Dampfer der Medschi-
dijeh nach Massaua abgefahren ist. Von dort und Keren werden wir noch
gelegentlich Nachrichten von ihr erhalten können. Dann aber verläßt
sie den Kreis des civilisirten Lebens vollständig und betritt unbekannte
Länder, die fast außer aller Verbindung mit uns stehen. Noch einmal berührt
sie dann in Chartum einen Punkt, wo die Reisenden uns Kunde von sich ge¬
ben können. Dann verschwindet die Expedition hinter dem Schleier des Ge¬
heimnisses, welches aufzuhellen sie ausgerüstet wurde. Wir können dann vielleicht
noch durch die Karavane, welche alljährlich einmal von Darfur nach Siut
am Nil zieht, von ihr vernehmen, vielleicht auch ferner über Bengasi oder
Tripolis Kunde über sie empfangen. Sicheres und Genaues aber dürfen wir
nicht eher wieder zu hören erwarten, als nach der Rückkunft unserer Reisenden
nach einem der Grenzposten der Civilisation.

Möge dieß dann nur Erfreuliches sein! Möge es den kühnen Männern
gelingen, die Hindernisse und Gefahren, die sich der Erreichung ihres Ziels
entgegenstellen, zu überwinden und so dem deutschen Volke die Genugthuung
zu verschaffen, daß seine erste derartige Unternehmung der Wissenschaft Ge¬
winn und der Nation Ehre gebracht hat.

Im Folgenden versuchen wir jene beiden letzten lichten Punkte, welche die
Expedition vor ihrem Verschwinden an unserm Gesichtskreis betreten wird, das
Land der Bogos und Chartum zu schildern, um so den Freunden der Ge¬
schiedenen in der Heimath einigermaßen die Mittel zu geben, sie mit dem
geistigen Auge soweit als möglich zu begleiten. Eine Karte zu dem Zwecke
hat das Perthes'sche Institut in Gotha geliefert.

Massaua ist eine kleine, aber ziemlich lebhafte Handelsstadt am West¬
rands der südlichen Hälfte des Rothen Meeres fast auf gleichem Breitengrade
wir Chartum gelegen und mit letzterem durch eine Karavanenstraße verbunden,
die zunächst durch das Land der Bogos führt, dann über die Flüsse Barna
und Gases und durch die Wüste El Hauede nach Gos Redscheb am Atbara
lauft und hierauf diesem großen Nebenfluß des Nil folgt.

Das Gebiet der Bogos ist ein nach allen Seiten abgeschlossenes Hoch¬
tal in dem letzten nördlichen Ausläufer der abyssinischen Berge. Die Be¬
wohner desselben gehören demselben Zweig des semitischen Stammes an,
wie die von Habesch. Sie haben in ihren Zügen nichts vom Negertypus.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/181>, abgerufen am 23.07.2024.