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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band.

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Volk wenig singt, und daß es, wenn es nicht besondern Unterricht gehabt hat,
durchweg schlecht singt, z. B. in der Kirche. Das Sprichwort "der Sachse
singt nicht" ist zwar schon alt, aber es sagt nicht, weshalb er's nicht thut.
In den meisten Füllen ist das. was man Gesang nennt, nur ein Geschrei;
nur wenn des Abends bisweilen die Mädchen in den Dörfern ein Lied an¬
stimmen, hört man einige angenehme Töne.

Das gute Gedächtniß wird wenig benutzt, und so kann von eigentlicher
Bildung unter dem Volke nicht die Rede sein. Was man dahin rechnen
mag, beschränkt sich auf Lesen, etwas Schreiben und Rechnen. Vor wenigen
Jahren noch waren die Dorfschulen in Mecklenburg nur Bcaufsichtigungsan-
stalten; was die Kinder von Unterricht erhielten, war Zugabe, die denn auch
nach dem, was sie werth war, bezahlt wurde. Jetzt hat sich hierin mancher¬
lei besser gestaltet; fast überall wirken tüchtige Lehrer, und das Volk zeigt im
Allgemeinen Lust zum Lernen. Ob es bildsam ist, muß die Zukunft lehren,
verständig ist es jedenfalls. Viele literarische Größen hat es bis jetzt nicht
hervorgebracht, aber' alle spiegeln in ihren Schriften einen tüchtigen realisti¬
schen Kern ab. So der Wittenburger Christian Ludwig Liscow, der Som-
mcrsdorfer Johann Heinrich Voß und der Eichhorster Ludwig Kortüm, der
Verfasser der Jobsiade. So in neuester Zeit vor Allen Fritz Reuter. dessen
"Otte Kamelien" entschieden das beste Buch sind, weiches die neuerwachte
plattdeutsche Literatur hervorgebracht hat.




Die Drusen nach Berichten eines Drusen.
i.

Was wir bisher von der geheimnißvollen Secte der Drusen wußten, die
durch die Ereignisse im Libanon wieder einmal die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich lenkte, beruhte im Wesentlichen auf den Mittheilungen, welche Syl¬
vester de Sacy in seinem "lüxposiz 6o ig, religion clss Oruses" nach einem
ihrer Religionsbücher gab, das als Beutestück in einem der letzten Kriege Me-
hemmed Alis nach Paris gekommen war. Das Folgende, eine Auswahl des
allgemein Interessanten aus dem Anhang zum ersten Bande des soeben erschien


Volk wenig singt, und daß es, wenn es nicht besondern Unterricht gehabt hat,
durchweg schlecht singt, z. B. in der Kirche. Das Sprichwort „der Sachse
singt nicht" ist zwar schon alt, aber es sagt nicht, weshalb er's nicht thut.
In den meisten Füllen ist das. was man Gesang nennt, nur ein Geschrei;
nur wenn des Abends bisweilen die Mädchen in den Dörfern ein Lied an¬
stimmen, hört man einige angenehme Töne.

Das gute Gedächtniß wird wenig benutzt, und so kann von eigentlicher
Bildung unter dem Volke nicht die Rede sein. Was man dahin rechnen
mag, beschränkt sich auf Lesen, etwas Schreiben und Rechnen. Vor wenigen
Jahren noch waren die Dorfschulen in Mecklenburg nur Bcaufsichtigungsan-
stalten; was die Kinder von Unterricht erhielten, war Zugabe, die denn auch
nach dem, was sie werth war, bezahlt wurde. Jetzt hat sich hierin mancher¬
lei besser gestaltet; fast überall wirken tüchtige Lehrer, und das Volk zeigt im
Allgemeinen Lust zum Lernen. Ob es bildsam ist, muß die Zukunft lehren,
verständig ist es jedenfalls. Viele literarische Größen hat es bis jetzt nicht
hervorgebracht, aber' alle spiegeln in ihren Schriften einen tüchtigen realisti¬
schen Kern ab. So der Wittenburger Christian Ludwig Liscow, der Som-
mcrsdorfer Johann Heinrich Voß und der Eichhorster Ludwig Kortüm, der
Verfasser der Jobsiade. So in neuester Zeit vor Allen Fritz Reuter. dessen
„Otte Kamelien" entschieden das beste Buch sind, weiches die neuerwachte
plattdeutsche Literatur hervorgebracht hat.




Die Drusen nach Berichten eines Drusen.
i.

Was wir bisher von der geheimnißvollen Secte der Drusen wußten, die
durch die Ereignisse im Libanon wieder einmal die allgemeine Aufmerksamkeit
auf sich lenkte, beruhte im Wesentlichen auf den Mittheilungen, welche Syl¬
vester de Sacy in seinem „lüxposiz 6o ig, religion clss Oruses" nach einem
ihrer Religionsbücher gab, das als Beutestück in einem der letzten Kriege Me-
hemmed Alis nach Paris gekommen war. Das Folgende, eine Auswahl des
allgemein Interessanten aus dem Anhang zum ersten Bande des soeben erschien


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[0150] Volk wenig singt, und daß es, wenn es nicht besondern Unterricht gehabt hat, durchweg schlecht singt, z. B. in der Kirche. Das Sprichwort „der Sachse singt nicht" ist zwar schon alt, aber es sagt nicht, weshalb er's nicht thut. In den meisten Füllen ist das. was man Gesang nennt, nur ein Geschrei; nur wenn des Abends bisweilen die Mädchen in den Dörfern ein Lied an¬ stimmen, hört man einige angenehme Töne. Das gute Gedächtniß wird wenig benutzt, und so kann von eigentlicher Bildung unter dem Volke nicht die Rede sein. Was man dahin rechnen mag, beschränkt sich auf Lesen, etwas Schreiben und Rechnen. Vor wenigen Jahren noch waren die Dorfschulen in Mecklenburg nur Bcaufsichtigungsan- stalten; was die Kinder von Unterricht erhielten, war Zugabe, die denn auch nach dem, was sie werth war, bezahlt wurde. Jetzt hat sich hierin mancher¬ lei besser gestaltet; fast überall wirken tüchtige Lehrer, und das Volk zeigt im Allgemeinen Lust zum Lernen. Ob es bildsam ist, muß die Zukunft lehren, verständig ist es jedenfalls. Viele literarische Größen hat es bis jetzt nicht hervorgebracht, aber' alle spiegeln in ihren Schriften einen tüchtigen realisti¬ schen Kern ab. So der Wittenburger Christian Ludwig Liscow, der Som- mcrsdorfer Johann Heinrich Voß und der Eichhorster Ludwig Kortüm, der Verfasser der Jobsiade. So in neuester Zeit vor Allen Fritz Reuter. dessen „Otte Kamelien" entschieden das beste Buch sind, weiches die neuerwachte plattdeutsche Literatur hervorgebracht hat. Die Drusen nach Berichten eines Drusen. i. Was wir bisher von der geheimnißvollen Secte der Drusen wußten, die durch die Ereignisse im Libanon wieder einmal die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, beruhte im Wesentlichen auf den Mittheilungen, welche Syl¬ vester de Sacy in seinem „lüxposiz 6o ig, religion clss Oruses" nach einem ihrer Religionsbücher gab, das als Beutestück in einem der letzten Kriege Me- hemmed Alis nach Paris gekommen war. Das Folgende, eine Auswahl des allgemein Interessanten aus dem Anhang zum ersten Bande des soeben erschien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_110893/150>, abgerufen am 26.08.2024.