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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Nassau ein Denkmal zu errichten, dadurch in Concurrenz, daß auch jenes
ältere Unternehmen bereits zu Beiträgen aufgefordert hatte. In diesem Falle
wäre es gut gewesen, auch den Schein eines solchen Gegensatzes zu vermeiden;
am besten dadurch, daß man das Berliner Denkmal beim Beginn der neuen
Zeit in Preußen durch Staatsbeschluß auf Staatskosten errichtet hätte. Es
wäre keine üble Demonstration gewesen, mit welcher das neue Minsterium'
auch seine Gegner in Verlegenheit gesetzt hätte. Wollte man aber Beiträge von
Einzelnen heranziehen, so mußte man sich jedenfalls auf den preußischen Staat
beschränken; man durfte dann sagen, daß das Einsammeln in den kleinen Kreisen
des Volks auch ein Mittel war, die Menge wieder einmal an die zahlreichen
Wohlthaten zu erinnern, welche sie dem Todten verdankt. Daß man diese
Beschränkung nicht für zweckmäßig gefunden hat, bedauern wir noch aus einem
andern Grunde. In der Aufforderung, welche von mehrern der gegenwärtigen
Preußischen Minister unterschrieben ist, wird nicht verschwiegen, daß das Unter¬
nehmen durch die besondere Gunst des Prinzregenten und die Theilnahme der
Landesvertrcter bevorzugt und gesichert sei. Man soll nicht die Majestät der
Krone in dem Augenblick in den Vordergrund stellen, wo man sich an Privat¬
leute wegen Zahlung von Beiträgen wendet. Wird das Denkmal durch Samm¬
lungen errichtet, so darf das Interesse, welches der Regent deH Staates daran
nimmt, nicht betont werden; wie reichlich der Beitrag sein mag, den seine Gnade
aus der Privatchatoulle dazu gibt, die Summe wird in diesem Fall nur be¬
handelt, wie die eines Privatmannes. Wo die Hoheit des Landesherrn aber
erwähnt wird, muß das Unternehmen als ein officielles erscheinen.

Solche Bemerkungen werden hier deshalb gemacht, weil sie einen Mangel des
Berliner Lebens charakterisiren, für den es wohl eine Abhilfe gibt. Keine Stadt
Deutschlands ist so reich an Intelligenz, aber das Zusammenwirken der vielen schonen
Kräfte für irgend ein gemeinsames Interesse ist in Berlin viel unsichrer und un¬
geschickter als irgendwo. Das ist ein oft beklagter Uebelstand. Für das gesell¬
schaftliche Leben nach andern Richtungen mag eine Besserung Schwierigkeiten
haben, welche nicht sogleich zu überwinden sind, es ist wol nur ein ungünstiger Zu¬
fall, daß grade jetzt in Berlin einzelne Häuser fehlen, deren Hausherrn nicht dem
Hofe und der daran hängenden Exklusivität angehören, und die zugleich so viel
Wohlstand, Ansehn, Liebenswürdigkeit und geistiges Interesse enthalten, daß
sie sich zum Mittelpunkt eines reichen geselligen Verkehrs zu machen wissen.
Tür alle solche gemeinsame Unternehmungen aber, bei welchen politische oder so-
^ale Interessen eine gemeinsame Action vieler Theilnehmenden wünschenswerth
^chen. kann es doch nicht schwer sein, eine Anzahl Gleichgesinnter zu vereinen. ')



, *) Wer in Leipzig lebt, hat öfter Ursache, zu erkennen, wie schöne Wirkungen die Bethätigung
prellt zu einem gemeinsamen Unternehmen hat. Auch hier ist keine, Organisation, aber ein ge-
opferfreudiger und patriotischer Sinn ist gern bereit, sich fördernd und hilfreich zu croci-

Nassau ein Denkmal zu errichten, dadurch in Concurrenz, daß auch jenes
ältere Unternehmen bereits zu Beiträgen aufgefordert hatte. In diesem Falle
wäre es gut gewesen, auch den Schein eines solchen Gegensatzes zu vermeiden;
am besten dadurch, daß man das Berliner Denkmal beim Beginn der neuen
Zeit in Preußen durch Staatsbeschluß auf Staatskosten errichtet hätte. Es
wäre keine üble Demonstration gewesen, mit welcher das neue Minsterium'
auch seine Gegner in Verlegenheit gesetzt hätte. Wollte man aber Beiträge von
Einzelnen heranziehen, so mußte man sich jedenfalls auf den preußischen Staat
beschränken; man durfte dann sagen, daß das Einsammeln in den kleinen Kreisen
des Volks auch ein Mittel war, die Menge wieder einmal an die zahlreichen
Wohlthaten zu erinnern, welche sie dem Todten verdankt. Daß man diese
Beschränkung nicht für zweckmäßig gefunden hat, bedauern wir noch aus einem
andern Grunde. In der Aufforderung, welche von mehrern der gegenwärtigen
Preußischen Minister unterschrieben ist, wird nicht verschwiegen, daß das Unter¬
nehmen durch die besondere Gunst des Prinzregenten und die Theilnahme der
Landesvertrcter bevorzugt und gesichert sei. Man soll nicht die Majestät der
Krone in dem Augenblick in den Vordergrund stellen, wo man sich an Privat¬
leute wegen Zahlung von Beiträgen wendet. Wird das Denkmal durch Samm¬
lungen errichtet, so darf das Interesse, welches der Regent deH Staates daran
nimmt, nicht betont werden; wie reichlich der Beitrag sein mag, den seine Gnade
aus der Privatchatoulle dazu gibt, die Summe wird in diesem Fall nur be¬
handelt, wie die eines Privatmannes. Wo die Hoheit des Landesherrn aber
erwähnt wird, muß das Unternehmen als ein officielles erscheinen.

Solche Bemerkungen werden hier deshalb gemacht, weil sie einen Mangel des
Berliner Lebens charakterisiren, für den es wohl eine Abhilfe gibt. Keine Stadt
Deutschlands ist so reich an Intelligenz, aber das Zusammenwirken der vielen schonen
Kräfte für irgend ein gemeinsames Interesse ist in Berlin viel unsichrer und un¬
geschickter als irgendwo. Das ist ein oft beklagter Uebelstand. Für das gesell¬
schaftliche Leben nach andern Richtungen mag eine Besserung Schwierigkeiten
haben, welche nicht sogleich zu überwinden sind, es ist wol nur ein ungünstiger Zu¬
fall, daß grade jetzt in Berlin einzelne Häuser fehlen, deren Hausherrn nicht dem
Hofe und der daran hängenden Exklusivität angehören, und die zugleich so viel
Wohlstand, Ansehn, Liebenswürdigkeit und geistiges Interesse enthalten, daß
sie sich zum Mittelpunkt eines reichen geselligen Verkehrs zu machen wissen.
Tür alle solche gemeinsame Unternehmungen aber, bei welchen politische oder so-
^ale Interessen eine gemeinsame Action vieler Theilnehmenden wünschenswerth
^chen. kann es doch nicht schwer sein, eine Anzahl Gleichgesinnter zu vereinen. ')



, *) Wer in Leipzig lebt, hat öfter Ursache, zu erkennen, wie schöne Wirkungen die Bethätigung
prellt zu einem gemeinsamen Unternehmen hat. Auch hier ist keine, Organisation, aber ein ge-
opferfreudiger und patriotischer Sinn ist gern bereit, sich fördernd und hilfreich zu croci-
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[0033] Nassau ein Denkmal zu errichten, dadurch in Concurrenz, daß auch jenes ältere Unternehmen bereits zu Beiträgen aufgefordert hatte. In diesem Falle wäre es gut gewesen, auch den Schein eines solchen Gegensatzes zu vermeiden; am besten dadurch, daß man das Berliner Denkmal beim Beginn der neuen Zeit in Preußen durch Staatsbeschluß auf Staatskosten errichtet hätte. Es wäre keine üble Demonstration gewesen, mit welcher das neue Minsterium' auch seine Gegner in Verlegenheit gesetzt hätte. Wollte man aber Beiträge von Einzelnen heranziehen, so mußte man sich jedenfalls auf den preußischen Staat beschränken; man durfte dann sagen, daß das Einsammeln in den kleinen Kreisen des Volks auch ein Mittel war, die Menge wieder einmal an die zahlreichen Wohlthaten zu erinnern, welche sie dem Todten verdankt. Daß man diese Beschränkung nicht für zweckmäßig gefunden hat, bedauern wir noch aus einem andern Grunde. In der Aufforderung, welche von mehrern der gegenwärtigen Preußischen Minister unterschrieben ist, wird nicht verschwiegen, daß das Unter¬ nehmen durch die besondere Gunst des Prinzregenten und die Theilnahme der Landesvertrcter bevorzugt und gesichert sei. Man soll nicht die Majestät der Krone in dem Augenblick in den Vordergrund stellen, wo man sich an Privat¬ leute wegen Zahlung von Beiträgen wendet. Wird das Denkmal durch Samm¬ lungen errichtet, so darf das Interesse, welches der Regent deH Staates daran nimmt, nicht betont werden; wie reichlich der Beitrag sein mag, den seine Gnade aus der Privatchatoulle dazu gibt, die Summe wird in diesem Fall nur be¬ handelt, wie die eines Privatmannes. Wo die Hoheit des Landesherrn aber erwähnt wird, muß das Unternehmen als ein officielles erscheinen. Solche Bemerkungen werden hier deshalb gemacht, weil sie einen Mangel des Berliner Lebens charakterisiren, für den es wohl eine Abhilfe gibt. Keine Stadt Deutschlands ist so reich an Intelligenz, aber das Zusammenwirken der vielen schonen Kräfte für irgend ein gemeinsames Interesse ist in Berlin viel unsichrer und un¬ geschickter als irgendwo. Das ist ein oft beklagter Uebelstand. Für das gesell¬ schaftliche Leben nach andern Richtungen mag eine Besserung Schwierigkeiten haben, welche nicht sogleich zu überwinden sind, es ist wol nur ein ungünstiger Zu¬ fall, daß grade jetzt in Berlin einzelne Häuser fehlen, deren Hausherrn nicht dem Hofe und der daran hängenden Exklusivität angehören, und die zugleich so viel Wohlstand, Ansehn, Liebenswürdigkeit und geistiges Interesse enthalten, daß sie sich zum Mittelpunkt eines reichen geselligen Verkehrs zu machen wissen. Tür alle solche gemeinsame Unternehmungen aber, bei welchen politische oder so- ^ale Interessen eine gemeinsame Action vieler Theilnehmenden wünschenswerth ^chen. kann es doch nicht schwer sein, eine Anzahl Gleichgesinnter zu vereinen. ') , *) Wer in Leipzig lebt, hat öfter Ursache, zu erkennen, wie schöne Wirkungen die Bethätigung prellt zu einem gemeinsamen Unternehmen hat. Auch hier ist keine, Organisation, aber ein ge- opferfreudiger und patriotischer Sinn ist gern bereit, sich fördernd und hilfreich zu croci-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/33>, abgerufen am 03.07.2024.