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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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am Freitag Fleisch essen und die Aufsatze unserer ultramontanen Journale nicht
classisch finden. Vor kurzem starb der Bischof von Trient. Man vertheilte seine
Leibwäsche unter die Armen, Ein alter Manu, der schon lange gichtbrüchig war,
Zog ein ihm geschenktes Hemd an und wurde plötzlich vollkommen gesund. Sie
Zweifeln? Sie lächeln? O Freimaurer, nach dem der Teufel schon die Krallen
streckt! Sie sprechen gegen das neue Landesstatut, welches Bürger und Bauern
zu voller Abhängigkeit vom Klerus und Adel verurtheilt. Hüten Sie sich!
Der Adel Tirols zeichnet sich jetzt weder durch Vermögen noch durch Intelli¬
genz aus. und daß er unter die Freimaurer gehen sollte wie seine Ahnen,
besorgt Niemand. Tischte doch erst jüngst ein Cavalier von der Etsch, welcher
schon öfters bei wichtigen Zeitereignissen wie ein Hanswurst hinter der Scheibe
zu allgemeinem Gelächter emporsprang, den staunenden Lesern des "Vater¬
landes" die Nachricht auf, die Unzufriedenheit von Bauern und Bürgern in
Tirol gehe von den Freimaurern aus. ihre Loge habe das Zeichen dazu ge¬
geben. Diese Loge ist jetzt allerdings auch in Tirol sehr groß: sie umfaßt
" a, * alle Vernünftigen und Billigdenkenden.




Aus Kurhessen.

Die Bewegung.für die Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustandes ist
selbst nach dem denkwürdigen Kammerbeschlusse vom 8, Dec, v, I, um einen nicht
unbedeutenden Schritt weiter gerückt. Es giebt überall einzelne schwache Naturen,
dert- allgemeinen Strom der öffentlichen Meinung, wenn'sie ihn auch nicht auf¬
zuhalten vermögen, doch verunreinigen. An solchen hatte es auch auf dem letzten
Landtage nicht ganz gefehlt. Es war der Mangel einer allgemeinen Erklärung des Vol¬
kes in Betreff seines Rechts, der inne Personen zum Deputirtcnsitz hatte durchschlüpfen
offen. Künftig wird es anders fein. Eine allgemeine und öffentliche Verbrüderung
hat stattgefunden, eine großartige Kundgebung, gegen welche alle Schwachen künftig
unter ihren Mitbürgern als verrufen erscheinen müssen; unterschiedslos ist durch
dieses Ereigniß alles in eine fest zusammenhaltende Masse verschmolzen, an welcher
jeder fernere Versuch der Regierung zur Durchführung der Neuerungen zerschellen wird.

Am 5. Januar 1861 waren es 30 Jahre, seit der Vater des jetzigen Kurfürsten
d'e Verfassungsurkunde mit dem im Eingange, derselben ausgesprochenen Wunsche
^zog, "daß dieselbe als festes Denkmal der Eintracht zwischen Fürst und Unter-


am Freitag Fleisch essen und die Aufsatze unserer ultramontanen Journale nicht
classisch finden. Vor kurzem starb der Bischof von Trient. Man vertheilte seine
Leibwäsche unter die Armen, Ein alter Manu, der schon lange gichtbrüchig war,
Zog ein ihm geschenktes Hemd an und wurde plötzlich vollkommen gesund. Sie
Zweifeln? Sie lächeln? O Freimaurer, nach dem der Teufel schon die Krallen
streckt! Sie sprechen gegen das neue Landesstatut, welches Bürger und Bauern
zu voller Abhängigkeit vom Klerus und Adel verurtheilt. Hüten Sie sich!
Der Adel Tirols zeichnet sich jetzt weder durch Vermögen noch durch Intelli¬
genz aus. und daß er unter die Freimaurer gehen sollte wie seine Ahnen,
besorgt Niemand. Tischte doch erst jüngst ein Cavalier von der Etsch, welcher
schon öfters bei wichtigen Zeitereignissen wie ein Hanswurst hinter der Scheibe
zu allgemeinem Gelächter emporsprang, den staunenden Lesern des „Vater¬
landes" die Nachricht auf, die Unzufriedenheit von Bauern und Bürgern in
Tirol gehe von den Freimaurern aus. ihre Loge habe das Zeichen dazu ge¬
geben. Diese Loge ist jetzt allerdings auch in Tirol sehr groß: sie umfaßt
» a, * alle Vernünftigen und Billigdenkenden.




Aus Kurhessen.

Die Bewegung.für die Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustandes ist
selbst nach dem denkwürdigen Kammerbeschlusse vom 8, Dec, v, I, um einen nicht
unbedeutenden Schritt weiter gerückt. Es giebt überall einzelne schwache Naturen,
dert- allgemeinen Strom der öffentlichen Meinung, wenn'sie ihn auch nicht auf¬
zuhalten vermögen, doch verunreinigen. An solchen hatte es auch auf dem letzten
Landtage nicht ganz gefehlt. Es war der Mangel einer allgemeinen Erklärung des Vol¬
kes in Betreff seines Rechts, der inne Personen zum Deputirtcnsitz hatte durchschlüpfen
offen. Künftig wird es anders fein. Eine allgemeine und öffentliche Verbrüderung
hat stattgefunden, eine großartige Kundgebung, gegen welche alle Schwachen künftig
unter ihren Mitbürgern als verrufen erscheinen müssen; unterschiedslos ist durch
dieses Ereigniß alles in eine fest zusammenhaltende Masse verschmolzen, an welcher
jeder fernere Versuch der Regierung zur Durchführung der Neuerungen zerschellen wird.

Am 5. Januar 1861 waren es 30 Jahre, seit der Vater des jetzigen Kurfürsten
d'e Verfassungsurkunde mit dem im Eingange, derselben ausgesprochenen Wunsche
^zog, „daß dieselbe als festes Denkmal der Eintracht zwischen Fürst und Unter-


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[0239] am Freitag Fleisch essen und die Aufsatze unserer ultramontanen Journale nicht classisch finden. Vor kurzem starb der Bischof von Trient. Man vertheilte seine Leibwäsche unter die Armen, Ein alter Manu, der schon lange gichtbrüchig war, Zog ein ihm geschenktes Hemd an und wurde plötzlich vollkommen gesund. Sie Zweifeln? Sie lächeln? O Freimaurer, nach dem der Teufel schon die Krallen streckt! Sie sprechen gegen das neue Landesstatut, welches Bürger und Bauern zu voller Abhängigkeit vom Klerus und Adel verurtheilt. Hüten Sie sich! Der Adel Tirols zeichnet sich jetzt weder durch Vermögen noch durch Intelli¬ genz aus. und daß er unter die Freimaurer gehen sollte wie seine Ahnen, besorgt Niemand. Tischte doch erst jüngst ein Cavalier von der Etsch, welcher schon öfters bei wichtigen Zeitereignissen wie ein Hanswurst hinter der Scheibe zu allgemeinem Gelächter emporsprang, den staunenden Lesern des „Vater¬ landes" die Nachricht auf, die Unzufriedenheit von Bauern und Bürgern in Tirol gehe von den Freimaurern aus. ihre Loge habe das Zeichen dazu ge¬ geben. Diese Loge ist jetzt allerdings auch in Tirol sehr groß: sie umfaßt » a, * alle Vernünftigen und Billigdenkenden. Aus Kurhessen. Die Bewegung.für die Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustandes ist selbst nach dem denkwürdigen Kammerbeschlusse vom 8, Dec, v, I, um einen nicht unbedeutenden Schritt weiter gerückt. Es giebt überall einzelne schwache Naturen, dert- allgemeinen Strom der öffentlichen Meinung, wenn'sie ihn auch nicht auf¬ zuhalten vermögen, doch verunreinigen. An solchen hatte es auch auf dem letzten Landtage nicht ganz gefehlt. Es war der Mangel einer allgemeinen Erklärung des Vol¬ kes in Betreff seines Rechts, der inne Personen zum Deputirtcnsitz hatte durchschlüpfen offen. Künftig wird es anders fein. Eine allgemeine und öffentliche Verbrüderung hat stattgefunden, eine großartige Kundgebung, gegen welche alle Schwachen künftig unter ihren Mitbürgern als verrufen erscheinen müssen; unterschiedslos ist durch dieses Ereigniß alles in eine fest zusammenhaltende Masse verschmolzen, an welcher jeder fernere Versuch der Regierung zur Durchführung der Neuerungen zerschellen wird. Am 5. Januar 1861 waren es 30 Jahre, seit der Vater des jetzigen Kurfürsten d'e Verfassungsurkunde mit dem im Eingange, derselben ausgesprochenen Wunsche ^zog, „daß dieselbe als festes Denkmal der Eintracht zwischen Fürst und Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/239>, abgerufen am 22.07.2024.