Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.den, so hoffen wir, noch viele Jahrhunderte mit Entzücken und anmuthigem Schauer Nach anderer Richtung wirkt schädlich eine zweite Classe von Kinderschriftcn, Von den vorliegenden Büchern erwähnen wir zuerst und mit besonderer Aus¬ Der Jugend Lust und Lehre. Album für das reifere Jugendalter. Heraus¬ Das Nußbäumchen. Von Gustav Sus. Die Arabesken in Farbendruck den, so hoffen wir, noch viele Jahrhunderte mit Entzücken und anmuthigem Schauer Nach anderer Richtung wirkt schädlich eine zweite Classe von Kinderschriftcn, Von den vorliegenden Büchern erwähnen wir zuerst und mit besonderer Aus¬ Der Jugend Lust und Lehre. Album für das reifere Jugendalter. Heraus¬ Das Nußbäumchen. Von Gustav Sus. Die Arabesken in Farbendruck <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0529" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/110877"/> <p xml:id="ID_1626" prev="#ID_1625"> den, so hoffen wir, noch viele Jahrhunderte mit Entzücken und anmuthigem Schauer<lb/> verschlungen werden, auch der alte ehrliche Göckelhahn am Ende der Fibel wird<lb/> dringend gebeten, dem fleißigen Kinde seine Pfennige auszukrähcn, hübsche einfache<lb/> Lieder und Sprüche mögen immer wieder auswendig gelernt und ausgesagt werden;<lb/> aber sobald der Geist des Kindes so weit entwickelt ist, daß es selbständig längere<lb/> Geschichten zu lesen vermag, wird die nahrhafteste Kost immer die sein, welche auch<lb/> den Erwachsenen Genuß gewährt; natürlich mit großer Auswahl, Nur muß diese<lb/> nicht mit der Prüderie geschehen, welche jetzt Jugendschriften so häufig zur Last fällt,<lb/> und nicht mit der Absicht, dadurch fromm und gut zu machen, daß unendliche lang¬<lb/> weilige Musterbilder von artigen Kindern ausgekramt werden. Dem Kinde geht es grade<lb/> wie dem Landmann oder Handwerker, welche ebenfalls mit gutem Recht von den<lb/> Volksschriftcn mit kalter moralischer Tendenz abgestoßen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1627"> Nach anderer Richtung wirkt schädlich eine zweite Classe von Kinderschriftcn,<lb/> welche namentlich in den letzten Jahren überHand genommen hat. Es ist der<lb/> verwässerte Niederschlag der pikanten Touristcnabenteucr, jene Kämpfe mit Eisbergen,<lb/> mit Indianern, Negern, Elephanten und Wallfischen; in ihnen häufen sich die Ge¬<lb/> fahren, welche die kleinen Helden bedrohen, so massenhaft, das Fremdartige, Unerhörte,<lb/> Seltsame dringt so heftig in die Phantasie, daß solche Bücher die Einbildungskraft<lb/> überreizen und vor der Zeit blasircn. Indem sie eine Anzahl ziemlich fern liegender<lb/> Anschauungen in die Seele prägen, verringern sie leicht sehr die unbefangene Em¬<lb/> pfänglichkeit für das Naheliegende, vielleicht das Interesse an der umgebenden Wirk¬<lb/> lichkeit. In eine dritte Classe aber gehören solche Bilderbücher, bei denen die Illu¬<lb/> stration die Hauptsache ist, der Text nebenbei läuft. Vieles Hübsche wird in dieser<lb/> Richtung gefördert, einige unserer besten Zeichner haben nicht verschmäht, den Kin¬<lb/> dern zu dienen, aber es wird auch hier des Guten zu viel. Die ewigen Arabesken und<lb/> rundlichen Kindergestalten in gezierten Stellungen, ein oft geistloses Tändeln mit<lb/> dem Kleinsten muß weggewünscht werden; und die Verse, die gewöhnlichen Begleiter<lb/> solcher Illustrationen, sind doch meist über Gebühr schauderhaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1628"> Von den vorliegenden Büchern erwähnen wir zuerst und mit besonderer Aus¬<lb/> zeichnung :</p><lb/> <p xml:id="ID_1629"> Der Jugend Lust und Lehre. Album für das reifere Jugendalter. Heraus¬<lb/> gegeben von Dr. Hermann Masius. Mit 22 Lithographieen und 4 Holzschnitten.<lb/> Vierter Jahrgang. Glogau, C. Flemming. — Unter den Bildern sind einige sorg¬<lb/> fältig gezeichnete historische Porträts; der Text aus der Naturbeschreibung, Völker¬<lb/> kunde, Geschichte, auch der ältern epischen Poesie entnommen, ist von namhaften<lb/> Verfassern verständig bearbeitet, es ist überall eine reichliche Darstellung wirklichen<lb/> Details, naheliegender Interessen, nationaler Poesie und Geschichte. Der starke Band<lb/> 'se für Knaben und Mädchen von 12 bis 16 Jahren bestimmt. — Aus demselben<lb/> Verlage präsentiren sich als illustrirte Kinderbücher-</p><lb/> <p xml:id="ID_1630" next="#ID_1631"> Das Nußbäumchen. Von Gustav Sus. Die Arabesken in Farbendruck<lb/> sind die Hauptsache, der Text schildert die Schicksale einer Haselnuß von der Blüthe<lb/> bis zu dem finstern Moment, wo fie in den Mund des Nußknackers geschoben wird.<lb/> Etwas zu gesucht. — Der Kinder-Engel, Von Gustav Sus. Inhalt: wie<lb/> die neugebornen Kinder durch den Storch und einen kleinen sentimentalen Engel<lb/> aus dem Kinderbrunnen geholt und den Eltern gebracht werden. Die Zugabe mo-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0529]
den, so hoffen wir, noch viele Jahrhunderte mit Entzücken und anmuthigem Schauer
verschlungen werden, auch der alte ehrliche Göckelhahn am Ende der Fibel wird
dringend gebeten, dem fleißigen Kinde seine Pfennige auszukrähcn, hübsche einfache
Lieder und Sprüche mögen immer wieder auswendig gelernt und ausgesagt werden;
aber sobald der Geist des Kindes so weit entwickelt ist, daß es selbständig längere
Geschichten zu lesen vermag, wird die nahrhafteste Kost immer die sein, welche auch
den Erwachsenen Genuß gewährt; natürlich mit großer Auswahl, Nur muß diese
nicht mit der Prüderie geschehen, welche jetzt Jugendschriften so häufig zur Last fällt,
und nicht mit der Absicht, dadurch fromm und gut zu machen, daß unendliche lang¬
weilige Musterbilder von artigen Kindern ausgekramt werden. Dem Kinde geht es grade
wie dem Landmann oder Handwerker, welche ebenfalls mit gutem Recht von den
Volksschriftcn mit kalter moralischer Tendenz abgestoßen werden.
Nach anderer Richtung wirkt schädlich eine zweite Classe von Kinderschriftcn,
welche namentlich in den letzten Jahren überHand genommen hat. Es ist der
verwässerte Niederschlag der pikanten Touristcnabenteucr, jene Kämpfe mit Eisbergen,
mit Indianern, Negern, Elephanten und Wallfischen; in ihnen häufen sich die Ge¬
fahren, welche die kleinen Helden bedrohen, so massenhaft, das Fremdartige, Unerhörte,
Seltsame dringt so heftig in die Phantasie, daß solche Bücher die Einbildungskraft
überreizen und vor der Zeit blasircn. Indem sie eine Anzahl ziemlich fern liegender
Anschauungen in die Seele prägen, verringern sie leicht sehr die unbefangene Em¬
pfänglichkeit für das Naheliegende, vielleicht das Interesse an der umgebenden Wirk¬
lichkeit. In eine dritte Classe aber gehören solche Bilderbücher, bei denen die Illu¬
stration die Hauptsache ist, der Text nebenbei läuft. Vieles Hübsche wird in dieser
Richtung gefördert, einige unserer besten Zeichner haben nicht verschmäht, den Kin¬
dern zu dienen, aber es wird auch hier des Guten zu viel. Die ewigen Arabesken und
rundlichen Kindergestalten in gezierten Stellungen, ein oft geistloses Tändeln mit
dem Kleinsten muß weggewünscht werden; und die Verse, die gewöhnlichen Begleiter
solcher Illustrationen, sind doch meist über Gebühr schauderhaft.
Von den vorliegenden Büchern erwähnen wir zuerst und mit besonderer Aus¬
zeichnung :
Der Jugend Lust und Lehre. Album für das reifere Jugendalter. Heraus¬
gegeben von Dr. Hermann Masius. Mit 22 Lithographieen und 4 Holzschnitten.
Vierter Jahrgang. Glogau, C. Flemming. — Unter den Bildern sind einige sorg¬
fältig gezeichnete historische Porträts; der Text aus der Naturbeschreibung, Völker¬
kunde, Geschichte, auch der ältern epischen Poesie entnommen, ist von namhaften
Verfassern verständig bearbeitet, es ist überall eine reichliche Darstellung wirklichen
Details, naheliegender Interessen, nationaler Poesie und Geschichte. Der starke Band
'se für Knaben und Mädchen von 12 bis 16 Jahren bestimmt. — Aus demselben
Verlage präsentiren sich als illustrirte Kinderbücher-
Das Nußbäumchen. Von Gustav Sus. Die Arabesken in Farbendruck
sind die Hauptsache, der Text schildert die Schicksale einer Haselnuß von der Blüthe
bis zu dem finstern Moment, wo fie in den Mund des Nußknackers geschoben wird.
Etwas zu gesucht. — Der Kinder-Engel, Von Gustav Sus. Inhalt: wie
die neugebornen Kinder durch den Storch und einen kleinen sentimentalen Engel
aus dem Kinderbrunnen geholt und den Eltern gebracht werden. Die Zugabe mo-
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