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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Das Ergebniß der Mäiidenmhlen in Holstein.

Itzehoe. Den 23. Dec. Indem ich im Folgenden den Versuch mache,
Ihrem Wunsch nach einer Charakteristik der neugewählten Stunde* nachzu¬
kommen, bedauere ich, jetzt nicht vollständiger über die einzelnen Persönlich¬
keiten berichten zu können, da die Mehrzahl unserer neuen Abgeordneten der öffent¬
lichen Meinung außerhalb ihres Wählerkrciscs vollkommen unbekannt ist und
sich höchstens über deren politische Gesinnung, nicht aber über ihre politische
Befähigung mit einiger Sicherheit urtheilen läßt. In Betreff der mir be¬
kannten Deputirten vermied ich sorgfältig jemand Unrecht zu thun, und so
ist es möglich, daß einer oder der andere meine Voraussetzungen nicht völlig
rechtfertigt. Im Allgemeinen ist von der Versammlung Gutes zu hoffen.
Sobald die Stände zusammengetreten sind und ich die Bekanntschaft der Ein¬
zelnen gemacht habe, berichte ich Genaueres. Ebenso erhalten Sie nach Be¬
endigung der Wahlen in Schleswig eine ausführliche Charakteristik der dor¬
tigen Abgeordneten. Bis jetzt läßt sich von der Physiognomie der zukünftigen
schleswigschen Stände nur das Eine sagen, daß trotz aller Schamlosigkeiten
der Wahldirectionen dem deutschen Interesse die Majorität gesichert ist, wenn
auch keine so große als bei den letzten Wahlen.

Das Resultat der holstcincr Wahlen ist ein sehr bedeutender Personen¬
wechsel gewesen. Unter den 51 Abgeordneten befinden sich 29, unter den 51
Stellvertretern 36^ die im itzehoer Ständesaal noch nicht mit getagt haben.
Namentlich die bäuerlichen Landbesitzer haben fast lauter neue Leute (lZ von 1K)
gewählt, und ebenso befinden sich unter den 14 städtischen Abgeordneten 8
neue Namen. ^

Ich beginne mit dem Vertreter der Virilstimmc des Prinzen Wilhelm zu
Hessen. Der Prinz ist dänischer General und Schwiegervater des designirter
Thronfolgers Prinz Christian, und seine Nirilstimme kommt ihm wegen der
fürstlich hessensteinschen Fideicommißgütcr zu. Er ließ sich in der letzten Wahl¬
periode von dem Kammerherrn v. Buchwald auf Helmstorf vertreten, der sich
als treuer Anhänger der alten Landesrechte bewährte. Daß der Prinz jetzt
einem Andern seine Stimme übertragen hat, ist kein gutes Zeichen, und so
werden wir 5>en Kammerherrn v. Levetzow vorläufig auf die Seite der un-
deutschen Partei stellen müssen.


Das Ergebniß der Mäiidenmhlen in Holstein.

Itzehoe. Den 23. Dec. Indem ich im Folgenden den Versuch mache,
Ihrem Wunsch nach einer Charakteristik der neugewählten Stunde* nachzu¬
kommen, bedauere ich, jetzt nicht vollständiger über die einzelnen Persönlich¬
keiten berichten zu können, da die Mehrzahl unserer neuen Abgeordneten der öffent¬
lichen Meinung außerhalb ihres Wählerkrciscs vollkommen unbekannt ist und
sich höchstens über deren politische Gesinnung, nicht aber über ihre politische
Befähigung mit einiger Sicherheit urtheilen läßt. In Betreff der mir be¬
kannten Deputirten vermied ich sorgfältig jemand Unrecht zu thun, und so
ist es möglich, daß einer oder der andere meine Voraussetzungen nicht völlig
rechtfertigt. Im Allgemeinen ist von der Versammlung Gutes zu hoffen.
Sobald die Stände zusammengetreten sind und ich die Bekanntschaft der Ein¬
zelnen gemacht habe, berichte ich Genaueres. Ebenso erhalten Sie nach Be¬
endigung der Wahlen in Schleswig eine ausführliche Charakteristik der dor¬
tigen Abgeordneten. Bis jetzt läßt sich von der Physiognomie der zukünftigen
schleswigschen Stände nur das Eine sagen, daß trotz aller Schamlosigkeiten
der Wahldirectionen dem deutschen Interesse die Majorität gesichert ist, wenn
auch keine so große als bei den letzten Wahlen.

Das Resultat der holstcincr Wahlen ist ein sehr bedeutender Personen¬
wechsel gewesen. Unter den 51 Abgeordneten befinden sich 29, unter den 51
Stellvertretern 36^ die im itzehoer Ständesaal noch nicht mit getagt haben.
Namentlich die bäuerlichen Landbesitzer haben fast lauter neue Leute (lZ von 1K)
gewählt, und ebenso befinden sich unter den 14 städtischen Abgeordneten 8
neue Namen. ^

Ich beginne mit dem Vertreter der Virilstimmc des Prinzen Wilhelm zu
Hessen. Der Prinz ist dänischer General und Schwiegervater des designirter
Thronfolgers Prinz Christian, und seine Nirilstimme kommt ihm wegen der
fürstlich hessensteinschen Fideicommißgütcr zu. Er ließ sich in der letzten Wahl¬
periode von dem Kammerherrn v. Buchwald auf Helmstorf vertreten, der sich
als treuer Anhänger der alten Landesrechte bewährte. Daß der Prinz jetzt
einem Andern seine Stimme übertragen hat, ist kein gutes Zeichen, und so
werden wir 5>en Kammerherrn v. Levetzow vorläufig auf die Seite der un-
deutschen Partei stellen müssen.


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[0056] Das Ergebniß der Mäiidenmhlen in Holstein. Itzehoe. Den 23. Dec. Indem ich im Folgenden den Versuch mache, Ihrem Wunsch nach einer Charakteristik der neugewählten Stunde* nachzu¬ kommen, bedauere ich, jetzt nicht vollständiger über die einzelnen Persönlich¬ keiten berichten zu können, da die Mehrzahl unserer neuen Abgeordneten der öffent¬ lichen Meinung außerhalb ihres Wählerkrciscs vollkommen unbekannt ist und sich höchstens über deren politische Gesinnung, nicht aber über ihre politische Befähigung mit einiger Sicherheit urtheilen läßt. In Betreff der mir be¬ kannten Deputirten vermied ich sorgfältig jemand Unrecht zu thun, und so ist es möglich, daß einer oder der andere meine Voraussetzungen nicht völlig rechtfertigt. Im Allgemeinen ist von der Versammlung Gutes zu hoffen. Sobald die Stände zusammengetreten sind und ich die Bekanntschaft der Ein¬ zelnen gemacht habe, berichte ich Genaueres. Ebenso erhalten Sie nach Be¬ endigung der Wahlen in Schleswig eine ausführliche Charakteristik der dor¬ tigen Abgeordneten. Bis jetzt läßt sich von der Physiognomie der zukünftigen schleswigschen Stände nur das Eine sagen, daß trotz aller Schamlosigkeiten der Wahldirectionen dem deutschen Interesse die Majorität gesichert ist, wenn auch keine so große als bei den letzten Wahlen. Das Resultat der holstcincr Wahlen ist ein sehr bedeutender Personen¬ wechsel gewesen. Unter den 51 Abgeordneten befinden sich 29, unter den 51 Stellvertretern 36^ die im itzehoer Ständesaal noch nicht mit getagt haben. Namentlich die bäuerlichen Landbesitzer haben fast lauter neue Leute (lZ von 1K) gewählt, und ebenso befinden sich unter den 14 städtischen Abgeordneten 8 neue Namen. ^ Ich beginne mit dem Vertreter der Virilstimmc des Prinzen Wilhelm zu Hessen. Der Prinz ist dänischer General und Schwiegervater des designirter Thronfolgers Prinz Christian, und seine Nirilstimme kommt ihm wegen der fürstlich hessensteinschen Fideicommißgütcr zu. Er ließ sich in der letzten Wahl¬ periode von dem Kammerherrn v. Buchwald auf Helmstorf vertreten, der sich als treuer Anhänger der alten Landesrechte bewährte. Daß der Prinz jetzt einem Andern seine Stimme übertragen hat, ist kein gutes Zeichen, und so werden wir 5>en Kammerherrn v. Levetzow vorläufig auf die Seite der un- deutschen Partei stellen müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/56>, abgerufen am 22.07.2024.