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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Windspiel, das so oft und so lange mit ihm den Hasen nachlief, daß es sich
endlich die Beine bis dicht unteren Leibe abgelaufen hatte und in seinen
letzten Jahren nur noch als Dachssucher zu brauchen war, sein berühmtes
Abenteuer endlich mit dem Hirsch, dem er in Ermangelung von Kugeln eine
Ladung Kirschkerne zwischen die Geweihe geschossen, und dem er etliche Jahre
später mit einem zehn Fuß hohen Kirschbaum mit reifen Früchten auf dem
Kopf wieder begegnete.

Daß auch die Gegenwart noch geschickte und glückliche Jäger hat, mögen
die nachstehenden beiden Geschichten zeigen, die noch keine zehn Jahre alt
sind. Wir lassen sie denen, die sie erlebt, selbst erzählen. ,

Mag eins sagen, was es will, Glück haben ist^die Hauptsache bei der
Jagd. Da können Sie vierzehn Tage laufen und kriegen keinen Schwanz zu
sehen, und ein andermal, wo Sie keine zwei Schuß Hagel bei sich haben, so
laufen Ihnen die Hasen nur so über die Stiefel weg und die Hühner fliegen
Ihnen den Hut vom Kopf herunter, und wo ein Stück Wild ist. da ist Alles
auf einem Klumpen. Wie ist es da mir gegangen, diesen Herbst. Geh' ich
hinaus und laufe den ganzen Tag herum und sehe auch nicht die blasse
Gestalt von einem Hasen. Gegen Abend suche ich noch so 'ne Dickung ab,
da steht Ihnen wahrhaftig ein Hirsch von sechs Enden dicht vor meinen
Füßen auf. Ich brenne ihm die beiden Schrotschüsse aufs Blatt, er laust
noch an hundert Schritt auf die Haide hinaus, dann bricht er zusammen.
Da hör' ich auf einmal einen Hasen gottesjämmcrlich quälen. Sackerlot.
denk' ich, den hat gewiß der Fuchs beim Löffel! Hatte aber nichts mehr in
der Flinte und auch nichts mehr im Jagdsack. Na. sag' ich zu mir, laß ihn
laufen, du hast ja 'nen Hirsch. Das Quäker hört aber gar nicht auf, und
wie ich nun an den Hirsch komme -- was meinen Sie -- liegt Ihnen
hol' mich der Teufel! -- der Hase breit gedrückt wie ein Knopf unter dem
Hirsch und will eben verenden. War der Hirsch nämlich beim Umfallen auf
'nen Hasenheger zu liegen gekommen und hatte' so dein armen Lampe die
Knochen zerdrückt. Wie ich das sehe, schrei' ich: Gott im Himmel, wie ist
das möglich! und schlage vor Verwunderung die Hände über'in Kopf zusammen.
Und was meinen Sie -- wie ich das thue, schmeiß' ich Ihnen -- wahrhaftig-
so was lebt nicht! -- noch 'ne große Waldschnepfe todt -- wissen Sie, eine
von den großen Eulenköpfe"! --

Sucht' ich da letzten Montag die Grädinger Höhe nach Hasen ab,i
dort in den Sandgruben und unter den Kranewitstauden gern liegen. ^ '
hatte ungefähr 'ne Viertelstunde gesucht und etwa ein Dutzend Hasen, jo^
halb Dutzend Hühner und etliche Goldamseln geschossen, als ein Flug Stock¬
enten an mir vorüber strich und in den Fluß einfiel, der hier am Berge einen
Haken macht. Ich ließ mein geschossnes Wild liegen und schlich mich


Windspiel, das so oft und so lange mit ihm den Hasen nachlief, daß es sich
endlich die Beine bis dicht unteren Leibe abgelaufen hatte und in seinen
letzten Jahren nur noch als Dachssucher zu brauchen war, sein berühmtes
Abenteuer endlich mit dem Hirsch, dem er in Ermangelung von Kugeln eine
Ladung Kirschkerne zwischen die Geweihe geschossen, und dem er etliche Jahre
später mit einem zehn Fuß hohen Kirschbaum mit reifen Früchten auf dem
Kopf wieder begegnete.

Daß auch die Gegenwart noch geschickte und glückliche Jäger hat, mögen
die nachstehenden beiden Geschichten zeigen, die noch keine zehn Jahre alt
sind. Wir lassen sie denen, die sie erlebt, selbst erzählen. ,

Mag eins sagen, was es will, Glück haben ist^die Hauptsache bei der
Jagd. Da können Sie vierzehn Tage laufen und kriegen keinen Schwanz zu
sehen, und ein andermal, wo Sie keine zwei Schuß Hagel bei sich haben, so
laufen Ihnen die Hasen nur so über die Stiefel weg und die Hühner fliegen
Ihnen den Hut vom Kopf herunter, und wo ein Stück Wild ist. da ist Alles
auf einem Klumpen. Wie ist es da mir gegangen, diesen Herbst. Geh' ich
hinaus und laufe den ganzen Tag herum und sehe auch nicht die blasse
Gestalt von einem Hasen. Gegen Abend suche ich noch so 'ne Dickung ab,
da steht Ihnen wahrhaftig ein Hirsch von sechs Enden dicht vor meinen
Füßen auf. Ich brenne ihm die beiden Schrotschüsse aufs Blatt, er laust
noch an hundert Schritt auf die Haide hinaus, dann bricht er zusammen.
Da hör' ich auf einmal einen Hasen gottesjämmcrlich quälen. Sackerlot.
denk' ich, den hat gewiß der Fuchs beim Löffel! Hatte aber nichts mehr in
der Flinte und auch nichts mehr im Jagdsack. Na. sag' ich zu mir, laß ihn
laufen, du hast ja 'nen Hirsch. Das Quäker hört aber gar nicht auf, und
wie ich nun an den Hirsch komme — was meinen Sie — liegt Ihnen
hol' mich der Teufel! — der Hase breit gedrückt wie ein Knopf unter dem
Hirsch und will eben verenden. War der Hirsch nämlich beim Umfallen auf
'nen Hasenheger zu liegen gekommen und hatte' so dein armen Lampe die
Knochen zerdrückt. Wie ich das sehe, schrei' ich: Gott im Himmel, wie ist
das möglich! und schlage vor Verwunderung die Hände über'in Kopf zusammen.
Und was meinen Sie — wie ich das thue, schmeiß' ich Ihnen — wahrhaftig-
so was lebt nicht! — noch 'ne große Waldschnepfe todt — wissen Sie, eine
von den großen Eulenköpfe»! —

Sucht' ich da letzten Montag die Grädinger Höhe nach Hasen ab,i
dort in den Sandgruben und unter den Kranewitstauden gern liegen. ^ '
hatte ungefähr 'ne Viertelstunde gesucht und etwa ein Dutzend Hasen, jo^
halb Dutzend Hühner und etliche Goldamseln geschossen, als ein Flug Stock¬
enten an mir vorüber strich und in den Fluß einfiel, der hier am Berge einen
Haken macht. Ich ließ mein geschossnes Wild liegen und schlich mich


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[0346] Windspiel, das so oft und so lange mit ihm den Hasen nachlief, daß es sich endlich die Beine bis dicht unteren Leibe abgelaufen hatte und in seinen letzten Jahren nur noch als Dachssucher zu brauchen war, sein berühmtes Abenteuer endlich mit dem Hirsch, dem er in Ermangelung von Kugeln eine Ladung Kirschkerne zwischen die Geweihe geschossen, und dem er etliche Jahre später mit einem zehn Fuß hohen Kirschbaum mit reifen Früchten auf dem Kopf wieder begegnete. Daß auch die Gegenwart noch geschickte und glückliche Jäger hat, mögen die nachstehenden beiden Geschichten zeigen, die noch keine zehn Jahre alt sind. Wir lassen sie denen, die sie erlebt, selbst erzählen. , Mag eins sagen, was es will, Glück haben ist^die Hauptsache bei der Jagd. Da können Sie vierzehn Tage laufen und kriegen keinen Schwanz zu sehen, und ein andermal, wo Sie keine zwei Schuß Hagel bei sich haben, so laufen Ihnen die Hasen nur so über die Stiefel weg und die Hühner fliegen Ihnen den Hut vom Kopf herunter, und wo ein Stück Wild ist. da ist Alles auf einem Klumpen. Wie ist es da mir gegangen, diesen Herbst. Geh' ich hinaus und laufe den ganzen Tag herum und sehe auch nicht die blasse Gestalt von einem Hasen. Gegen Abend suche ich noch so 'ne Dickung ab, da steht Ihnen wahrhaftig ein Hirsch von sechs Enden dicht vor meinen Füßen auf. Ich brenne ihm die beiden Schrotschüsse aufs Blatt, er laust noch an hundert Schritt auf die Haide hinaus, dann bricht er zusammen. Da hör' ich auf einmal einen Hasen gottesjämmcrlich quälen. Sackerlot. denk' ich, den hat gewiß der Fuchs beim Löffel! Hatte aber nichts mehr in der Flinte und auch nichts mehr im Jagdsack. Na. sag' ich zu mir, laß ihn laufen, du hast ja 'nen Hirsch. Das Quäker hört aber gar nicht auf, und wie ich nun an den Hirsch komme — was meinen Sie — liegt Ihnen hol' mich der Teufel! — der Hase breit gedrückt wie ein Knopf unter dem Hirsch und will eben verenden. War der Hirsch nämlich beim Umfallen auf 'nen Hasenheger zu liegen gekommen und hatte' so dein armen Lampe die Knochen zerdrückt. Wie ich das sehe, schrei' ich: Gott im Himmel, wie ist das möglich! und schlage vor Verwunderung die Hände über'in Kopf zusammen. Und was meinen Sie — wie ich das thue, schmeiß' ich Ihnen — wahrhaftig- so was lebt nicht! — noch 'ne große Waldschnepfe todt — wissen Sie, eine von den großen Eulenköpfe»! — Sucht' ich da letzten Montag die Grädinger Höhe nach Hasen ab,i dort in den Sandgruben und unter den Kranewitstauden gern liegen. ^ ' hatte ungefähr 'ne Viertelstunde gesucht und etwa ein Dutzend Hasen, jo^ halb Dutzend Hühner und etliche Goldamseln geschossen, als ein Flug Stock¬ enten an mir vorüber strich und in den Fluß einfiel, der hier am Berge einen Haken macht. Ich ließ mein geschossnes Wild liegen und schlich mich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/346>, abgerufen am 22.07.2024.