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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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wissen thatsächlichen oder rechtlichen Unabhängigkeit. Die Katholiken unter
ihnen regieren sich wie sie wollen, haben einen WcM oder Stellvertreter beim
Pascha von Skutari und stehen unter dem Protectorat des französischen Con-
suls in der genannten Stadt. Die wichtigsten Stämme der nördlichen Ghc-
gen, welche zusammen 164.000 Köpfe zählen, sind die Mirditen, die Dukagi-
nen, die Zadrima. Madla. Pulati (Waldleute) und Posripa'sowie die Klementi.
Die südlichen Ghegen, bei El Bassan und Tirana, werden von Lcjean auf
280.000, die Ghegen an der Rascie und Morawa auf 70,000. die Tosken
in Epirus. Thessalien und Mittelalbanien auf 750.000, die Anmuten der ver¬
schiedenen Kolonien auf 45,000 Köpfe angegeben, so daß das ganze Volk
etwa 1,309,000 Seelen stark wäre, wobei indeß die im Königreich Griechen¬
land lebenden nicht mitgerechnet sind.

Die Rumänen oder Walachen sind die alten Dacier, gemischt mit
Abkömmlingen römischer Kolonisten. Unter den höheren Ständen ist grie¬
chisches Blut. Ihre Sprache ist ein verdorbenes Latein mit einigen däni-
schen und vielen slavischen und türkischen Elementen. Sie sind weit über
ihre natürlichen Grenzen Pruth und Donau ausgebreitet, indem sie das ganze
bessarabische Ufer des ersteren Flusses und das ganze südliche der Donau von
Dunawetz bis Silistria einnehmen, in der Dobrudscha und in der Bulgarei
bei Bratscha stark angesiedelt sind und auch im östlichen Serbien weite Strecken
bewohnen. Auf letzteres Land kommen etwa 104.000, auf die Walachei
2.42y,(><)<), auf die Moldau und Bessarabien 1.005.000. auf die Dobrudscha
^.000 und auf die bulgarischen Colonien 40.000. so daß die'ganze Nation
gegen 4,202,000 Seelen zählt. Rechnet man dazu noch die mit ihnen ver¬
wandten Zinznren oder Makedo-Machen, die besonders zahlreich in Thessa¬
lien und Epirus sind, während kleinere Colonien in Griechenland, am Pindus
und Asprovotamo sowie südlich und östlich vom Janina-See angetroffen wer¬
den, so steigert sich die Zahl der Rumänen auf 7-/- Millionen. Die Zinza-
sind kräftig gebaute Leute mit dunklen Haaren und intelligenten, wenn
"und selten hübschen Zügen. Sie gelten für thätig und abgehärtet und zer¬
fallen in seßhafte und nomadisirende. Jene sind selten Ackerbauer, häusig
Kaufleute und Handwerker. Die nomadisirenden. Kambisi oder Karaguni
genannt. Hausen als Hirten von großen Schaf- und Ziegenheerden meist am
Pindus und den benachbarten Bergketten, von wo sie im Sommer an den
Pcneus und nach Thessalien hinab wandern.

Ehe wir zu den letzten beiden Hauptstämmen der Bewohner der europäi¬
schen Türkei übergehen.'geben wir der Vollständigkeit halber noch einige Be¬
merkungen über einige entweder der Zahl oder ihrer Stellung nach unter¬
geordnete Bestandtheile der Bevölkerung. Dahin gehören zunächst die Zigeu¬
ner, die über die ganze Türkei zerstreut leben, aber namentlich in den Donau-


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wissen thatsächlichen oder rechtlichen Unabhängigkeit. Die Katholiken unter
ihnen regieren sich wie sie wollen, haben einen WcM oder Stellvertreter beim
Pascha von Skutari und stehen unter dem Protectorat des französischen Con-
suls in der genannten Stadt. Die wichtigsten Stämme der nördlichen Ghc-
gen, welche zusammen 164.000 Köpfe zählen, sind die Mirditen, die Dukagi-
nen, die Zadrima. Madla. Pulati (Waldleute) und Posripa'sowie die Klementi.
Die südlichen Ghegen, bei El Bassan und Tirana, werden von Lcjean auf
280.000, die Ghegen an der Rascie und Morawa auf 70,000. die Tosken
in Epirus. Thessalien und Mittelalbanien auf 750.000, die Anmuten der ver¬
schiedenen Kolonien auf 45,000 Köpfe angegeben, so daß das ganze Volk
etwa 1,309,000 Seelen stark wäre, wobei indeß die im Königreich Griechen¬
land lebenden nicht mitgerechnet sind.

Die Rumänen oder Walachen sind die alten Dacier, gemischt mit
Abkömmlingen römischer Kolonisten. Unter den höheren Ständen ist grie¬
chisches Blut. Ihre Sprache ist ein verdorbenes Latein mit einigen däni-
schen und vielen slavischen und türkischen Elementen. Sie sind weit über
ihre natürlichen Grenzen Pruth und Donau ausgebreitet, indem sie das ganze
bessarabische Ufer des ersteren Flusses und das ganze südliche der Donau von
Dunawetz bis Silistria einnehmen, in der Dobrudscha und in der Bulgarei
bei Bratscha stark angesiedelt sind und auch im östlichen Serbien weite Strecken
bewohnen. Auf letzteres Land kommen etwa 104.000, auf die Walachei
2.42y,(><)<), auf die Moldau und Bessarabien 1.005.000. auf die Dobrudscha
^.000 und auf die bulgarischen Colonien 40.000. so daß die'ganze Nation
gegen 4,202,000 Seelen zählt. Rechnet man dazu noch die mit ihnen ver¬
wandten Zinznren oder Makedo-Machen, die besonders zahlreich in Thessa¬
lien und Epirus sind, während kleinere Colonien in Griechenland, am Pindus
und Asprovotamo sowie südlich und östlich vom Janina-See angetroffen wer¬
den, so steigert sich die Zahl der Rumänen auf 7-/- Millionen. Die Zinza-
sind kräftig gebaute Leute mit dunklen Haaren und intelligenten, wenn
"und selten hübschen Zügen. Sie gelten für thätig und abgehärtet und zer¬
fallen in seßhafte und nomadisirende. Jene sind selten Ackerbauer, häusig
Kaufleute und Handwerker. Die nomadisirenden. Kambisi oder Karaguni
genannt. Hausen als Hirten von großen Schaf- und Ziegenheerden meist am
Pindus und den benachbarten Bergketten, von wo sie im Sommer an den
Pcneus und nach Thessalien hinab wandern.

Ehe wir zu den letzten beiden Hauptstämmen der Bewohner der europäi¬
schen Türkei übergehen.'geben wir der Vollständigkeit halber noch einige Be¬
merkungen über einige entweder der Zahl oder ihrer Stellung nach unter¬
geordnete Bestandtheile der Bevölkerung. Dahin gehören zunächst die Zigeu¬
ner, die über die ganze Türkei zerstreut leben, aber namentlich in den Donau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/125>, abgerufen am 27.09.2024.