Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dazu erforderlichen Mittel, das sind die Dinge, auf welche es hauptsächlich
ankommt, wenn die Centralgewalt im Stande sein soll, die Rechte und In¬
teressen der Gesammtheit zu wahren und ihr Gebiet gegen feindliche Angriffe
zu schützen. Auf diese Punkte beschränkt sich unsere Vergleichung der betref¬
fenden Bestimmungen in der schweizerischen Verfassung und dem Entwürfe
einer Reichsverfassung von 1849, und es sei nur noch bemerkt, daß von den
gemeinsamen innern Angelegenheiten, worüber die Gesetzgebung und Ober¬
aufsicht mit mehr oder weniger Beschränkung dem Bunde vorbehalten ist,
Zölle, Handel und Schifffahrt. Post, Telegraphen. Münze, Maß und Gewicht,
sowie ein Reichs- oder Bundesgericht die wesentlichsten sind. -- Bei Abfassung
der deutschen Bundesacte wurde auch keineswegs verkannt, was nöthig sei,
um "nach außen eine in politischer Einheit verbundene Gesammtmacht" zu bil¬
den. Es wurde der Bundesversammlung als ihr erstes Geschäft aufgegeben,
"die Grundgesetze des Bundes abzufassen und dessen organische Einrichtung
in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse fest¬
zustellen. Wie jedoch die hohe Versammlung ihre Mühe und Zeit mit Ma߬
regeln gegen Kammern, Professoren, Studenten und Handwerksburschen ver¬
schwendete, wie wenig sie für ihre große, nationale Aufgabe geleistet, dies
mag sie selbst uns sagen in einigen Stellen aus dem Bundestagsprotokoll
vom 8. März 1848:

"Schon die Grundverfassung des Bundes war eine mangelhafte und un¬
genügende. Manche Gegenstände waren darin aufgenommen, die füglich den
einzelnen Bunde.sgliedern hätten überlassen bleiben können, während andere
und wichtigere, die zur Entwicklung und Erstarkung des Bundes unentbehrlich
waren, von dessen Competenz ausgeschlossen, oder doch nur als Versprechen
oder Wunsch bezeichnet wurden. Die Erfüllung solcher Versprechen und Wünsche
wurde aber von der Einhelligkeit der Stimmen abhängig und dadurch die
Erreichung eines befriedigenden Resultates von vornherein unmöglich gemacht.
Aus diesem Wege konnten die zu einem wahren und kräftigen Bunde unent-
bshrlichen Institutionen nicht ausgebildet, noch weniger zur Anwendung
gebracht werden. Der Souverünetät der einzelnen Bundesstaaten wurde da¬
durch eine Ausdehnung gegeben, welche die Wirksamkeit des Bundes in stets
engere Grenzen einzwängen mußte. Hieraus entsprang die Abhängigkeit der
Bundestagsgesandter von speciellen Jnstructionen und die Unmöglichkeit der
Entwicklung irgend einer selbständigen Thätigkeit dieser hohen Versammlung.
Die Protokolle hoher Bundesversammlung waren nichts mehr als ein Repo-
sitorium von Vortrügen und einzelnen Abstimmungen ohne inneres Leben und
Zusammenhang, ohne Austausch der Ideen und Ansichten, ohne ein sich da¬
raus mit Folgerichtigkeit ergebendes Resultat. Dazu kam eine mangelhafte
Geschäftsordnung, deren Vervollständigung nicht einmal versucht und noch


Grenzboten I. iggi, 42

dazu erforderlichen Mittel, das sind die Dinge, auf welche es hauptsächlich
ankommt, wenn die Centralgewalt im Stande sein soll, die Rechte und In¬
teressen der Gesammtheit zu wahren und ihr Gebiet gegen feindliche Angriffe
zu schützen. Auf diese Punkte beschränkt sich unsere Vergleichung der betref¬
fenden Bestimmungen in der schweizerischen Verfassung und dem Entwürfe
einer Reichsverfassung von 1849, und es sei nur noch bemerkt, daß von den
gemeinsamen innern Angelegenheiten, worüber die Gesetzgebung und Ober¬
aufsicht mit mehr oder weniger Beschränkung dem Bunde vorbehalten ist,
Zölle, Handel und Schifffahrt. Post, Telegraphen. Münze, Maß und Gewicht,
sowie ein Reichs- oder Bundesgericht die wesentlichsten sind. — Bei Abfassung
der deutschen Bundesacte wurde auch keineswegs verkannt, was nöthig sei,
um „nach außen eine in politischer Einheit verbundene Gesammtmacht" zu bil¬
den. Es wurde der Bundesversammlung als ihr erstes Geschäft aufgegeben,
»die Grundgesetze des Bundes abzufassen und dessen organische Einrichtung
in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse fest¬
zustellen. Wie jedoch die hohe Versammlung ihre Mühe und Zeit mit Ma߬
regeln gegen Kammern, Professoren, Studenten und Handwerksburschen ver¬
schwendete, wie wenig sie für ihre große, nationale Aufgabe geleistet, dies
mag sie selbst uns sagen in einigen Stellen aus dem Bundestagsprotokoll
vom 8. März 1848:

„Schon die Grundverfassung des Bundes war eine mangelhafte und un¬
genügende. Manche Gegenstände waren darin aufgenommen, die füglich den
einzelnen Bunde.sgliedern hätten überlassen bleiben können, während andere
und wichtigere, die zur Entwicklung und Erstarkung des Bundes unentbehrlich
waren, von dessen Competenz ausgeschlossen, oder doch nur als Versprechen
oder Wunsch bezeichnet wurden. Die Erfüllung solcher Versprechen und Wünsche
wurde aber von der Einhelligkeit der Stimmen abhängig und dadurch die
Erreichung eines befriedigenden Resultates von vornherein unmöglich gemacht.
Aus diesem Wege konnten die zu einem wahren und kräftigen Bunde unent-
bshrlichen Institutionen nicht ausgebildet, noch weniger zur Anwendung
gebracht werden. Der Souverünetät der einzelnen Bundesstaaten wurde da¬
durch eine Ausdehnung gegeben, welche die Wirksamkeit des Bundes in stets
engere Grenzen einzwängen mußte. Hieraus entsprang die Abhängigkeit der
Bundestagsgesandter von speciellen Jnstructionen und die Unmöglichkeit der
Entwicklung irgend einer selbständigen Thätigkeit dieser hohen Versammlung.
Die Protokolle hoher Bundesversammlung waren nichts mehr als ein Repo-
sitorium von Vortrügen und einzelnen Abstimmungen ohne inneres Leben und
Zusammenhang, ohne Austausch der Ideen und Ansichten, ohne ein sich da¬
raus mit Folgerichtigkeit ergebendes Resultat. Dazu kam eine mangelhafte
Geschäftsordnung, deren Vervollständigung nicht einmal versucht und noch


Grenzboten I. iggi, 42
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111233"/>
          <p xml:id="ID_1128" prev="#ID_1127"> dazu erforderlichen Mittel, das sind die Dinge, auf welche es hauptsächlich<lb/>
ankommt, wenn die Centralgewalt im Stande sein soll, die Rechte und In¬<lb/>
teressen der Gesammtheit zu wahren und ihr Gebiet gegen feindliche Angriffe<lb/>
zu schützen. Auf diese Punkte beschränkt sich unsere Vergleichung der betref¬<lb/>
fenden Bestimmungen in der schweizerischen Verfassung und dem Entwürfe<lb/>
einer Reichsverfassung von 1849, und es sei nur noch bemerkt, daß von den<lb/>
gemeinsamen innern Angelegenheiten, worüber die Gesetzgebung und Ober¬<lb/>
aufsicht mit mehr oder weniger Beschränkung dem Bunde vorbehalten ist,<lb/>
Zölle, Handel und Schifffahrt. Post, Telegraphen. Münze, Maß und Gewicht,<lb/>
sowie ein Reichs- oder Bundesgericht die wesentlichsten sind. &#x2014; Bei Abfassung<lb/>
der deutschen Bundesacte wurde auch keineswegs verkannt, was nöthig sei,<lb/>
um &#x201E;nach außen eine in politischer Einheit verbundene Gesammtmacht" zu bil¬<lb/>
den. Es wurde der Bundesversammlung als ihr erstes Geschäft aufgegeben,<lb/>
»die Grundgesetze des Bundes abzufassen und dessen organische Einrichtung<lb/>
in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse fest¬<lb/>
zustellen. Wie jedoch die hohe Versammlung ihre Mühe und Zeit mit Ma߬<lb/>
regeln gegen Kammern, Professoren, Studenten und Handwerksburschen ver¬<lb/>
schwendete, wie wenig sie für ihre große, nationale Aufgabe geleistet, dies<lb/>
mag sie selbst uns sagen in einigen Stellen aus dem Bundestagsprotokoll<lb/>
vom 8. März 1848:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1129" next="#ID_1130"> &#x201E;Schon die Grundverfassung des Bundes war eine mangelhafte und un¬<lb/>
genügende. Manche Gegenstände waren darin aufgenommen, die füglich den<lb/>
einzelnen Bunde.sgliedern hätten überlassen bleiben können, während andere<lb/>
und wichtigere, die zur Entwicklung und Erstarkung des Bundes unentbehrlich<lb/>
waren, von dessen Competenz ausgeschlossen, oder doch nur als Versprechen<lb/>
oder Wunsch bezeichnet wurden. Die Erfüllung solcher Versprechen und Wünsche<lb/>
wurde aber von der Einhelligkeit der Stimmen abhängig und dadurch die<lb/>
Erreichung eines befriedigenden Resultates von vornherein unmöglich gemacht.<lb/>
Aus diesem Wege konnten die zu einem wahren und kräftigen Bunde unent-<lb/>
bshrlichen Institutionen nicht ausgebildet, noch weniger zur Anwendung<lb/>
gebracht werden. Der Souverünetät der einzelnen Bundesstaaten wurde da¬<lb/>
durch eine Ausdehnung gegeben, welche die Wirksamkeit des Bundes in stets<lb/>
engere Grenzen einzwängen mußte. Hieraus entsprang die Abhängigkeit der<lb/>
Bundestagsgesandter von speciellen Jnstructionen und die Unmöglichkeit der<lb/>
Entwicklung irgend einer selbständigen Thätigkeit dieser hohen Versammlung.<lb/>
Die Protokolle hoher Bundesversammlung waren nichts mehr als ein Repo-<lb/>
sitorium von Vortrügen und einzelnen Abstimmungen ohne inneres Leben und<lb/>
Zusammenhang, ohne Austausch der Ideen und Ansichten, ohne ein sich da¬<lb/>
raus mit Folgerichtigkeit ergebendes Resultat. Dazu kam eine mangelhafte<lb/>
Geschäftsordnung, deren Vervollständigung nicht einmal versucht und noch</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. iggi, 42</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0339] dazu erforderlichen Mittel, das sind die Dinge, auf welche es hauptsächlich ankommt, wenn die Centralgewalt im Stande sein soll, die Rechte und In¬ teressen der Gesammtheit zu wahren und ihr Gebiet gegen feindliche Angriffe zu schützen. Auf diese Punkte beschränkt sich unsere Vergleichung der betref¬ fenden Bestimmungen in der schweizerischen Verfassung und dem Entwürfe einer Reichsverfassung von 1849, und es sei nur noch bemerkt, daß von den gemeinsamen innern Angelegenheiten, worüber die Gesetzgebung und Ober¬ aufsicht mit mehr oder weniger Beschränkung dem Bunde vorbehalten ist, Zölle, Handel und Schifffahrt. Post, Telegraphen. Münze, Maß und Gewicht, sowie ein Reichs- oder Bundesgericht die wesentlichsten sind. — Bei Abfassung der deutschen Bundesacte wurde auch keineswegs verkannt, was nöthig sei, um „nach außen eine in politischer Einheit verbundene Gesammtmacht" zu bil¬ den. Es wurde der Bundesversammlung als ihr erstes Geschäft aufgegeben, »die Grundgesetze des Bundes abzufassen und dessen organische Einrichtung in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse fest¬ zustellen. Wie jedoch die hohe Versammlung ihre Mühe und Zeit mit Ma߬ regeln gegen Kammern, Professoren, Studenten und Handwerksburschen ver¬ schwendete, wie wenig sie für ihre große, nationale Aufgabe geleistet, dies mag sie selbst uns sagen in einigen Stellen aus dem Bundestagsprotokoll vom 8. März 1848: „Schon die Grundverfassung des Bundes war eine mangelhafte und un¬ genügende. Manche Gegenstände waren darin aufgenommen, die füglich den einzelnen Bunde.sgliedern hätten überlassen bleiben können, während andere und wichtigere, die zur Entwicklung und Erstarkung des Bundes unentbehrlich waren, von dessen Competenz ausgeschlossen, oder doch nur als Versprechen oder Wunsch bezeichnet wurden. Die Erfüllung solcher Versprechen und Wünsche wurde aber von der Einhelligkeit der Stimmen abhängig und dadurch die Erreichung eines befriedigenden Resultates von vornherein unmöglich gemacht. Aus diesem Wege konnten die zu einem wahren und kräftigen Bunde unent- bshrlichen Institutionen nicht ausgebildet, noch weniger zur Anwendung gebracht werden. Der Souverünetät der einzelnen Bundesstaaten wurde da¬ durch eine Ausdehnung gegeben, welche die Wirksamkeit des Bundes in stets engere Grenzen einzwängen mußte. Hieraus entsprang die Abhängigkeit der Bundestagsgesandter von speciellen Jnstructionen und die Unmöglichkeit der Entwicklung irgend einer selbständigen Thätigkeit dieser hohen Versammlung. Die Protokolle hoher Bundesversammlung waren nichts mehr als ein Repo- sitorium von Vortrügen und einzelnen Abstimmungen ohne inneres Leben und Zusammenhang, ohne Austausch der Ideen und Ansichten, ohne ein sich da¬ raus mit Folgerichtigkeit ergebendes Resultat. Dazu kam eine mangelhafte Geschäftsordnung, deren Vervollständigung nicht einmal versucht und noch Grenzboten I. iggi, 42

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/339
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/339>, abgerufen am 22.07.2024.