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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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das Rohr einfach zwischen den Beinen durch. Im Uebrigen hütet er sich, Leute,
deren er nicht sicher ist, in den Lciuf sehen oder greifen zu lassen.

Begegnet es dem Jäger bei aller Sorgfalt, daß ihm ein Schabernack
geschieht, und daß er mit seinem Gewehr entweder gar nicht trifft oder die
angeschossenen Thiere nicht sterben, waidmännisch enden, können, so sucht er
sich alsbald einen Sperling, reißt ihm den Kopf ab, schraubt denselben an
den Krätzer des Ladcstocks und fährt damit etliche Male durch das Rohr.
Dann thut er dasselbe mit einer weißen Zwiebel, woraus er mit dieser einen
Lappen bestreicht und mit letzterem den Lauf nochmals auswischt. Schließlich
wird der Sperlingskopf und die Zwiebel in den Schornstein gehangen, wo
es sich mit der Flinte bald ändern und zugleich der gute Freund erscheinen
muß, der es ihr angethan hat. So hält es unser Förster in solchen Fällen.
Andere nehmen statt des Sperlingskopfs das Herz eines Wiedehopfs oder
Hähers zum Ausputzen des Rohrs. Noch besser und approbirter ist. eine
Blindschleiche in den Lauf zu thun, dieselbe mit einem Pfropf darauf vierund¬
zwanzig Stunden stehen und das Thier darin sterben zu lassen, dann zu
laden, die Schlange daraus zu stoßen und fortzuschießen. Das Gewehr be¬
kommt auf diese Weise, was in der Jägersprache der heiße Brand heißt.
Wo ein Thier von ihm auch nur leicht verletzt wird, läuft es doch nicht lange;
denn wo die Kugel hintrifft, ist's sofort Händebreit um den Schuß herum ent¬
zündet und verbrannt, und das Wild krankt und endet fast im Augenblick
davon.

Ein Jäger, der gute Lehre genossen, weiß aber nicht blos sein durch böse
Menschen behextes Gewehr zu curiren, sondern auch die Uebelthäter dafür
nach Verdienst zu strafen. Doch wird er dabei vorsichtig verfahren; denn
wollte ein Schütze, welcher glaubt, daß ihm ein Waidmnnn gesetzt worden,
sich ohne Weiteres an der Person, die er im Verdacht hat, rächen, so könnte
es leicht geschehen, daß er selbst Beschwerung davon hätte. Der Gegen¬
zauber trifft stets den, der die Schuld an dem Verderbniß des Gewehres hat.
Er muß also untersuchen, ob er nicht vielleicht selbst eine Unachtsamkeit begangen
hat. In letzterem Fall ist an der Büchse nichts weiter zu thun, als daß man den
Lauf sauber auswischt und ihn ohne Schwanzschraube mit der Mündung gegen
den Strom in ein fließendes Wasser legt, ihn dort einen Tag und eine
Nacht liegen läßt, ihn, nachdem er wieder in den Schaft gethan, mit dem
Schweiß von einem Sperling ausputzt und die Büchse dann etliche Wochen
nicht 'gebraucht.

Hat sich dagegen der Jäger versichert, daß der Schaden von einem An¬
dern herrührt (was man beiläufig daran merkt, daß sich nach dem Schießen
im Rohr und aus der Pfanne kleine blutrothe Körnchen sehen lassen), so kann
er, wie unser Förster meint, ohne die geringste Sünde zu begehen, einem


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das Rohr einfach zwischen den Beinen durch. Im Uebrigen hütet er sich, Leute,
deren er nicht sicher ist, in den Lciuf sehen oder greifen zu lassen.

Begegnet es dem Jäger bei aller Sorgfalt, daß ihm ein Schabernack
geschieht, und daß er mit seinem Gewehr entweder gar nicht trifft oder die
angeschossenen Thiere nicht sterben, waidmännisch enden, können, so sucht er
sich alsbald einen Sperling, reißt ihm den Kopf ab, schraubt denselben an
den Krätzer des Ladcstocks und fährt damit etliche Male durch das Rohr.
Dann thut er dasselbe mit einer weißen Zwiebel, woraus er mit dieser einen
Lappen bestreicht und mit letzterem den Lauf nochmals auswischt. Schließlich
wird der Sperlingskopf und die Zwiebel in den Schornstein gehangen, wo
es sich mit der Flinte bald ändern und zugleich der gute Freund erscheinen
muß, der es ihr angethan hat. So hält es unser Förster in solchen Fällen.
Andere nehmen statt des Sperlingskopfs das Herz eines Wiedehopfs oder
Hähers zum Ausputzen des Rohrs. Noch besser und approbirter ist. eine
Blindschleiche in den Lauf zu thun, dieselbe mit einem Pfropf darauf vierund¬
zwanzig Stunden stehen und das Thier darin sterben zu lassen, dann zu
laden, die Schlange daraus zu stoßen und fortzuschießen. Das Gewehr be¬
kommt auf diese Weise, was in der Jägersprache der heiße Brand heißt.
Wo ein Thier von ihm auch nur leicht verletzt wird, läuft es doch nicht lange;
denn wo die Kugel hintrifft, ist's sofort Händebreit um den Schuß herum ent¬
zündet und verbrannt, und das Wild krankt und endet fast im Augenblick
davon.

Ein Jäger, der gute Lehre genossen, weiß aber nicht blos sein durch böse
Menschen behextes Gewehr zu curiren, sondern auch die Uebelthäter dafür
nach Verdienst zu strafen. Doch wird er dabei vorsichtig verfahren; denn
wollte ein Schütze, welcher glaubt, daß ihm ein Waidmnnn gesetzt worden,
sich ohne Weiteres an der Person, die er im Verdacht hat, rächen, so könnte
es leicht geschehen, daß er selbst Beschwerung davon hätte. Der Gegen¬
zauber trifft stets den, der die Schuld an dem Verderbniß des Gewehres hat.
Er muß also untersuchen, ob er nicht vielleicht selbst eine Unachtsamkeit begangen
hat. In letzterem Fall ist an der Büchse nichts weiter zu thun, als daß man den
Lauf sauber auswischt und ihn ohne Schwanzschraube mit der Mündung gegen
den Strom in ein fließendes Wasser legt, ihn dort einen Tag und eine
Nacht liegen läßt, ihn, nachdem er wieder in den Schaft gethan, mit dem
Schweiß von einem Sperling ausputzt und die Büchse dann etliche Wochen
nicht 'gebraucht.

Hat sich dagegen der Jäger versichert, daß der Schaden von einem An¬
dern herrührt (was man beiläufig daran merkt, daß sich nach dem Schießen
im Rohr und aus der Pfanne kleine blutrothe Körnchen sehen lassen), so kann
er, wie unser Förster meint, ohne die geringste Sünde zu begehen, einem


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[0309] das Rohr einfach zwischen den Beinen durch. Im Uebrigen hütet er sich, Leute, deren er nicht sicher ist, in den Lciuf sehen oder greifen zu lassen. Begegnet es dem Jäger bei aller Sorgfalt, daß ihm ein Schabernack geschieht, und daß er mit seinem Gewehr entweder gar nicht trifft oder die angeschossenen Thiere nicht sterben, waidmännisch enden, können, so sucht er sich alsbald einen Sperling, reißt ihm den Kopf ab, schraubt denselben an den Krätzer des Ladcstocks und fährt damit etliche Male durch das Rohr. Dann thut er dasselbe mit einer weißen Zwiebel, woraus er mit dieser einen Lappen bestreicht und mit letzterem den Lauf nochmals auswischt. Schließlich wird der Sperlingskopf und die Zwiebel in den Schornstein gehangen, wo es sich mit der Flinte bald ändern und zugleich der gute Freund erscheinen muß, der es ihr angethan hat. So hält es unser Förster in solchen Fällen. Andere nehmen statt des Sperlingskopfs das Herz eines Wiedehopfs oder Hähers zum Ausputzen des Rohrs. Noch besser und approbirter ist. eine Blindschleiche in den Lauf zu thun, dieselbe mit einem Pfropf darauf vierund¬ zwanzig Stunden stehen und das Thier darin sterben zu lassen, dann zu laden, die Schlange daraus zu stoßen und fortzuschießen. Das Gewehr be¬ kommt auf diese Weise, was in der Jägersprache der heiße Brand heißt. Wo ein Thier von ihm auch nur leicht verletzt wird, läuft es doch nicht lange; denn wo die Kugel hintrifft, ist's sofort Händebreit um den Schuß herum ent¬ zündet und verbrannt, und das Wild krankt und endet fast im Augenblick davon. Ein Jäger, der gute Lehre genossen, weiß aber nicht blos sein durch böse Menschen behextes Gewehr zu curiren, sondern auch die Uebelthäter dafür nach Verdienst zu strafen. Doch wird er dabei vorsichtig verfahren; denn wollte ein Schütze, welcher glaubt, daß ihm ein Waidmnnn gesetzt worden, sich ohne Weiteres an der Person, die er im Verdacht hat, rächen, so könnte es leicht geschehen, daß er selbst Beschwerung davon hätte. Der Gegen¬ zauber trifft stets den, der die Schuld an dem Verderbniß des Gewehres hat. Er muß also untersuchen, ob er nicht vielleicht selbst eine Unachtsamkeit begangen hat. In letzterem Fall ist an der Büchse nichts weiter zu thun, als daß man den Lauf sauber auswischt und ihn ohne Schwanzschraube mit der Mündung gegen den Strom in ein fließendes Wasser legt, ihn dort einen Tag und eine Nacht liegen läßt, ihn, nachdem er wieder in den Schaft gethan, mit dem Schweiß von einem Sperling ausputzt und die Büchse dann etliche Wochen nicht 'gebraucht. Hat sich dagegen der Jäger versichert, daß der Schaden von einem An¬ dern herrührt (was man beiläufig daran merkt, daß sich nach dem Schießen im Rohr und aus der Pfanne kleine blutrothe Körnchen sehen lassen), so kann er, wie unser Förster meint, ohne die geringste Sünde zu begehen, einem 38*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/309>, abgerufen am 27.08.2024.