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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Wenn dennoch Preußens Versuche, eine wirthschaftliche Neubildung Deutsch¬
lands durch die Bundesversammlung, als das gesetzliche Organ der noch übrig
gebliebenen deutschen Reichseinheit herzustellen, scheiterten, so lag dieses eben
nur an diesem staatlichen Organe selbst und dessen Formen, die dasselbe zur
Leitung einer zeitgemäßen Umgestaltung der inneren Verhältnisse Deutschlands
durchaus unfähig machten. Der preußische Bundestagsgesandte selbst sprach
sich darüber auf's Unverholenste in einer Denkschrift an den König von Preu¬
ßen vom 29. Jan. I83l aus. "Die Schöpfung eines allgemeinen deutschen
Zoll- und Handclssystemes. sagt er unter Anderm. oder irgend einer anderen
bleibenden Institution ähnlicher Art ist eine Aufgabe, deren Lösung dem Bunde
so lange unmöglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere von der jetzi¬
gen ganz verschiedene Organisation besitzt. Hätte irgend einer der mächtige¬
ren Bundesstaaten auch verfassungsmäßig einen größeren Einfluß in der Bundes¬
versammlung als gegenwärtig, wo keinem Bundesstaate von den 70 Stimmen des
Plenums mehr als 4 und von den 17 Stimmen des engeren Rathes mehr
als i zukommt, so müßte man sich doch von jedem Versuche) die Begründung
von jener für Deutschlands Gesammtinteresse wünschenswerthen Institution
durch den Bund zu betreiben und hierzu die Initiative zu ergreifen, schon
aus den oben bezeichneten allgemeinen und in der Natur des Bundesverhält¬
nisses liegenden Gründen und noch mehr durch die bereits gemachten Erfah¬
rungen zurückgehalten finden ze." Nicht einmal das konnte auf diesem Wege
erreicht werden, daß der Waarendurchzug von einem Bundesstaat durch den
anderen in einen dritten unter gleichmäßige Bedingungen gestellt wurde.

Damit war denn die Gründung und Entwicklung eines deutschen Zoll¬
vereins und der Haupttheil einer Handelspolitik des deutschen Staatenbundes
von seinem gesetzlichen Bundesorgane ganz getrennt und auf den Weg priva¬
ter gütlicher Uebereinkunft und Verhandlung zwischen den einzelnen Bundes¬
gliedern gewiesen. Wie auf die Weise der Verein sich nach und nach zusam¬
menfügte, ist bekannt, ebenso daß in Folge seines privativen Charakters der
Verein bis jetzt noch nicht den Grenzen des Staatenbundes gemäß hat ausge¬
bildet werden können. Aus demselben privativen Charakter entspringt aber
auch noch der weit folgenreichere Nachtheil, daß jedes einzelne Vereinsglied
nicht nur dem anderen, sondern auch dem ganzen Vereine gegenüber als durch¬
aus gleichberechtigt dasteht und jede Förderung des Gesammtinteresses von
°er einseitigen Förderung oder Nichtverletzung des eigenen abhängig machen
darf, ein Nachtheil, der jeden gewünschten und nothwendigen Schritt nach
vorwärts erschwert, verzögert, oft unmöglich macht. So wenig der Verein
bis jetzt in seiner Ausdehnung die Grenzen des deutschen Bundesgebiets hat
erreichen können, sondern selbst die deutschen Meere immer nur in gebrochener
U"d zerstückelter Linie erreicht, ebensowenig hat er Fähigkeit und Kraft gezeigt.


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Wenn dennoch Preußens Versuche, eine wirthschaftliche Neubildung Deutsch¬
lands durch die Bundesversammlung, als das gesetzliche Organ der noch übrig
gebliebenen deutschen Reichseinheit herzustellen, scheiterten, so lag dieses eben
nur an diesem staatlichen Organe selbst und dessen Formen, die dasselbe zur
Leitung einer zeitgemäßen Umgestaltung der inneren Verhältnisse Deutschlands
durchaus unfähig machten. Der preußische Bundestagsgesandte selbst sprach
sich darüber auf's Unverholenste in einer Denkschrift an den König von Preu¬
ßen vom 29. Jan. I83l aus. „Die Schöpfung eines allgemeinen deutschen
Zoll- und Handclssystemes. sagt er unter Anderm. oder irgend einer anderen
bleibenden Institution ähnlicher Art ist eine Aufgabe, deren Lösung dem Bunde
so lange unmöglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere von der jetzi¬
gen ganz verschiedene Organisation besitzt. Hätte irgend einer der mächtige¬
ren Bundesstaaten auch verfassungsmäßig einen größeren Einfluß in der Bundes¬
versammlung als gegenwärtig, wo keinem Bundesstaate von den 70 Stimmen des
Plenums mehr als 4 und von den 17 Stimmen des engeren Rathes mehr
als i zukommt, so müßte man sich doch von jedem Versuche) die Begründung
von jener für Deutschlands Gesammtinteresse wünschenswerthen Institution
durch den Bund zu betreiben und hierzu die Initiative zu ergreifen, schon
aus den oben bezeichneten allgemeinen und in der Natur des Bundesverhält¬
nisses liegenden Gründen und noch mehr durch die bereits gemachten Erfah¬
rungen zurückgehalten finden ze." Nicht einmal das konnte auf diesem Wege
erreicht werden, daß der Waarendurchzug von einem Bundesstaat durch den
anderen in einen dritten unter gleichmäßige Bedingungen gestellt wurde.

Damit war denn die Gründung und Entwicklung eines deutschen Zoll¬
vereins und der Haupttheil einer Handelspolitik des deutschen Staatenbundes
von seinem gesetzlichen Bundesorgane ganz getrennt und auf den Weg priva¬
ter gütlicher Uebereinkunft und Verhandlung zwischen den einzelnen Bundes¬
gliedern gewiesen. Wie auf die Weise der Verein sich nach und nach zusam¬
menfügte, ist bekannt, ebenso daß in Folge seines privativen Charakters der
Verein bis jetzt noch nicht den Grenzen des Staatenbundes gemäß hat ausge¬
bildet werden können. Aus demselben privativen Charakter entspringt aber
auch noch der weit folgenreichere Nachtheil, daß jedes einzelne Vereinsglied
nicht nur dem anderen, sondern auch dem ganzen Vereine gegenüber als durch¬
aus gleichberechtigt dasteht und jede Förderung des Gesammtinteresses von
°er einseitigen Förderung oder Nichtverletzung des eigenen abhängig machen
darf, ein Nachtheil, der jeden gewünschten und nothwendigen Schritt nach
vorwärts erschwert, verzögert, oft unmöglich macht. So wenig der Verein
bis jetzt in seiner Ausdehnung die Grenzen des deutschen Bundesgebiets hat
erreichen können, sondern selbst die deutschen Meere immer nur in gebrochener
U"d zerstückelter Linie erreicht, ebensowenig hat er Fähigkeit und Kraft gezeigt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/133>, abgerufen am 25.08.2024.