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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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auch sachlich noch so sehr gerechtfertigt wäre, nur mit der Zerstörung der zu¬
verlässigen Allgemeingiitigkeit, also zu theuer, erkauft. Mit Recht haben sich
bereits mehrfach Stimmen in den Einzelländern. erhoben, welche die vollstän¬
digste Uebereinstimmung in der Annahme des Textes betonen. Auch aus dem
Schooße des Bundestags wird die unveränderte Annahme, wenn auch nicht
einstimmig, den Regierungen ans Herz gelegt. Das ist das Wichtigste.
Wenn sich auch nur wiederholt, was an der Wechselordnung geschehen, so
ist die Spitze abgebrochen. Daß neben der su bloc-Annahme nach der
Nürnberger Redaction keine Wahl und keine Möglichkeit, Einzelnes noch zu
bessern, gelassen ist, fällt nicht der Nation zur Schuld. Ob diese unveränderte
Annahme des Entwurfs in allen Staaten gelingen, oder auch nur versucht
werden wird? Wir wünschen es von Herzen, .wagen aber nach den Erfah¬
rungen der Vergangenheit nicht, feste Zuversicht auszusprechen; selbst dann
nicht, wenn auch die Mehrheit der Bundesmitglieder sich zur en dive-An¬
nahme vereinigt.

Neben dem Gesetz selbst läuft nothwendig eine Einführungsverordnung
her. Hierin Uebereinstimmung erwarten zu wollen, fällt Niemandem ein.
Uebereinstimmung kann auch nicht sein. Dies wäre viel eher möglich, wenn
der Entwurf wirklich nur leitende Rechtsgrundsätze enthielte. Die Einführung
eines solchen Gesetzes könnte sehr einfach und daher übereinstimmend sein.

Nun hat man sich aber mit vielerlei Verwaltungs- und Regulativbe-
stimmungcn befaßt. Eben nur befaßt, aber nicht durchgegriffen, was auch
grade in derlei Dingen schwierig und bedenklich wird. Die Folge davon
war. daß. eben weil man der polizeilichen oder administrativen Ordnung des
Handelswesens Ungehöriges nicht ausschied, die Ausführung sast durchweg
doch wieder den Sondergesetzgebungen überlassen werden mußte'. Dies ist
einer der übelsten Punkte. Die Verschiedenheiten sind unausbleiblich; oft ist
für diesen oder jenen Staat das Princip des Entwurfs, das ausgeführt wer¬
den muß. gradezu ein Rückschritt, und nun doch nicht, einmal Gleichheit zu
erwarten. Die Organisation der Handelsgerichte, die Proceß- und die
Fallitenordnung, eins der wichtigsten Capitel, sind gar nicht zum Vorschein
gekommen; und in der That sind unter den jetzigen Verhältnissen die Schwierig¬
keiten in dieser Beziehung so groß, daß man sie kaum für übersteigbar er¬
achten kann.

Abermals fühlt man sich zu der Erwägung gedrängt, wie das anders
sein könnte. Wäre der feste Mittelpunkt einer Centtalbehörde gesunden, dann
würden abermals mit großer Ersparnis) an Mühe und Kosten auch die ad¬
ministrativen Maßregeln, wenn sie einmal bestehen sollen, in Ausführung und
Uebereinstimmung gebracht werden. Wäre eine einheitliche Gewalt da. dann
würde auch der Ordnung des Verfahrens in Handelssachen, ohne dessen


Grcnzl.oder II. 1861, ^

auch sachlich noch so sehr gerechtfertigt wäre, nur mit der Zerstörung der zu¬
verlässigen Allgemeingiitigkeit, also zu theuer, erkauft. Mit Recht haben sich
bereits mehrfach Stimmen in den Einzelländern. erhoben, welche die vollstän¬
digste Uebereinstimmung in der Annahme des Textes betonen. Auch aus dem
Schooße des Bundestags wird die unveränderte Annahme, wenn auch nicht
einstimmig, den Regierungen ans Herz gelegt. Das ist das Wichtigste.
Wenn sich auch nur wiederholt, was an der Wechselordnung geschehen, so
ist die Spitze abgebrochen. Daß neben der su bloc-Annahme nach der
Nürnberger Redaction keine Wahl und keine Möglichkeit, Einzelnes noch zu
bessern, gelassen ist, fällt nicht der Nation zur Schuld. Ob diese unveränderte
Annahme des Entwurfs in allen Staaten gelingen, oder auch nur versucht
werden wird? Wir wünschen es von Herzen, .wagen aber nach den Erfah¬
rungen der Vergangenheit nicht, feste Zuversicht auszusprechen; selbst dann
nicht, wenn auch die Mehrheit der Bundesmitglieder sich zur en dive-An¬
nahme vereinigt.

Neben dem Gesetz selbst läuft nothwendig eine Einführungsverordnung
her. Hierin Uebereinstimmung erwarten zu wollen, fällt Niemandem ein.
Uebereinstimmung kann auch nicht sein. Dies wäre viel eher möglich, wenn
der Entwurf wirklich nur leitende Rechtsgrundsätze enthielte. Die Einführung
eines solchen Gesetzes könnte sehr einfach und daher übereinstimmend sein.

Nun hat man sich aber mit vielerlei Verwaltungs- und Regulativbe-
stimmungcn befaßt. Eben nur befaßt, aber nicht durchgegriffen, was auch
grade in derlei Dingen schwierig und bedenklich wird. Die Folge davon
war. daß. eben weil man der polizeilichen oder administrativen Ordnung des
Handelswesens Ungehöriges nicht ausschied, die Ausführung sast durchweg
doch wieder den Sondergesetzgebungen überlassen werden mußte'. Dies ist
einer der übelsten Punkte. Die Verschiedenheiten sind unausbleiblich; oft ist
für diesen oder jenen Staat das Princip des Entwurfs, das ausgeführt wer¬
den muß. gradezu ein Rückschritt, und nun doch nicht, einmal Gleichheit zu
erwarten. Die Organisation der Handelsgerichte, die Proceß- und die
Fallitenordnung, eins der wichtigsten Capitel, sind gar nicht zum Vorschein
gekommen; und in der That sind unter den jetzigen Verhältnissen die Schwierig¬
keiten in dieser Beziehung so groß, daß man sie kaum für übersteigbar er¬
achten kann.

Abermals fühlt man sich zu der Erwägung gedrängt, wie das anders
sein könnte. Wäre der feste Mittelpunkt einer Centtalbehörde gesunden, dann
würden abermals mit großer Ersparnis) an Mühe und Kosten auch die ad¬
ministrativen Maßregeln, wenn sie einmal bestehen sollen, in Ausführung und
Uebereinstimmung gebracht werden. Wäre eine einheitliche Gewalt da. dann
würde auch der Ordnung des Verfahrens in Handelssachen, ohne dessen


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[0459] auch sachlich noch so sehr gerechtfertigt wäre, nur mit der Zerstörung der zu¬ verlässigen Allgemeingiitigkeit, also zu theuer, erkauft. Mit Recht haben sich bereits mehrfach Stimmen in den Einzelländern. erhoben, welche die vollstän¬ digste Uebereinstimmung in der Annahme des Textes betonen. Auch aus dem Schooße des Bundestags wird die unveränderte Annahme, wenn auch nicht einstimmig, den Regierungen ans Herz gelegt. Das ist das Wichtigste. Wenn sich auch nur wiederholt, was an der Wechselordnung geschehen, so ist die Spitze abgebrochen. Daß neben der su bloc-Annahme nach der Nürnberger Redaction keine Wahl und keine Möglichkeit, Einzelnes noch zu bessern, gelassen ist, fällt nicht der Nation zur Schuld. Ob diese unveränderte Annahme des Entwurfs in allen Staaten gelingen, oder auch nur versucht werden wird? Wir wünschen es von Herzen, .wagen aber nach den Erfah¬ rungen der Vergangenheit nicht, feste Zuversicht auszusprechen; selbst dann nicht, wenn auch die Mehrheit der Bundesmitglieder sich zur en dive-An¬ nahme vereinigt. Neben dem Gesetz selbst läuft nothwendig eine Einführungsverordnung her. Hierin Uebereinstimmung erwarten zu wollen, fällt Niemandem ein. Uebereinstimmung kann auch nicht sein. Dies wäre viel eher möglich, wenn der Entwurf wirklich nur leitende Rechtsgrundsätze enthielte. Die Einführung eines solchen Gesetzes könnte sehr einfach und daher übereinstimmend sein. Nun hat man sich aber mit vielerlei Verwaltungs- und Regulativbe- stimmungcn befaßt. Eben nur befaßt, aber nicht durchgegriffen, was auch grade in derlei Dingen schwierig und bedenklich wird. Die Folge davon war. daß. eben weil man der polizeilichen oder administrativen Ordnung des Handelswesens Ungehöriges nicht ausschied, die Ausführung sast durchweg doch wieder den Sondergesetzgebungen überlassen werden mußte'. Dies ist einer der übelsten Punkte. Die Verschiedenheiten sind unausbleiblich; oft ist für diesen oder jenen Staat das Princip des Entwurfs, das ausgeführt wer¬ den muß. gradezu ein Rückschritt, und nun doch nicht, einmal Gleichheit zu erwarten. Die Organisation der Handelsgerichte, die Proceß- und die Fallitenordnung, eins der wichtigsten Capitel, sind gar nicht zum Vorschein gekommen; und in der That sind unter den jetzigen Verhältnissen die Schwierig¬ keiten in dieser Beziehung so groß, daß man sie kaum für übersteigbar er¬ achten kann. Abermals fühlt man sich zu der Erwägung gedrängt, wie das anders sein könnte. Wäre der feste Mittelpunkt einer Centtalbehörde gesunden, dann würden abermals mit großer Ersparnis) an Mühe und Kosten auch die ad¬ ministrativen Maßregeln, wenn sie einmal bestehen sollen, in Ausführung und Uebereinstimmung gebracht werden. Wäre eine einheitliche Gewalt da. dann würde auch der Ordnung des Verfahrens in Handelssachen, ohne dessen Grcnzl.oder II. 1861, ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/459>, abgerufen am 25.08.2024.