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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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der Kaufmannschaft, und dadurch die von derselben abhängigen unteren ar¬
beitenden Klassen, in ihr Interesse zu ziehen. Die Liberalität der Bank
führte dahin, daß die große Mehrzahl der Kaufleute weit über ihre Geld¬
mittel arbeitete und auf diese Weise völlig in den Händen der Ban? war.
Nachdem die Bank so festen Fuß gefaßt hatte, begannen zuerst die dänischen
Wühlereien in Flensburg und Nordschleswig. Bis dahin hatten die Dänen
nie gefunden, daß der, Norden Schleswigs dänisch rede; es sei vielmehr ein
Patois, was weder, ein Däne noch ein Deutscher verstehen könne; es sei eine
Anmaßung, diese Sprache dänisch nennen zu wollen. Jetzt auf einmal hieß
es, man spreche in Flensvurg sowie im ganzen Norden vortrefflich dänisch,
das noch viel besser fein würde, wenn nicht vom Süden aus aus die Ver¬
drängung der Sprache hingearbeitet würde. Es bildete sich in Kopenhagen
"eine Gesellschaft für den richtigen Gebrauch der Presse", die den ganzen
Norden Schleswigs unter Aufopferung vieler Tausende von Thalern mit dü¬
nischen Schriften aller Art überfluthete. Die Propagandisten in Schleswig
brachten Adressen aller Art in Umlauf, deren Zweck darauf hinauslief, der
Danifirung Nordschleswigs allen erdenklichen Vorschub zu leisten. Diese
wurden den Flensburgern zur Unterschrift vorgelegt; man wurde stutzig,
weigerte sich, die Adressen zu unterzeichnen, jedoch eine Drohung der Filial¬
bank, den gegebenen Credit zu kündigen, ließ die Widerspenstigen bald ein¬
sehen, daß ihr Ruin aus der Weigerung folgen werde. Der untern Klasse
wurde leicht begreiflich gemacht, daß ihr Heil von Dänemark abhänge;
wenn, so sagte man. die Bank ihre Hand von der Kaufmannschaft abzöge,
würden sie in Brotlosigkeit Verfallen. So war das Netz über Flensburg ge¬
worfen, das die Stadt selbst über sich zusammengezogen hatte; die ungeheure
Majorität der Schleswig-Holsteiner in Flensburg sank bis zur geringen Mi¬
norität herab, umgeben von einem fanatisirten, dänisch gesinnten Pöbel.
Diese Umwandlung Flensburgs war für den Norden Schleswigs entscheidend,
die Propaganda stützte sich auf die erste Stadt im Lande. Daher kam es
denn auch, daß das benachbarte Sundewitt in den Kriegsjahren 1848 und
49 sich am fanatischesten dänisch gesinnt erwies. Die großen Versprechungen
und Vorspiegelungen, welche die Dänen Flensburg gemacht haben, sind in¬
dessen nicht nur nicht verwirklicht, sondern die Sachlage ist die, daß der Han¬
del Flensburgs durch das gemeinsame Zollsystem mit Dänemark völlig rui-
nirt ist; von dem früher so blühenden Großhandel der Stadt ist nur noch ein
kümmerlicher Küstenhandel übrig geblieben. Dem Fall der großen Kauf¬
leute folgten die kleinern nach, wovon die weitere Folge Arbeits- und Nahrungs-
losigkeit der untern Klassen gewesen ist. Dieses Sachverhältniß hat unter
den gebildeten Klassen in Flensburg nicht minder, wie in der großen Maste,
die perfide Handlungsweise Dünemarks erkennen lassen und mußte so das


der Kaufmannschaft, und dadurch die von derselben abhängigen unteren ar¬
beitenden Klassen, in ihr Interesse zu ziehen. Die Liberalität der Bank
führte dahin, daß die große Mehrzahl der Kaufleute weit über ihre Geld¬
mittel arbeitete und auf diese Weise völlig in den Händen der Ban? war.
Nachdem die Bank so festen Fuß gefaßt hatte, begannen zuerst die dänischen
Wühlereien in Flensburg und Nordschleswig. Bis dahin hatten die Dänen
nie gefunden, daß der, Norden Schleswigs dänisch rede; es sei vielmehr ein
Patois, was weder, ein Däne noch ein Deutscher verstehen könne; es sei eine
Anmaßung, diese Sprache dänisch nennen zu wollen. Jetzt auf einmal hieß
es, man spreche in Flensvurg sowie im ganzen Norden vortrefflich dänisch,
das noch viel besser fein würde, wenn nicht vom Süden aus aus die Ver¬
drängung der Sprache hingearbeitet würde. Es bildete sich in Kopenhagen
„eine Gesellschaft für den richtigen Gebrauch der Presse", die den ganzen
Norden Schleswigs unter Aufopferung vieler Tausende von Thalern mit dü¬
nischen Schriften aller Art überfluthete. Die Propagandisten in Schleswig
brachten Adressen aller Art in Umlauf, deren Zweck darauf hinauslief, der
Danifirung Nordschleswigs allen erdenklichen Vorschub zu leisten. Diese
wurden den Flensburgern zur Unterschrift vorgelegt; man wurde stutzig,
weigerte sich, die Adressen zu unterzeichnen, jedoch eine Drohung der Filial¬
bank, den gegebenen Credit zu kündigen, ließ die Widerspenstigen bald ein¬
sehen, daß ihr Ruin aus der Weigerung folgen werde. Der untern Klasse
wurde leicht begreiflich gemacht, daß ihr Heil von Dänemark abhänge;
wenn, so sagte man. die Bank ihre Hand von der Kaufmannschaft abzöge,
würden sie in Brotlosigkeit Verfallen. So war das Netz über Flensburg ge¬
worfen, das die Stadt selbst über sich zusammengezogen hatte; die ungeheure
Majorität der Schleswig-Holsteiner in Flensburg sank bis zur geringen Mi¬
norität herab, umgeben von einem fanatisirten, dänisch gesinnten Pöbel.
Diese Umwandlung Flensburgs war für den Norden Schleswigs entscheidend,
die Propaganda stützte sich auf die erste Stadt im Lande. Daher kam es
denn auch, daß das benachbarte Sundewitt in den Kriegsjahren 1848 und
49 sich am fanatischesten dänisch gesinnt erwies. Die großen Versprechungen
und Vorspiegelungen, welche die Dänen Flensburg gemacht haben, sind in¬
dessen nicht nur nicht verwirklicht, sondern die Sachlage ist die, daß der Han¬
del Flensburgs durch das gemeinsame Zollsystem mit Dänemark völlig rui-
nirt ist; von dem früher so blühenden Großhandel der Stadt ist nur noch ein
kümmerlicher Küstenhandel übrig geblieben. Dem Fall der großen Kauf¬
leute folgten die kleinern nach, wovon die weitere Folge Arbeits- und Nahrungs-
losigkeit der untern Klassen gewesen ist. Dieses Sachverhältniß hat unter
den gebildeten Klassen in Flensburg nicht minder, wie in der großen Maste,
die perfide Handlungsweise Dünemarks erkennen lassen und mußte so das


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[0180] der Kaufmannschaft, und dadurch die von derselben abhängigen unteren ar¬ beitenden Klassen, in ihr Interesse zu ziehen. Die Liberalität der Bank führte dahin, daß die große Mehrzahl der Kaufleute weit über ihre Geld¬ mittel arbeitete und auf diese Weise völlig in den Händen der Ban? war. Nachdem die Bank so festen Fuß gefaßt hatte, begannen zuerst die dänischen Wühlereien in Flensburg und Nordschleswig. Bis dahin hatten die Dänen nie gefunden, daß der, Norden Schleswigs dänisch rede; es sei vielmehr ein Patois, was weder, ein Däne noch ein Deutscher verstehen könne; es sei eine Anmaßung, diese Sprache dänisch nennen zu wollen. Jetzt auf einmal hieß es, man spreche in Flensvurg sowie im ganzen Norden vortrefflich dänisch, das noch viel besser fein würde, wenn nicht vom Süden aus aus die Ver¬ drängung der Sprache hingearbeitet würde. Es bildete sich in Kopenhagen „eine Gesellschaft für den richtigen Gebrauch der Presse", die den ganzen Norden Schleswigs unter Aufopferung vieler Tausende von Thalern mit dü¬ nischen Schriften aller Art überfluthete. Die Propagandisten in Schleswig brachten Adressen aller Art in Umlauf, deren Zweck darauf hinauslief, der Danifirung Nordschleswigs allen erdenklichen Vorschub zu leisten. Diese wurden den Flensburgern zur Unterschrift vorgelegt; man wurde stutzig, weigerte sich, die Adressen zu unterzeichnen, jedoch eine Drohung der Filial¬ bank, den gegebenen Credit zu kündigen, ließ die Widerspenstigen bald ein¬ sehen, daß ihr Ruin aus der Weigerung folgen werde. Der untern Klasse wurde leicht begreiflich gemacht, daß ihr Heil von Dänemark abhänge; wenn, so sagte man. die Bank ihre Hand von der Kaufmannschaft abzöge, würden sie in Brotlosigkeit Verfallen. So war das Netz über Flensburg ge¬ worfen, das die Stadt selbst über sich zusammengezogen hatte; die ungeheure Majorität der Schleswig-Holsteiner in Flensburg sank bis zur geringen Mi¬ norität herab, umgeben von einem fanatisirten, dänisch gesinnten Pöbel. Diese Umwandlung Flensburgs war für den Norden Schleswigs entscheidend, die Propaganda stützte sich auf die erste Stadt im Lande. Daher kam es denn auch, daß das benachbarte Sundewitt in den Kriegsjahren 1848 und 49 sich am fanatischesten dänisch gesinnt erwies. Die großen Versprechungen und Vorspiegelungen, welche die Dänen Flensburg gemacht haben, sind in¬ dessen nicht nur nicht verwirklicht, sondern die Sachlage ist die, daß der Han¬ del Flensburgs durch das gemeinsame Zollsystem mit Dänemark völlig rui- nirt ist; von dem früher so blühenden Großhandel der Stadt ist nur noch ein kümmerlicher Küstenhandel übrig geblieben. Dem Fall der großen Kauf¬ leute folgten die kleinern nach, wovon die weitere Folge Arbeits- und Nahrungs- losigkeit der untern Klassen gewesen ist. Dieses Sachverhältniß hat unter den gebildeten Klassen in Flensburg nicht minder, wie in der großen Maste, die perfide Handlungsweise Dünemarks erkennen lassen und mußte so das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/180>, abgerufen am 22.07.2024.