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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Mittel der Landesvertheidigung wie die Landarmee ist und daß sie in der Regel
das einzige Mittel ist, durch welches der Einfluß eines Staats außerhalb des
cngbegrcnzten Kreises der ihn unmittelbar umgebenden Länder begründet und
geltend gemacht werden kann.

Auf der andern Seite gibt es Staaten, deren Kriegsflotte unter dem Ni¬
veau ihrer Handelsflotte steht.

Wir könnten hierzu vielleicht Nordamerika rechnen, indessen kommen für
die Vereinigten Staaten eigenthümliche Verhältnisse in Betracht. Wir er¬
wähnen darunter nur. daß dieselben der Seerechtsdeclaration des Pariser
Kongresses von 185V nicht beigetreten sind, und daß es die Meinung der
Staatsmänner der Vereinigten Staaten' ist, bei einem Seekriege von dem
vorbehaltenen Rechte, Caperbricfe auszugeben, den ausgedehntesten Gebrauch
zu machen. Ein großer Theil der Handelsflotte ist daher unter Umständen
Kriegsflotte. Die Staaten Europas haben sich im Verhältniß zu einander
dieses Rechtes begeben. Auch Griechenland. Die Schwäche der griechischen
Kriegsflotte rechtfertigte sich bis zu jener Pariser Seerechtsdeclaration gleich¬
falls mit der Voraussetzung der Anwendung der Caper im Kriege gegen die
Türkei.

Zur Zeit des Freiheitskrieges hatte die ganze griechische Secrüstung lange
Zeit nur aus bewaffneten Handelsschiffen bestanden und hatte, bei der Eigen¬
thümlichkeit der griechischen Gewässer und der griechischen Marine große Er¬
folge erzielt. Seit 1856 wird sich dies wenigstens nur auf Umwegen wieder
erreichen lassen.

Abgesehen von diesen beiden durch besondere Verhältnisse gerechtfertigte"
Ausnahmen treten nur'die deutschen Staaten als solche hervor, deren Kriegs¬
flotte unter dem Verhältnisse ihrer Handelsflotte steht.

Was Preußen betrifft, so werdet wir noch Gelegenheit haben, die
Flottenverhülmisse desselben näher ins Auge zu fassen. Es mag indeß schon
hier erwähnt werden, daß die preußische Regierung seit einem Jahrzehnt den
großen Mangel einer maritimen Landesvenheidigung erkannt hat und im Be¬
griffe steht, diesen Mangel zu ergänzen. Preußen wird hierbei durch den
überkommenen Bestand einer Segelflotte, die zu gut ist. um die Schiffe ein"
fach zu beseitigen und doch nicht gut genug, um den erhöhten Anforderungen
zu genügen, nicht wie andere Secstaaten gehindert.

Der Umstand, daß Preußen mit Errichtung einer Kriegsmarine zu einer
Zeit begonnen hat, in der sich die große Revolution des Seewesens durch die
Erfindung der Schraube und der gezogenen Kanonen vollzog, hat schon jetzt
die Folge gehabt, daß man bei der preußischen Flotte weniger als bei einer
andern die Zahl der Geschütze als Maßstab des Werths der Marine in Be¬
tracht ziehen darf.


Mittel der Landesvertheidigung wie die Landarmee ist und daß sie in der Regel
das einzige Mittel ist, durch welches der Einfluß eines Staats außerhalb des
cngbegrcnzten Kreises der ihn unmittelbar umgebenden Länder begründet und
geltend gemacht werden kann.

Auf der andern Seite gibt es Staaten, deren Kriegsflotte unter dem Ni¬
veau ihrer Handelsflotte steht.

Wir könnten hierzu vielleicht Nordamerika rechnen, indessen kommen für
die Vereinigten Staaten eigenthümliche Verhältnisse in Betracht. Wir er¬
wähnen darunter nur. daß dieselben der Seerechtsdeclaration des Pariser
Kongresses von 185V nicht beigetreten sind, und daß es die Meinung der
Staatsmänner der Vereinigten Staaten' ist, bei einem Seekriege von dem
vorbehaltenen Rechte, Caperbricfe auszugeben, den ausgedehntesten Gebrauch
zu machen. Ein großer Theil der Handelsflotte ist daher unter Umständen
Kriegsflotte. Die Staaten Europas haben sich im Verhältniß zu einander
dieses Rechtes begeben. Auch Griechenland. Die Schwäche der griechischen
Kriegsflotte rechtfertigte sich bis zu jener Pariser Seerechtsdeclaration gleich¬
falls mit der Voraussetzung der Anwendung der Caper im Kriege gegen die
Türkei.

Zur Zeit des Freiheitskrieges hatte die ganze griechische Secrüstung lange
Zeit nur aus bewaffneten Handelsschiffen bestanden und hatte, bei der Eigen¬
thümlichkeit der griechischen Gewässer und der griechischen Marine große Er¬
folge erzielt. Seit 1856 wird sich dies wenigstens nur auf Umwegen wieder
erreichen lassen.

Abgesehen von diesen beiden durch besondere Verhältnisse gerechtfertigte»
Ausnahmen treten nur'die deutschen Staaten als solche hervor, deren Kriegs¬
flotte unter dem Verhältnisse ihrer Handelsflotte steht.

Was Preußen betrifft, so werdet wir noch Gelegenheit haben, die
Flottenverhülmisse desselben näher ins Auge zu fassen. Es mag indeß schon
hier erwähnt werden, daß die preußische Regierung seit einem Jahrzehnt den
großen Mangel einer maritimen Landesvenheidigung erkannt hat und im Be¬
griffe steht, diesen Mangel zu ergänzen. Preußen wird hierbei durch den
überkommenen Bestand einer Segelflotte, die zu gut ist. um die Schiffe ein»
fach zu beseitigen und doch nicht gut genug, um den erhöhten Anforderungen
zu genügen, nicht wie andere Secstaaten gehindert.

Der Umstand, daß Preußen mit Errichtung einer Kriegsmarine zu einer
Zeit begonnen hat, in der sich die große Revolution des Seewesens durch die
Erfindung der Schraube und der gezogenen Kanonen vollzog, hat schon jetzt
die Folge gehabt, daß man bei der preußischen Flotte weniger als bei einer
andern die Zahl der Geschütze als Maßstab des Werths der Marine in Be¬
tracht ziehen darf.


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[0218] Mittel der Landesvertheidigung wie die Landarmee ist und daß sie in der Regel das einzige Mittel ist, durch welches der Einfluß eines Staats außerhalb des cngbegrcnzten Kreises der ihn unmittelbar umgebenden Länder begründet und geltend gemacht werden kann. Auf der andern Seite gibt es Staaten, deren Kriegsflotte unter dem Ni¬ veau ihrer Handelsflotte steht. Wir könnten hierzu vielleicht Nordamerika rechnen, indessen kommen für die Vereinigten Staaten eigenthümliche Verhältnisse in Betracht. Wir er¬ wähnen darunter nur. daß dieselben der Seerechtsdeclaration des Pariser Kongresses von 185V nicht beigetreten sind, und daß es die Meinung der Staatsmänner der Vereinigten Staaten' ist, bei einem Seekriege von dem vorbehaltenen Rechte, Caperbricfe auszugeben, den ausgedehntesten Gebrauch zu machen. Ein großer Theil der Handelsflotte ist daher unter Umständen Kriegsflotte. Die Staaten Europas haben sich im Verhältniß zu einander dieses Rechtes begeben. Auch Griechenland. Die Schwäche der griechischen Kriegsflotte rechtfertigte sich bis zu jener Pariser Seerechtsdeclaration gleich¬ falls mit der Voraussetzung der Anwendung der Caper im Kriege gegen die Türkei. Zur Zeit des Freiheitskrieges hatte die ganze griechische Secrüstung lange Zeit nur aus bewaffneten Handelsschiffen bestanden und hatte, bei der Eigen¬ thümlichkeit der griechischen Gewässer und der griechischen Marine große Er¬ folge erzielt. Seit 1856 wird sich dies wenigstens nur auf Umwegen wieder erreichen lassen. Abgesehen von diesen beiden durch besondere Verhältnisse gerechtfertigte» Ausnahmen treten nur'die deutschen Staaten als solche hervor, deren Kriegs¬ flotte unter dem Verhältnisse ihrer Handelsflotte steht. Was Preußen betrifft, so werdet wir noch Gelegenheit haben, die Flottenverhülmisse desselben näher ins Auge zu fassen. Es mag indeß schon hier erwähnt werden, daß die preußische Regierung seit einem Jahrzehnt den großen Mangel einer maritimen Landesvenheidigung erkannt hat und im Be¬ griffe steht, diesen Mangel zu ergänzen. Preußen wird hierbei durch den überkommenen Bestand einer Segelflotte, die zu gut ist. um die Schiffe ein» fach zu beseitigen und doch nicht gut genug, um den erhöhten Anforderungen zu genügen, nicht wie andere Secstaaten gehindert. Der Umstand, daß Preußen mit Errichtung einer Kriegsmarine zu einer Zeit begonnen hat, in der sich die große Revolution des Seewesens durch die Erfindung der Schraube und der gezogenen Kanonen vollzog, hat schon jetzt die Folge gehabt, daß man bei der preußischen Flotte weniger als bei einer andern die Zahl der Geschütze als Maßstab des Werths der Marine in Be¬ tracht ziehen darf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/218>, abgerufen am 22.07.2024.