Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.Armee, deren Veteranen ihm wenigstens Sicilien erobert hatten, nie gesehen. Der Obergeneral hatte sich am Schloßportale aufgestellt, umgeben von Von den letzten Divisionen, welche die Gasse formirter, kehrte er wieder Von dem Putzen und Bürsten, welches einer gewöhnlichen Parade vor¬ Einige Tage nach dieser Revue wurde das Manifest bekannt gemacht, Armee, deren Veteranen ihm wenigstens Sicilien erobert hatten, nie gesehen. Der Obergeneral hatte sich am Schloßportale aufgestellt, umgeben von Von den letzten Divisionen, welche die Gasse formirter, kehrte er wieder Von dem Putzen und Bürsten, welches einer gewöhnlichen Parade vor¬ Einige Tage nach dieser Revue wurde das Manifest bekannt gemacht, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111942"/> <p xml:id="ID_1994" prev="#ID_1993"> Armee, deren Veteranen ihm wenigstens Sicilien erobert hatten, nie gesehen.<lb/> Statt seiner hielt Garibaldi die Revue ab. es war die erste, die er befohlen,<lb/> und zugleich die letzte der Südarmee.</p><lb/> <p xml:id="ID_1995"> Der Obergeneral hatte sich am Schloßportale aufgestellt, umgeben von<lb/> seinen Generälen, welche den eingetretenen Verhältnissen sich schon insoweit<lb/> anbequemt hatten, daß sie statt der bisher getragenen rothen die blauen Mützen<lb/> der sardinischen Armee trugen. An Garibaldi aber war nichts verändert. —<lb/> Er trug den gewohnten runden, ungarischen Hut, die alte rothe Blouse, sein<lb/> graues Beinkleid und den hellgrauen Mantel, und ritt seinen Schimmel. —<lb/> Nach einigen Minuten setzte er sich mit seinem Gefolge in Bewegung. Die<lb/> ersten Bataillone und Divisionen präsentirten. dann allmälig die andern, end¬<lb/> lich ritt er auch an uns vorüber. Sein Gesicht war ernst, fast düster. Es<lb/> sah beinahe aus, als ob sein Auge eine Thräne zurückhielte. Der Feldherr<lb/> sprach kein Wort, er grüßte nicht — eine lautlose Stille herrschte auch unter<lb/> den Truppen. Sie kannten die Bedeutung des Tages noch nicht. — Die<lb/> Commandoworte und das Klirren der präsentirten Gewehre waren die ein¬<lb/> zigen Ehrenbezeigungen, die das Heer seinem Führer erwies.</p><lb/> <p xml:id="ID_1996"> Von den letzten Divisionen, welche die Gasse formirter, kehrte er wieder<lb/> zurück, langsam Schritt reitend, als wollte er sich jedes einzelne Gesicht ein¬<lb/> prägen. Dann desilirten diese letzten Divisionen durch die Reihen ihrer<lb/> Waffengeführten und an ihm vorüber, die andern folgten von unten auf,<lb/> bis auch die ersten die Revue passirt hatten. Recht gut nahmen sich die<lb/> kleinen Zuavencompagnien in ihrem Laufschritt, das Gewehr in der Hand, aus.<lb/> Malerische Gestalten waren die Kalabreser in ihren spitzen Hüten, ihren dunkeln An¬<lb/> zügen und mit ihren fast ebenso dunkeln Gesichtern. Auch die Engländer bildeten<lb/> noch immer ein stattliches Corps. Zuletzt kam die Cavallerie und die weni¬<lb/> gen Feldgeschütze. Vor dem Feldherrn angekommen, setzten die ungarischen<lb/> Husaren ihre Pferde in Galopp, kreuzten die Säbel und sprengten mit lautem:<lb/> „Eljen Garibaldi!" vorbei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1997"> Von dem Putzen und Bürsten, welches einer gewöhnlichen Parade vor¬<lb/> herzugehen pflegt, war hier natürlich nicht die Rede. Kein Mensch hatte von<lb/> der Revue eher gewußt, als nachdem das Signalhorn dazu gerufen, und die<lb/> Paradeuniformen waren die von Soldaten, die einen monatelangen Feldzug<lb/> durchgemacht, nicht besser, eher vielleicht etwas schlechter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1998" next="#ID_1999"> Einige Tage nach dieser Revue wurde das Manifest bekannt gemacht,<lb/> wodurch Garibaldi in Victor Emanuels Namen die Südarmee auflöste und<lb/> zugleich der letzte Armeebefehl des nunmehr auch entlassenen Heerführers.<lb/> Eine feierliche Mittheilung seiner Abschiedsworte an die Armee fand nicht<lb/> statt. Den Soldaten wurde freigestellt, ob sie sortdienen, oder gegen eine<lb/> Abfindungssumme ihren Abschied nehmen wollten. Von den Gemeinen zeigten</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Armee, deren Veteranen ihm wenigstens Sicilien erobert hatten, nie gesehen.
Statt seiner hielt Garibaldi die Revue ab. es war die erste, die er befohlen,
und zugleich die letzte der Südarmee.
Der Obergeneral hatte sich am Schloßportale aufgestellt, umgeben von
seinen Generälen, welche den eingetretenen Verhältnissen sich schon insoweit
anbequemt hatten, daß sie statt der bisher getragenen rothen die blauen Mützen
der sardinischen Armee trugen. An Garibaldi aber war nichts verändert. —
Er trug den gewohnten runden, ungarischen Hut, die alte rothe Blouse, sein
graues Beinkleid und den hellgrauen Mantel, und ritt seinen Schimmel. —
Nach einigen Minuten setzte er sich mit seinem Gefolge in Bewegung. Die
ersten Bataillone und Divisionen präsentirten. dann allmälig die andern, end¬
lich ritt er auch an uns vorüber. Sein Gesicht war ernst, fast düster. Es
sah beinahe aus, als ob sein Auge eine Thräne zurückhielte. Der Feldherr
sprach kein Wort, er grüßte nicht — eine lautlose Stille herrschte auch unter
den Truppen. Sie kannten die Bedeutung des Tages noch nicht. — Die
Commandoworte und das Klirren der präsentirten Gewehre waren die ein¬
zigen Ehrenbezeigungen, die das Heer seinem Führer erwies.
Von den letzten Divisionen, welche die Gasse formirter, kehrte er wieder
zurück, langsam Schritt reitend, als wollte er sich jedes einzelne Gesicht ein¬
prägen. Dann desilirten diese letzten Divisionen durch die Reihen ihrer
Waffengeführten und an ihm vorüber, die andern folgten von unten auf,
bis auch die ersten die Revue passirt hatten. Recht gut nahmen sich die
kleinen Zuavencompagnien in ihrem Laufschritt, das Gewehr in der Hand, aus.
Malerische Gestalten waren die Kalabreser in ihren spitzen Hüten, ihren dunkeln An¬
zügen und mit ihren fast ebenso dunkeln Gesichtern. Auch die Engländer bildeten
noch immer ein stattliches Corps. Zuletzt kam die Cavallerie und die weni¬
gen Feldgeschütze. Vor dem Feldherrn angekommen, setzten die ungarischen
Husaren ihre Pferde in Galopp, kreuzten die Säbel und sprengten mit lautem:
„Eljen Garibaldi!" vorbei.
Von dem Putzen und Bürsten, welches einer gewöhnlichen Parade vor¬
herzugehen pflegt, war hier natürlich nicht die Rede. Kein Mensch hatte von
der Revue eher gewußt, als nachdem das Signalhorn dazu gerufen, und die
Paradeuniformen waren die von Soldaten, die einen monatelangen Feldzug
durchgemacht, nicht besser, eher vielleicht etwas schlechter.
Einige Tage nach dieser Revue wurde das Manifest bekannt gemacht,
wodurch Garibaldi in Victor Emanuels Namen die Südarmee auflöste und
zugleich der letzte Armeebefehl des nunmehr auch entlassenen Heerführers.
Eine feierliche Mittheilung seiner Abschiedsworte an die Armee fand nicht
statt. Den Soldaten wurde freigestellt, ob sie sortdienen, oder gegen eine
Abfindungssumme ihren Abschied nehmen wollten. Von den Gemeinen zeigten
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |