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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Ecke, im Kreise, was man sieht und was man nicht sieht, überhaupt Alles,
wonach das Herz begehrt. Aber die arme Seele ist zu bestimmter Zeit dem
Teufel verfallen.

Andere wieder erwerben sich die Gabe^, Alles, wonach ihnen der Sinn
steht, zu treffen, auf noch gotteslästerlichere Manier. Sie schießen unter
Zaubersprüchen nach der Sonne, nach Heiligenbildstöckcn und Crucifixen im
Walde, nach Hostien, die sie beim Abendmahl entwendet, ja nach unserm
Herrgott im Himmel. Beispiele solcher Freischützen erzählt sich das Volt in
Menge, und da unser Förster als Bursch viel gewandert ist, so weiß er deren
aus aller Herren Ländern zu berichten.

So war da vor nicht langer Zeit in der Nachbarschaft von Hildesheim
ein alter Förster, der Alles schoß, was er aufs Korn nahm. Nun hatte er
einen Burschen, der gleichfalls nie fehlende Schüsse wünschte und so eines Tags
den Alten bat, ihm seine Kunst zu lehren. Darauf erklärte sich jener bereit
dazu und sagte ihm zugleich, wenn er das nächste Mal zum Abendmahl gehe,
solle er die Oblate nicht hinunterschlucke", sondern unbemerkt aus dem Munde
nehmen und mit heimbringen. Der Bursche that, wie ihm geheißen, und als
er aus der Kirche nach Hause kam. ist er mit dem Förster in den Wald ge¬
gangen, wo dieser die Hostie an einen Baum genagelt und dem Gesellen
geheißen hat, danach zu schießen. Der nimmt die Büchse, aber wie er an¬
legt, sieht er unsern Herrn Christus am Baume stehen, so daß ihn ein Zittern
ankommt und er beinah das Gewehr fallen läßt. Er will durchaus nicht los¬
drücken. Der Alte aber heißt ihn einen Hasenfuß und einfältigen Tropf, und
so legt er wieder an und schießt los. Da ist die Oblate mitten durchbohrt
und ganz blutig gewesen, der Bursche aber hat von der Zeit an kein Ziel
gefehlt.

Ganz dieselbe Geschichte kam bei Zellerfeld im hannöverschen Harz vor.
Der Bursch wurde später hier Förster, und dn hat er zu öftern Malen seine
Geschicklichkeit Spaßes halber sehen lassen. Wenn er an Winterabenden Gesell-
schaft hatte, so fragte er seine Gäste, was sie essen wollten, Hasen- oder Reh-
brnten oder einen Auerhahn. Dann nahm er seine Flinte, schoß blindlings
zum Fenster hinaus und hieß sie in den Garten, auf den Hof oder auf die
Nasse gehen, da werde das Wild liegen. Und wenn sie dahin gegangen sind,
haben sich jedes Mal gefunden. Zuletzt aber hat ihm der Teufel das Genick
gebrochen, und um den Hals hat er einen.Streifen gehabt wie ein blaues
Halsband.

Wenig besser erging es dem Freijäger auf dem Dörrhof bei Nauenberg
'w Badenschen. Er hatte sich seine Kunst dadurch verschafft, daß er auf ein
Tuch knieend drei frevelhafte Schüsse, einen gegen die Sonne, einen gegen den
Mond und einen gegen Gott im Himmel geschossen, worauf drei Blutstropfen


Ecke, im Kreise, was man sieht und was man nicht sieht, überhaupt Alles,
wonach das Herz begehrt. Aber die arme Seele ist zu bestimmter Zeit dem
Teufel verfallen.

Andere wieder erwerben sich die Gabe^, Alles, wonach ihnen der Sinn
steht, zu treffen, auf noch gotteslästerlichere Manier. Sie schießen unter
Zaubersprüchen nach der Sonne, nach Heiligenbildstöckcn und Crucifixen im
Walde, nach Hostien, die sie beim Abendmahl entwendet, ja nach unserm
Herrgott im Himmel. Beispiele solcher Freischützen erzählt sich das Volt in
Menge, und da unser Förster als Bursch viel gewandert ist, so weiß er deren
aus aller Herren Ländern zu berichten.

So war da vor nicht langer Zeit in der Nachbarschaft von Hildesheim
ein alter Förster, der Alles schoß, was er aufs Korn nahm. Nun hatte er
einen Burschen, der gleichfalls nie fehlende Schüsse wünschte und so eines Tags
den Alten bat, ihm seine Kunst zu lehren. Darauf erklärte sich jener bereit
dazu und sagte ihm zugleich, wenn er das nächste Mal zum Abendmahl gehe,
solle er die Oblate nicht hinunterschlucke», sondern unbemerkt aus dem Munde
nehmen und mit heimbringen. Der Bursche that, wie ihm geheißen, und als
er aus der Kirche nach Hause kam. ist er mit dem Förster in den Wald ge¬
gangen, wo dieser die Hostie an einen Baum genagelt und dem Gesellen
geheißen hat, danach zu schießen. Der nimmt die Büchse, aber wie er an¬
legt, sieht er unsern Herrn Christus am Baume stehen, so daß ihn ein Zittern
ankommt und er beinah das Gewehr fallen läßt. Er will durchaus nicht los¬
drücken. Der Alte aber heißt ihn einen Hasenfuß und einfältigen Tropf, und
so legt er wieder an und schießt los. Da ist die Oblate mitten durchbohrt
und ganz blutig gewesen, der Bursche aber hat von der Zeit an kein Ziel
gefehlt.

Ganz dieselbe Geschichte kam bei Zellerfeld im hannöverschen Harz vor.
Der Bursch wurde später hier Förster, und dn hat er zu öftern Malen seine
Geschicklichkeit Spaßes halber sehen lassen. Wenn er an Winterabenden Gesell-
schaft hatte, so fragte er seine Gäste, was sie essen wollten, Hasen- oder Reh-
brnten oder einen Auerhahn. Dann nahm er seine Flinte, schoß blindlings
zum Fenster hinaus und hieß sie in den Garten, auf den Hof oder auf die
Nasse gehen, da werde das Wild liegen. Und wenn sie dahin gegangen sind,
haben sich jedes Mal gefunden. Zuletzt aber hat ihm der Teufel das Genick
gebrochen, und um den Hals hat er einen.Streifen gehabt wie ein blaues
Halsband.

Wenig besser erging es dem Freijäger auf dem Dörrhof bei Nauenberg
'w Badenschen. Er hatte sich seine Kunst dadurch verschafft, daß er auf ein
Tuch knieend drei frevelhafte Schüsse, einen gegen die Sonne, einen gegen den
Mond und einen gegen Gott im Himmel geschossen, worauf drei Blutstropfen


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[0311] Ecke, im Kreise, was man sieht und was man nicht sieht, überhaupt Alles, wonach das Herz begehrt. Aber die arme Seele ist zu bestimmter Zeit dem Teufel verfallen. Andere wieder erwerben sich die Gabe^, Alles, wonach ihnen der Sinn steht, zu treffen, auf noch gotteslästerlichere Manier. Sie schießen unter Zaubersprüchen nach der Sonne, nach Heiligenbildstöckcn und Crucifixen im Walde, nach Hostien, die sie beim Abendmahl entwendet, ja nach unserm Herrgott im Himmel. Beispiele solcher Freischützen erzählt sich das Volt in Menge, und da unser Förster als Bursch viel gewandert ist, so weiß er deren aus aller Herren Ländern zu berichten. So war da vor nicht langer Zeit in der Nachbarschaft von Hildesheim ein alter Förster, der Alles schoß, was er aufs Korn nahm. Nun hatte er einen Burschen, der gleichfalls nie fehlende Schüsse wünschte und so eines Tags den Alten bat, ihm seine Kunst zu lehren. Darauf erklärte sich jener bereit dazu und sagte ihm zugleich, wenn er das nächste Mal zum Abendmahl gehe, solle er die Oblate nicht hinunterschlucke», sondern unbemerkt aus dem Munde nehmen und mit heimbringen. Der Bursche that, wie ihm geheißen, und als er aus der Kirche nach Hause kam. ist er mit dem Förster in den Wald ge¬ gangen, wo dieser die Hostie an einen Baum genagelt und dem Gesellen geheißen hat, danach zu schießen. Der nimmt die Büchse, aber wie er an¬ legt, sieht er unsern Herrn Christus am Baume stehen, so daß ihn ein Zittern ankommt und er beinah das Gewehr fallen läßt. Er will durchaus nicht los¬ drücken. Der Alte aber heißt ihn einen Hasenfuß und einfältigen Tropf, und so legt er wieder an und schießt los. Da ist die Oblate mitten durchbohrt und ganz blutig gewesen, der Bursche aber hat von der Zeit an kein Ziel gefehlt. Ganz dieselbe Geschichte kam bei Zellerfeld im hannöverschen Harz vor. Der Bursch wurde später hier Förster, und dn hat er zu öftern Malen seine Geschicklichkeit Spaßes halber sehen lassen. Wenn er an Winterabenden Gesell- schaft hatte, so fragte er seine Gäste, was sie essen wollten, Hasen- oder Reh- brnten oder einen Auerhahn. Dann nahm er seine Flinte, schoß blindlings zum Fenster hinaus und hieß sie in den Garten, auf den Hof oder auf die Nasse gehen, da werde das Wild liegen. Und wenn sie dahin gegangen sind, haben sich jedes Mal gefunden. Zuletzt aber hat ihm der Teufel das Genick gebrochen, und um den Hals hat er einen.Streifen gehabt wie ein blaues Halsband. Wenig besser erging es dem Freijäger auf dem Dörrhof bei Nauenberg 'w Badenschen. Er hatte sich seine Kunst dadurch verschafft, daß er auf ein Tuch knieend drei frevelhafte Schüsse, einen gegen die Sonne, einen gegen den Mond und einen gegen Gott im Himmel geschossen, worauf drei Blutstropfen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/311>, abgerufen am 27.08.2024.