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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band.

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irqend einen Erfolg versprach, so war das Diplom vom 20. October, welches
wieder nur von "freier Religionsübung" sprach, die protestantische Frage also
ungelöst ließ, vollkommen geeignet, denselben von seinem Optimismus zu
heilen.

Inwieweit wir die kirchliche Verfassungsfrage nicht bereits berührt haben,
sei es nun vergönnt, unsere Darlegung zu ergänzen, indem wir ein wenn auch
nur skizzenhaftes Bild davon zu entwerfen suchen. Wir haben bemerkt, daß
die evangelische Kirche in Siebenbürgen von Anbeginn sich nach ihren eignen
Grundsätzen habe gestalten können. So war denn ihr Zug nach der Pres-
byterial- und Synvdalverfassung, welche freilich -- wenigstens in der evangelisch¬
lutherischen Kirche, welcher die Sachsen angehören -- durch consistoriale Elemente
insoweit zersetzt war, als nicht alle Aemter unmittelbar aus kirchlichen, sondern
zum Theil aus politisch-nationalen Wahlen hervorgingen. Denn die Gau¬
verfassung der siebenbürger Sachsen hing sehr innig mit dem sächsisch¬
evangelischen Kirchenwesen zusammen. Als nun die siebenhundertjährige Mu-
nicipalverfassung jener treuen Hüter deutscher Cultur und Sitte an den Ostmarken
des Donaurciches im Sturme des Jahres 1848--49 zusammenbrach und, statt
in der Reichsverfnssung vom Jahre 1849, im Bach'schen Absolutismus auf¬
ging, da sing natürlich auch die Kirchenverfassung an zu wanken. Das Ober-
consistorium in Hermannstadt legte der Regierung .daher schon im Jahre 1851
den Entwurf einer neuen Kirchenordnung zur Bestätigung vor, welche einen
wesentlichen Fortschritt von der frühern Verfassung bezeichnete. Einen noch
größer" Fortschritt bildete aber -- man muß es zugeben -- die zufolge jener
Vorlage von dem Staate vorgenommene Correctur der berührten Kirchenord¬
nung, welche sich die bewährte rheinisch-westfälische Kirchenverfassung zum
Muster genommen hatte. Schade nur, daß es vier Jahre bedürfte, bis die
Hinausgabe des so modificirten Verfassungsentwurfes erfolgte. Doch hätte
man sich noch trösten können, wenn die Vollziehung sogleich Statt gesunden
hätte. Allein diese ließ auch ein Jahr auf sich warten, und als sie endlich
im Jahre 1856 erfolgte, geschah sie nur halb. Die Einführung des dritten
Gliedes des kirchcnregimentlichen Organismus, der Landeskirchenversammlung
nebst dem Superintendentialconsistorium, blieb in der Schwebe. So vergingen
weitere drei Jahre. Unterdessen stand seit dem Jahre 1851, in welchem das
vollzählige Oberconsistorium sich aufgelöst hatte, an der Spitze das sogenannte
dclcgirte Oberconsistorium, welches sich seither aus den Reihen der evangelischen
Staatsbeamten höhern Grades in Hermannstadt selbst ergänzte, in der Kirche
selbst aber, eben weil es von derselben kein Mandat hatte, gänzlich ohne Po¬
pularität war, sodaß demselben nachgrade von mehreren Bezirksconsistorien
der Gehorsam gekündigt worden ist. Es half nichts, daß in so mißlichen
Verhältnissen die Landeskirche, das Oberconsistorium selbst, wiederholt auf Voll-


Grenzboten IV. 1860, 59

irqend einen Erfolg versprach, so war das Diplom vom 20. October, welches
wieder nur von „freier Religionsübung" sprach, die protestantische Frage also
ungelöst ließ, vollkommen geeignet, denselben von seinem Optimismus zu
heilen.

Inwieweit wir die kirchliche Verfassungsfrage nicht bereits berührt haben,
sei es nun vergönnt, unsere Darlegung zu ergänzen, indem wir ein wenn auch
nur skizzenhaftes Bild davon zu entwerfen suchen. Wir haben bemerkt, daß
die evangelische Kirche in Siebenbürgen von Anbeginn sich nach ihren eignen
Grundsätzen habe gestalten können. So war denn ihr Zug nach der Pres-
byterial- und Synvdalverfassung, welche freilich — wenigstens in der evangelisch¬
lutherischen Kirche, welcher die Sachsen angehören — durch consistoriale Elemente
insoweit zersetzt war, als nicht alle Aemter unmittelbar aus kirchlichen, sondern
zum Theil aus politisch-nationalen Wahlen hervorgingen. Denn die Gau¬
verfassung der siebenbürger Sachsen hing sehr innig mit dem sächsisch¬
evangelischen Kirchenwesen zusammen. Als nun die siebenhundertjährige Mu-
nicipalverfassung jener treuen Hüter deutscher Cultur und Sitte an den Ostmarken
des Donaurciches im Sturme des Jahres 1848—49 zusammenbrach und, statt
in der Reichsverfnssung vom Jahre 1849, im Bach'schen Absolutismus auf¬
ging, da sing natürlich auch die Kirchenverfassung an zu wanken. Das Ober-
consistorium in Hermannstadt legte der Regierung .daher schon im Jahre 1851
den Entwurf einer neuen Kirchenordnung zur Bestätigung vor, welche einen
wesentlichen Fortschritt von der frühern Verfassung bezeichnete. Einen noch
größer» Fortschritt bildete aber — man muß es zugeben — die zufolge jener
Vorlage von dem Staate vorgenommene Correctur der berührten Kirchenord¬
nung, welche sich die bewährte rheinisch-westfälische Kirchenverfassung zum
Muster genommen hatte. Schade nur, daß es vier Jahre bedürfte, bis die
Hinausgabe des so modificirten Verfassungsentwurfes erfolgte. Doch hätte
man sich noch trösten können, wenn die Vollziehung sogleich Statt gesunden
hätte. Allein diese ließ auch ein Jahr auf sich warten, und als sie endlich
im Jahre 1856 erfolgte, geschah sie nur halb. Die Einführung des dritten
Gliedes des kirchcnregimentlichen Organismus, der Landeskirchenversammlung
nebst dem Superintendentialconsistorium, blieb in der Schwebe. So vergingen
weitere drei Jahre. Unterdessen stand seit dem Jahre 1851, in welchem das
vollzählige Oberconsistorium sich aufgelöst hatte, an der Spitze das sogenannte
dclcgirte Oberconsistorium, welches sich seither aus den Reihen der evangelischen
Staatsbeamten höhern Grades in Hermannstadt selbst ergänzte, in der Kirche
selbst aber, eben weil es von derselben kein Mandat hatte, gänzlich ohne Po¬
pularität war, sodaß demselben nachgrade von mehreren Bezirksconsistorien
der Gehorsam gekündigt worden ist. Es half nichts, daß in so mißlichen
Verhältnissen die Landeskirche, das Oberconsistorium selbst, wiederholt auf Voll-


Grenzboten IV. 1860, 59
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[0477] irqend einen Erfolg versprach, so war das Diplom vom 20. October, welches wieder nur von „freier Religionsübung" sprach, die protestantische Frage also ungelöst ließ, vollkommen geeignet, denselben von seinem Optimismus zu heilen. Inwieweit wir die kirchliche Verfassungsfrage nicht bereits berührt haben, sei es nun vergönnt, unsere Darlegung zu ergänzen, indem wir ein wenn auch nur skizzenhaftes Bild davon zu entwerfen suchen. Wir haben bemerkt, daß die evangelische Kirche in Siebenbürgen von Anbeginn sich nach ihren eignen Grundsätzen habe gestalten können. So war denn ihr Zug nach der Pres- byterial- und Synvdalverfassung, welche freilich — wenigstens in der evangelisch¬ lutherischen Kirche, welcher die Sachsen angehören — durch consistoriale Elemente insoweit zersetzt war, als nicht alle Aemter unmittelbar aus kirchlichen, sondern zum Theil aus politisch-nationalen Wahlen hervorgingen. Denn die Gau¬ verfassung der siebenbürger Sachsen hing sehr innig mit dem sächsisch¬ evangelischen Kirchenwesen zusammen. Als nun die siebenhundertjährige Mu- nicipalverfassung jener treuen Hüter deutscher Cultur und Sitte an den Ostmarken des Donaurciches im Sturme des Jahres 1848—49 zusammenbrach und, statt in der Reichsverfnssung vom Jahre 1849, im Bach'schen Absolutismus auf¬ ging, da sing natürlich auch die Kirchenverfassung an zu wanken. Das Ober- consistorium in Hermannstadt legte der Regierung .daher schon im Jahre 1851 den Entwurf einer neuen Kirchenordnung zur Bestätigung vor, welche einen wesentlichen Fortschritt von der frühern Verfassung bezeichnete. Einen noch größer» Fortschritt bildete aber — man muß es zugeben — die zufolge jener Vorlage von dem Staate vorgenommene Correctur der berührten Kirchenord¬ nung, welche sich die bewährte rheinisch-westfälische Kirchenverfassung zum Muster genommen hatte. Schade nur, daß es vier Jahre bedürfte, bis die Hinausgabe des so modificirten Verfassungsentwurfes erfolgte. Doch hätte man sich noch trösten können, wenn die Vollziehung sogleich Statt gesunden hätte. Allein diese ließ auch ein Jahr auf sich warten, und als sie endlich im Jahre 1856 erfolgte, geschah sie nur halb. Die Einführung des dritten Gliedes des kirchcnregimentlichen Organismus, der Landeskirchenversammlung nebst dem Superintendentialconsistorium, blieb in der Schwebe. So vergingen weitere drei Jahre. Unterdessen stand seit dem Jahre 1851, in welchem das vollzählige Oberconsistorium sich aufgelöst hatte, an der Spitze das sogenannte dclcgirte Oberconsistorium, welches sich seither aus den Reihen der evangelischen Staatsbeamten höhern Grades in Hermannstadt selbst ergänzte, in der Kirche selbst aber, eben weil es von derselben kein Mandat hatte, gänzlich ohne Po¬ pularität war, sodaß demselben nachgrade von mehreren Bezirksconsistorien der Gehorsam gekündigt worden ist. Es half nichts, daß in so mißlichen Verhältnissen die Landeskirche, das Oberconsistorium selbst, wiederholt auf Voll- Grenzboten IV. 1860, 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_110347/477>, abgerufen am 16.01.2025.