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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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aber in den heutigen Ruslan erneuert worden ist. Der erste von diesen war
Fachr Eddin. Als er 1750 starb, folgte ihm in seiner Würde sein blödsinniger
Sohn Abbas, für den seine Gemahlin Hahns im westlichen Theil des Libanon
regierte, wobei ihr der erwähnte Scheich Beschir Dschunbalat zur Seite stand.
1853 lebte von ihren Söhnen noch der jüngste. Emir Emin, ein sehr schlauer
Herr, der stark den Islam heuchelte und im südlichen Theil des Gebirges mit
der Würde eines Kaimnkams (Stellvertreters des Pcidischah) die Drusen re¬
gierte, so weit unter den geschilderten Verhältnissen von einer Negierung die
Rede sein kann. Zu den drusischen Emiren ist ferner dus Geschlecht Abu'l
Lama zu rechnen, welches in drei Familien zerMt: 1) Die Kajid Beis, aus
welcher Emir Beschir El Achmed. der 1853 Kaimakam deF nördlichen Theils
des Libanon war, abstammt. Derselbe war Christ, seine Eltern aber waren
im drusischen Glauben gestorben. 2) Die Familie Murad. 3) Die Familie
Fares. Letztere waren ursprünglich nur Mukkademun (Vorsteher) und gelangten
erst durch den mohammedanischen Emir Haidar zum Emirat. Von den Abu'l
Lama ist keiner mehr Druse, einige bekennen sich zum Islam, die Mehrzahl
derselben aber hat den Glauben der Maroniten angenommen, zu dem sich auch
fast >M Glieder der vornehmen Familie Schehab halten.

Von den Vorstehern der Drusen ist nur noch das Geschlecht Mezher üb¬
rig, welches in dem Gebiet El Meer (in der Mitte zwischen dem jetzt meist
von Maroniten bewohnten Norden und dem vorzüglich von Drusen besetzten
Süden des Libanon ansässig ist und zu den Verwandten der Scheichs Dschun¬
balat gehört.

Die Zahl der drusischen Scheichs ist groß, und um diese Bezeichnung
richtig zu verstehen, bedarf es einer Erläuterung. Das Wort "Scheich" wird
in der Anrede sowie im arabischen Briefstyl im Libanon unter Drusen, wie
unter Christen allen angesehenen Personen gegenüber gebraucht, wie in Pa¬
lästina das Wort "Chowadsche", wie unter den Italienern der Levante "Sig-
nore", wie unter uns "Herr". Sodann versteht man darunter die Obermeister
der Gilden in den Städten und die Vorsteher der Dörfer (Schulzen oder Rich-
ier). obgleich sie aus dem niedern Volk genommen werden. Endlich aber be¬
zeichnet man damit diejenigen Adeligen des Libanon, welche die Emire von

Familie Schehab mit dem Titel "Geehrter Bruder" anreden. Denn der
Adel sämmtlicher Familien des Libanon wird von diesen Emiren verliehen,
K>eil sie das angesehenste Geschlecht in Syrien bilden und von Allen als Vor¬
nehmste anerkannt sind.

Die Scheichs dieser dritten Gattung sind nun doppelter Art: einmal sind
!le einfache Adelige, die von ihren Gütern leben und über niemand Macht
^der Recht haben, dann aber gibt es unter ihnen solche, bei denen mit der
Scheichwürde die Herrschaft über einen bestimmten Bezirk verknüpft ist. Als


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aber in den heutigen Ruslan erneuert worden ist. Der erste von diesen war
Fachr Eddin. Als er 1750 starb, folgte ihm in seiner Würde sein blödsinniger
Sohn Abbas, für den seine Gemahlin Hahns im westlichen Theil des Libanon
regierte, wobei ihr der erwähnte Scheich Beschir Dschunbalat zur Seite stand.
1853 lebte von ihren Söhnen noch der jüngste. Emir Emin, ein sehr schlauer
Herr, der stark den Islam heuchelte und im südlichen Theil des Gebirges mit
der Würde eines Kaimnkams (Stellvertreters des Pcidischah) die Drusen re¬
gierte, so weit unter den geschilderten Verhältnissen von einer Negierung die
Rede sein kann. Zu den drusischen Emiren ist ferner dus Geschlecht Abu'l
Lama zu rechnen, welches in drei Familien zerMt: 1) Die Kajid Beis, aus
welcher Emir Beschir El Achmed. der 1853 Kaimakam deF nördlichen Theils
des Libanon war, abstammt. Derselbe war Christ, seine Eltern aber waren
im drusischen Glauben gestorben. 2) Die Familie Murad. 3) Die Familie
Fares. Letztere waren ursprünglich nur Mukkademun (Vorsteher) und gelangten
erst durch den mohammedanischen Emir Haidar zum Emirat. Von den Abu'l
Lama ist keiner mehr Druse, einige bekennen sich zum Islam, die Mehrzahl
derselben aber hat den Glauben der Maroniten angenommen, zu dem sich auch
fast >M Glieder der vornehmen Familie Schehab halten.

Von den Vorstehern der Drusen ist nur noch das Geschlecht Mezher üb¬
rig, welches in dem Gebiet El Meer (in der Mitte zwischen dem jetzt meist
von Maroniten bewohnten Norden und dem vorzüglich von Drusen besetzten
Süden des Libanon ansässig ist und zu den Verwandten der Scheichs Dschun¬
balat gehört.

Die Zahl der drusischen Scheichs ist groß, und um diese Bezeichnung
richtig zu verstehen, bedarf es einer Erläuterung. Das Wort „Scheich" wird
in der Anrede sowie im arabischen Briefstyl im Libanon unter Drusen, wie
unter Christen allen angesehenen Personen gegenüber gebraucht, wie in Pa¬
lästina das Wort „Chowadsche", wie unter den Italienern der Levante „Sig-
nore", wie unter uns „Herr". Sodann versteht man darunter die Obermeister
der Gilden in den Städten und die Vorsteher der Dörfer (Schulzen oder Rich-
ier). obgleich sie aus dem niedern Volk genommen werden. Endlich aber be¬
zeichnet man damit diejenigen Adeligen des Libanon, welche die Emire von

Familie Schehab mit dem Titel „Geehrter Bruder" anreden. Denn der
Adel sämmtlicher Familien des Libanon wird von diesen Emiren verliehen,
K>eil sie das angesehenste Geschlecht in Syrien bilden und von Allen als Vor¬
nehmste anerkannt sind.

Die Scheichs dieser dritten Gattung sind nun doppelter Art: einmal sind
!le einfache Adelige, die von ihren Gütern leben und über niemand Macht
^der Recht haben, dann aber gibt es unter ihnen solche, bei denen mit der
Scheichwürde die Herrschaft über einen bestimmten Bezirk verknüpft ist. Als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/189>, abgerufen am 26.08.2024.