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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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zu sein, sie sind zum großem Theile germantsirte Slaven, aber wie sehr stechen
gegen sie, als Ganzes betrachtet, die Bayern ab. Bayern, bei 5 Millionen
Einwohnern, hat nicht mehr als 37 Turnvereine, und nur die Rheinpfalz, Mit¬
telfranken und Schwaben-Neuburg entsprechen in einem gewissen Grade den
Anforderungen, die wir in dieser Hinsicht an sie stellen müssen. Die Oberpfalz
hat nur 2. Unterfranken nur 3, Oberfranken ebenfalls nur 3. Ober- und Nie¬
derbayern zusammen gleichfalls nicht mehr als 3 Turnvereine. Was der Grund
hiervon ist, wissen wir nicht. Da aber ausfallende Erscheinungen zum Rathen
einladen, so gestatten wir uns. bis auf bessere Belehrung zu vermuthen, daß
in den letztgenannten beiden Provinzen ein "kerndeutscher" conservativer Sinn
die Bierbank für geeigneter zur Kräftigung von Leib und Seele hält, als solche
unbequeme Neuerungen wie Reck und Barren, die noch dazu von dem Preußen in
die Mode gebracht worden sind.

Besseres ist von Hannover zu berichten, welches 29 Turnvereine zählt,
von denen die meisten in der Drostci Hildesheim bestehen. Noch Besseres zeigt
unsere Liste von Würtemberg, wo 36 Bereine vorhanden sind. Sehr er¬
freulich ist die Theilnahme am Turnen in Baden gewachsen, wo man am
1. Januar 1860 nur 2 Turnvereine hatte, während jetzt 14 im Großherzog-
thum ihre Fahne entfaltet haben. Noch stärker ist das Wachsthum in Kur¬
hessen gewesen, wo die Zahl der Turnvereine in dem gedachten Zeitraume
sich von 1 auf 11 steigerte, und noch beträchtlich mehr hat die Theilnahme
in Nassau zugenommen, wo mali Anfang vorigen Jahres nur 1 Turnverein
hatte, während gegenwärtig deren 16 dort blühen.

Von den übrigen deutschen Staaten hatte im März d. I. Hessen-Darm-
stadt 21, Mecklenburg-Schwerin 4, Oldenburg ebenfalls 4. Sachsen-Weimar
!6. Holstein und Lauenburg 16, Braunschweig 9. das kleine Meiningen 14,
Coburg-Gotha 6, Sachsen-Altenburg 8, die Fürstenthümer Reuß 6, Rudolstadt
5. Sondershausen 2. Hamburg 4, Lübeck 7, Bremen 6 und Frankfurt 8 Turn¬
vereine.

Im Ganzen ist die Zahl der deutschen Turnvereine vom Januar 1860
bis zum März 1361 von 224 auf 506 gestiegen. Im Jahre 1859 zählten
die deutschen Turnveine 23.670 Mitglieder, jetzt wird man nach der "Turn¬
zeitung" ohne die Befürchtung zu hoch zu greifen, wenigstens 40.000 anneh¬
men können. Das ist eine gewiß nicht unbedeutende Zunahme. Wenn die
Sache aber Bedeutung für das Große und Ganze gewinnen, wenn das Turn¬
wesen ein Factor in der Entwicklung Deutschlands zu Macht und Größe
werden soll, so muß weit mehr geschehen. In einer der früheren Nummern
des Blattes, dem wir die obigen Notizen entnahmen, sprach ein alter Turner
den Wunsch aus. daß sich die Zahl der Turnvereine in diesem Jahre, dem
Jahre des funfzigjährigen Bestehens des deutschen Volkstmnens. verzehnfachen


zu sein, sie sind zum großem Theile germantsirte Slaven, aber wie sehr stechen
gegen sie, als Ganzes betrachtet, die Bayern ab. Bayern, bei 5 Millionen
Einwohnern, hat nicht mehr als 37 Turnvereine, und nur die Rheinpfalz, Mit¬
telfranken und Schwaben-Neuburg entsprechen in einem gewissen Grade den
Anforderungen, die wir in dieser Hinsicht an sie stellen müssen. Die Oberpfalz
hat nur 2. Unterfranken nur 3, Oberfranken ebenfalls nur 3. Ober- und Nie¬
derbayern zusammen gleichfalls nicht mehr als 3 Turnvereine. Was der Grund
hiervon ist, wissen wir nicht. Da aber ausfallende Erscheinungen zum Rathen
einladen, so gestatten wir uns. bis auf bessere Belehrung zu vermuthen, daß
in den letztgenannten beiden Provinzen ein „kerndeutscher" conservativer Sinn
die Bierbank für geeigneter zur Kräftigung von Leib und Seele hält, als solche
unbequeme Neuerungen wie Reck und Barren, die noch dazu von dem Preußen in
die Mode gebracht worden sind.

Besseres ist von Hannover zu berichten, welches 29 Turnvereine zählt,
von denen die meisten in der Drostci Hildesheim bestehen. Noch Besseres zeigt
unsere Liste von Würtemberg, wo 36 Bereine vorhanden sind. Sehr er¬
freulich ist die Theilnahme am Turnen in Baden gewachsen, wo man am
1. Januar 1860 nur 2 Turnvereine hatte, während jetzt 14 im Großherzog-
thum ihre Fahne entfaltet haben. Noch stärker ist das Wachsthum in Kur¬
hessen gewesen, wo die Zahl der Turnvereine in dem gedachten Zeitraume
sich von 1 auf 11 steigerte, und noch beträchtlich mehr hat die Theilnahme
in Nassau zugenommen, wo mali Anfang vorigen Jahres nur 1 Turnverein
hatte, während gegenwärtig deren 16 dort blühen.

Von den übrigen deutschen Staaten hatte im März d. I. Hessen-Darm-
stadt 21, Mecklenburg-Schwerin 4, Oldenburg ebenfalls 4. Sachsen-Weimar
!6. Holstein und Lauenburg 16, Braunschweig 9. das kleine Meiningen 14,
Coburg-Gotha 6, Sachsen-Altenburg 8, die Fürstenthümer Reuß 6, Rudolstadt
5. Sondershausen 2. Hamburg 4, Lübeck 7, Bremen 6 und Frankfurt 8 Turn¬
vereine.

Im Ganzen ist die Zahl der deutschen Turnvereine vom Januar 1860
bis zum März 1361 von 224 auf 506 gestiegen. Im Jahre 1859 zählten
die deutschen Turnveine 23.670 Mitglieder, jetzt wird man nach der „Turn¬
zeitung" ohne die Befürchtung zu hoch zu greifen, wenigstens 40.000 anneh¬
men können. Das ist eine gewiß nicht unbedeutende Zunahme. Wenn die
Sache aber Bedeutung für das Große und Ganze gewinnen, wenn das Turn¬
wesen ein Factor in der Entwicklung Deutschlands zu Macht und Größe
werden soll, so muß weit mehr geschehen. In einer der früheren Nummern
des Blattes, dem wir die obigen Notizen entnahmen, sprach ein alter Turner
den Wunsch aus. daß sich die Zahl der Turnvereine in diesem Jahre, dem
Jahre des funfzigjährigen Bestehens des deutschen Volkstmnens. verzehnfachen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/105>, abgerufen am 22.07.2024.