Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.stehen die Bäuerinnen in langer Reihe; es ist der Blumen-, Obst-, Grünzeug- Plötzlich trifft unsre Nase ein ungewöhnlich widerlicher Geruch. Wir Grenzbow, I, 1LL1. 33
stehen die Bäuerinnen in langer Reihe; es ist der Blumen-, Obst-, Grünzeug- Plötzlich trifft unsre Nase ein ungewöhnlich widerlicher Geruch. Wir Grenzbow, I, 1LL1. 33
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111161"/> <p xml:id="ID_912" prev="#ID_911"> stehen die Bäuerinnen in langer Reihe; es ist der Blumen-, Obst-, Grünzeug-<lb/> und Geflügelmarkt. Die buntfarbige Tracht kleidet diese Leute sehr gut. Sie<lb/> wollen alle die beste Waare haben; eine jede schreit laut aus. was sie feil hat,<lb/> wobei die dem Italiener eigene gellende Stimme den Wohlklang der Sprache<lb/> bedeutend, beeinträchtigt. Vor ihnen drängen sich die Städter und Städterin¬<lb/> nen im glockenförmigen kurzen Reifrock ü, la Pepita und handeln und feilschen<lb/> mit geläufigster Zunge und Geberde. Daneben werden Männerstimmen laut:<lb/> Eiru^r ruft Südfrüchte aus, ein Anderer schreit: „Cigari! Cigari!" ein<lb/> Dritter will seine Limonade los werde», ein Vierter Backwerk und so sort bis<lb/> zum Lumpensammler, daß Einen, die Ohren wehe thun möchten. Auch die<lb/> Fleischbänke, welche an der nächsten Marktscite in einer Reihe stehen, bemühen<lb/> sich, mit vernehmlichem Rufe anzukündigen, daß sie heute besseres Fleisch und<lb/> billigere Preise als gewöhnlich haben. Dazwischen bemerkt man Verkäufer<lb/> von ganzen, am Spieß gebratenen, mit aromatischen Kräutern gefüllten<lb/> Schweinen, Gruppen von Gasserten mischen sich unter die Käufer. Hier<lb/> gehen einige Geistliche, schwarz von oben bis unten, mit seidenen Strümpfen<lb/> und Schnallenschuhen, den altfränkischen Dreimaster auf dem Haupte, dort<lb/> einige Signori in bewunderungswürdigem Negligöe.</p><lb/> <p xml:id="ID_913" next="#ID_914"> Plötzlich trifft unsre Nase ein ungewöhnlich widerlicher Geruch. Wir<lb/> gehen dem garstigen Duft nach und kommen durch ein enges, überaus schmu¬<lb/> tziges Gäßchen in die Pescheria. d. h. den Fischmarkt. Hier begegnen wir<lb/> nner namenlosen Auswahl der verschiedenartigsten Meerthiere, Fischen aller<lb/> Gattungen, Seekrebsen, Seespinnen. Krabben. Austern und andern Schalen¬<lb/> thieren, daß sich allerdings das Auge daran nicht satt sehen würde, wenn<lb/> sie die Nase nicht über die Gebühr beleidigten. Der Odeur ist in der<lb/> That kaum zu ertrage». Die Fische, welche an sich schon nicht beson¬<lb/> ders appetitlich riechen, gehen bei dem dortigen Klima schnell in Faul-<lb/> ">ß über, und hundert Sorten strömen hundert Gerüche ans. Schnell<lb/> kehren wir auf den Markt zurück und kommen grade zu rechter Zeit, um einen<lb/> echten italienischen Quacksalber oder Zahnkünstler (Dentista. wie er sich nennt)<lb/> seine Künste produciren zu sehen. — Er steht auf seinem kleinen Neisewägel-<lb/> chen und declamirt gegen die ihn umgebende Menge mit so gewaltigen Ge¬<lb/> berden und Grimassen, daß man glauben möchte, er spiele den Othello. Vor<lb/> >hin sind Medicamente der verschiedensten Art, namentlich aber auch Päckchen<lb/> Fleckseife aufgelegt, welche zu fabriciren und zu verlaufen der eigentliche Zweck<lb/> seines Daseins ist. Er beobachtet stets das gleiche Verfahren. Seine Rede,<lb/> beginnt mit Aufzählung von einem Dutzend Empfehlungen,von großen Herren<lb/> s" England. Frankreich und Italien, obgleich der Wackere niemals weiter ge¬<lb/> kommen sein wird, als in die Lombnrdie. Was weiter folgt, geht zunächst<lb/> "uf Unterhaltung des Publikums und ist bald pathetisch und würdevoll, bald</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbow, I, 1LL1. 33</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
stehen die Bäuerinnen in langer Reihe; es ist der Blumen-, Obst-, Grünzeug-
und Geflügelmarkt. Die buntfarbige Tracht kleidet diese Leute sehr gut. Sie
wollen alle die beste Waare haben; eine jede schreit laut aus. was sie feil hat,
wobei die dem Italiener eigene gellende Stimme den Wohlklang der Sprache
bedeutend, beeinträchtigt. Vor ihnen drängen sich die Städter und Städterin¬
nen im glockenförmigen kurzen Reifrock ü, la Pepita und handeln und feilschen
mit geläufigster Zunge und Geberde. Daneben werden Männerstimmen laut:
Eiru^r ruft Südfrüchte aus, ein Anderer schreit: „Cigari! Cigari!" ein
Dritter will seine Limonade los werde», ein Vierter Backwerk und so sort bis
zum Lumpensammler, daß Einen, die Ohren wehe thun möchten. Auch die
Fleischbänke, welche an der nächsten Marktscite in einer Reihe stehen, bemühen
sich, mit vernehmlichem Rufe anzukündigen, daß sie heute besseres Fleisch und
billigere Preise als gewöhnlich haben. Dazwischen bemerkt man Verkäufer
von ganzen, am Spieß gebratenen, mit aromatischen Kräutern gefüllten
Schweinen, Gruppen von Gasserten mischen sich unter die Käufer. Hier
gehen einige Geistliche, schwarz von oben bis unten, mit seidenen Strümpfen
und Schnallenschuhen, den altfränkischen Dreimaster auf dem Haupte, dort
einige Signori in bewunderungswürdigem Negligöe.
Plötzlich trifft unsre Nase ein ungewöhnlich widerlicher Geruch. Wir
gehen dem garstigen Duft nach und kommen durch ein enges, überaus schmu¬
tziges Gäßchen in die Pescheria. d. h. den Fischmarkt. Hier begegnen wir
nner namenlosen Auswahl der verschiedenartigsten Meerthiere, Fischen aller
Gattungen, Seekrebsen, Seespinnen. Krabben. Austern und andern Schalen¬
thieren, daß sich allerdings das Auge daran nicht satt sehen würde, wenn
sie die Nase nicht über die Gebühr beleidigten. Der Odeur ist in der
That kaum zu ertrage». Die Fische, welche an sich schon nicht beson¬
ders appetitlich riechen, gehen bei dem dortigen Klima schnell in Faul-
">ß über, und hundert Sorten strömen hundert Gerüche ans. Schnell
kehren wir auf den Markt zurück und kommen grade zu rechter Zeit, um einen
echten italienischen Quacksalber oder Zahnkünstler (Dentista. wie er sich nennt)
seine Künste produciren zu sehen. — Er steht auf seinem kleinen Neisewägel-
chen und declamirt gegen die ihn umgebende Menge mit so gewaltigen Ge¬
berden und Grimassen, daß man glauben möchte, er spiele den Othello. Vor
>hin sind Medicamente der verschiedensten Art, namentlich aber auch Päckchen
Fleckseife aufgelegt, welche zu fabriciren und zu verlaufen der eigentliche Zweck
seines Daseins ist. Er beobachtet stets das gleiche Verfahren. Seine Rede,
beginnt mit Aufzählung von einem Dutzend Empfehlungen,von großen Herren
s" England. Frankreich und Italien, obgleich der Wackere niemals weiter ge¬
kommen sein wird, als in die Lombnrdie. Was weiter folgt, geht zunächst
"uf Unterhaltung des Publikums und ist bald pathetisch und würdevoll, bald
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