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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Der größte Theil Mecklenburgs ist Feldland, und die zahlreichen ge-
schlängelten Flüsse, die vielen Seen der beiden Herzogthümer bewässern weit-
gedehnte Wiesen. Deshalb herrschen Ackerbau und Viehzucht vor. Der nörd¬
liche und östliche Theil des Landes kann als ein fertiges Culturland gelten,
aus dessen reichem Geestbaden ein behäbiger Bauernstand in der Nuhe der Erb¬
folge und althergebrachter Wirthschaftsweise lebt. Ueppig gedeiht auf dem
Acker der Weizen, auf fetter Trift weiden Rinder und Pferde, letztere der Stolz
des echten Bauern und der Gipfel seines Strebens. Im Nordwesten sind
die Felder wie in den östlichen Strichen Schleswig-Holsteins in Koppeln
getheilt, die von lebenden Hecken, meist Haselnuß- und Schlehdornsträuchcn,
eingefaßt werden. Hinter Wismar. bei Doberan und Rostock begegnen wir
dieser Sitte nicht mehr; hier sind die Felder offen und nur an den Wegen
mit Hecken oder Bäumen besetzt. Der nördliche Bauer cultivirt von Handcls-
pflanzen, Kartoffeln u. f. w. selten mehr als er selbst bedarf. Der reine Ge¬
treidebau gestattet keine sehr großen Dörfer, und so sind die Ortschaften hier
meist nur von Mittelgröße. Im Uebrigen ist dieser Landstrich mannigfaltiger
gruppirt als der Süden. Moorniederungen, Wiesengründe, Thäler, Hügel
theils bebaut, theils mit Wald bedeckt, von Obstgärten umgrüntc freundliche
Dörfer und Städtchen -- dieß Alles wiederholt sich hier schneller als dort, der
Pflanzenwuchs ist üppiger, die Landschaftsbilder haben kräftigere Farlien, die
Seen malerischere Ufer, das Leben ist reicher, die Fülle größer. Nirgends ein
ungenutztes Stück Laud, nirgends mehr eine Hciidestrecke. Der Anbau ist zur
Vollendung gelangt, wenigstens der Breite nach, nur noch die Vertiefung der
Cultur .se möglich.

Inders der Süden mit seinem Sandboden. Auch hier herrscht zwar der
Korubau vor, aber statt des gelben Weizens begegnen wir weit häufiger dem
grauen Roggen, und fast überall macht sich die Neigung.zu einer Handcls-
ftucht bemerklich. Die Wiesen haben ein kurzes hartes Gras, kleine magere
Kühe weiden auf dürren Triften. Große Strecken sind mit Kiefernwald bedeckt,
weil der Boden zur Zeit noch keine entwickeltere Cultur zuläßt. Der Sand¬
acker braucht starke Düngung, das Korn liefert aber nur kurzes Stroh. Die
Felder der Einzelnen sind verhältnißmäßig ausgedehnt, folglich auch der Be¬
darf an Dünger. So sieht man die Landwirthe Kiefernadeln, Waldgras,
Ginster, Torfschollcn und was sonst den Boden fruchtbar macht, herbeikarren
und sorgfältig vertheilen. Das Vieh bedarf einer Abwechslung in der Fütte¬
rung, und so baut man Kraut und Rüben. Der Acker liefert einen geringen
oder mäßigen Kornertrag, und so pflanzt man Kartoffeln, säet Lein und cul-
tivirt andere Handelsgewächse, die aber, wenn dabei nicht vorsichtig verfahren
wird, den Boden aussaugen. Die Bewohner des Sandlandes haben noch
wenig begriffen, was ihnen frommt, und so muß man die wirthschaftliche


Der größte Theil Mecklenburgs ist Feldland, und die zahlreichen ge-
schlängelten Flüsse, die vielen Seen der beiden Herzogthümer bewässern weit-
gedehnte Wiesen. Deshalb herrschen Ackerbau und Viehzucht vor. Der nörd¬
liche und östliche Theil des Landes kann als ein fertiges Culturland gelten,
aus dessen reichem Geestbaden ein behäbiger Bauernstand in der Nuhe der Erb¬
folge und althergebrachter Wirthschaftsweise lebt. Ueppig gedeiht auf dem
Acker der Weizen, auf fetter Trift weiden Rinder und Pferde, letztere der Stolz
des echten Bauern und der Gipfel seines Strebens. Im Nordwesten sind
die Felder wie in den östlichen Strichen Schleswig-Holsteins in Koppeln
getheilt, die von lebenden Hecken, meist Haselnuß- und Schlehdornsträuchcn,
eingefaßt werden. Hinter Wismar. bei Doberan und Rostock begegnen wir
dieser Sitte nicht mehr; hier sind die Felder offen und nur an den Wegen
mit Hecken oder Bäumen besetzt. Der nördliche Bauer cultivirt von Handcls-
pflanzen, Kartoffeln u. f. w. selten mehr als er selbst bedarf. Der reine Ge¬
treidebau gestattet keine sehr großen Dörfer, und so sind die Ortschaften hier
meist nur von Mittelgröße. Im Uebrigen ist dieser Landstrich mannigfaltiger
gruppirt als der Süden. Moorniederungen, Wiesengründe, Thäler, Hügel
theils bebaut, theils mit Wald bedeckt, von Obstgärten umgrüntc freundliche
Dörfer und Städtchen — dieß Alles wiederholt sich hier schneller als dort, der
Pflanzenwuchs ist üppiger, die Landschaftsbilder haben kräftigere Farlien, die
Seen malerischere Ufer, das Leben ist reicher, die Fülle größer. Nirgends ein
ungenutztes Stück Laud, nirgends mehr eine Hciidestrecke. Der Anbau ist zur
Vollendung gelangt, wenigstens der Breite nach, nur noch die Vertiefung der
Cultur .se möglich.

Inders der Süden mit seinem Sandboden. Auch hier herrscht zwar der
Korubau vor, aber statt des gelben Weizens begegnen wir weit häufiger dem
grauen Roggen, und fast überall macht sich die Neigung.zu einer Handcls-
ftucht bemerklich. Die Wiesen haben ein kurzes hartes Gras, kleine magere
Kühe weiden auf dürren Triften. Große Strecken sind mit Kiefernwald bedeckt,
weil der Boden zur Zeit noch keine entwickeltere Cultur zuläßt. Der Sand¬
acker braucht starke Düngung, das Korn liefert aber nur kurzes Stroh. Die
Felder der Einzelnen sind verhältnißmäßig ausgedehnt, folglich auch der Be¬
darf an Dünger. So sieht man die Landwirthe Kiefernadeln, Waldgras,
Ginster, Torfschollcn und was sonst den Boden fruchtbar macht, herbeikarren
und sorgfältig vertheilen. Das Vieh bedarf einer Abwechslung in der Fütte¬
rung, und so baut man Kraut und Rüben. Der Acker liefert einen geringen
oder mäßigen Kornertrag, und so pflanzt man Kartoffeln, säet Lein und cul-
tivirt andere Handelsgewächse, die aber, wenn dabei nicht vorsichtig verfahren
wird, den Boden aussaugen. Die Bewohner des Sandlandes haben noch
wenig begriffen, was ihnen frommt, und so muß man die wirthschaftliche


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[0096] Der größte Theil Mecklenburgs ist Feldland, und die zahlreichen ge- schlängelten Flüsse, die vielen Seen der beiden Herzogthümer bewässern weit- gedehnte Wiesen. Deshalb herrschen Ackerbau und Viehzucht vor. Der nörd¬ liche und östliche Theil des Landes kann als ein fertiges Culturland gelten, aus dessen reichem Geestbaden ein behäbiger Bauernstand in der Nuhe der Erb¬ folge und althergebrachter Wirthschaftsweise lebt. Ueppig gedeiht auf dem Acker der Weizen, auf fetter Trift weiden Rinder und Pferde, letztere der Stolz des echten Bauern und der Gipfel seines Strebens. Im Nordwesten sind die Felder wie in den östlichen Strichen Schleswig-Holsteins in Koppeln getheilt, die von lebenden Hecken, meist Haselnuß- und Schlehdornsträuchcn, eingefaßt werden. Hinter Wismar. bei Doberan und Rostock begegnen wir dieser Sitte nicht mehr; hier sind die Felder offen und nur an den Wegen mit Hecken oder Bäumen besetzt. Der nördliche Bauer cultivirt von Handcls- pflanzen, Kartoffeln u. f. w. selten mehr als er selbst bedarf. Der reine Ge¬ treidebau gestattet keine sehr großen Dörfer, und so sind die Ortschaften hier meist nur von Mittelgröße. Im Uebrigen ist dieser Landstrich mannigfaltiger gruppirt als der Süden. Moorniederungen, Wiesengründe, Thäler, Hügel theils bebaut, theils mit Wald bedeckt, von Obstgärten umgrüntc freundliche Dörfer und Städtchen — dieß Alles wiederholt sich hier schneller als dort, der Pflanzenwuchs ist üppiger, die Landschaftsbilder haben kräftigere Farlien, die Seen malerischere Ufer, das Leben ist reicher, die Fülle größer. Nirgends ein ungenutztes Stück Laud, nirgends mehr eine Hciidestrecke. Der Anbau ist zur Vollendung gelangt, wenigstens der Breite nach, nur noch die Vertiefung der Cultur .se möglich. Inders der Süden mit seinem Sandboden. Auch hier herrscht zwar der Korubau vor, aber statt des gelben Weizens begegnen wir weit häufiger dem grauen Roggen, und fast überall macht sich die Neigung.zu einer Handcls- ftucht bemerklich. Die Wiesen haben ein kurzes hartes Gras, kleine magere Kühe weiden auf dürren Triften. Große Strecken sind mit Kiefernwald bedeckt, weil der Boden zur Zeit noch keine entwickeltere Cultur zuläßt. Der Sand¬ acker braucht starke Düngung, das Korn liefert aber nur kurzes Stroh. Die Felder der Einzelnen sind verhältnißmäßig ausgedehnt, folglich auch der Be¬ darf an Dünger. So sieht man die Landwirthe Kiefernadeln, Waldgras, Ginster, Torfschollcn und was sonst den Boden fruchtbar macht, herbeikarren und sorgfältig vertheilen. Das Vieh bedarf einer Abwechslung in der Fütte¬ rung, und so baut man Kraut und Rüben. Der Acker liefert einen geringen oder mäßigen Kornertrag, und so pflanzt man Kartoffeln, säet Lein und cul- tivirt andere Handelsgewächse, die aber, wenn dabei nicht vorsichtig verfahren wird, den Boden aussaugen. Die Bewohner des Sandlandes haben noch wenig begriffen, was ihnen frommt, und so muß man die wirthschaftliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/96>, abgerufen am 24.08.2024.